Ingolstadt
Carnevale Condotti

Ein kleiner Spaß mit witzlosen Folgen: Wie die Bürgergemeinschaft kurz ins Visier des Staatsschutzes geriet

11.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:19 Uhr

Heiteres Polittheater: Akteure der Bürgergemeinschaft bei ihrer Kundgebung vor dem Condotti Am Stein. Dann setzte jemand die Polizei auf sie an. Der Vorwurf: ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Sie fallen gerne auf. Die Mitglieder der Bürgergemeinschaft schätzen kreativ-demonstrative Auftritte, in Aktivistenfachkreisen „Happening“ genannt. Deshalb haben sie auch für den ersten Jahrestag ihrer Gründung etwas Heiteres ausgeheckt. Damals hatte die (noch etwas umfangreichere) Bürgergemeinschaft mit „11 Themen am 11. 11.“ auf sich aufmerksam gemacht. Wer nun am 11. November dieses Jahres mit angelegtem Mundschutz in der Bar Condotti Am Stein gegen die vorbeifahrenden Busse demonstriere, „bekommt einen Geburtstagskaffee ausgegeben“, lautete die Ankündigung Christian Langes, Sprecher und OB-Kandidat des Bündnisses.

Andrea Schieder-Bosco, die Wirtin des Condotti, ist seine Stellvertreterin. Schilder mit Daumen, die nach unten zeigen, standen auch reichlich bereit. Eigentlich wollte man ja nur im Lokal protestieren, versichert Lange. Aber dann beschlossen die zehn Aktivisten „ganz spontan“, auch kurz vor der Bar Bussen den gesenkten Daumen zu zeigen; mit Mundschutz, weil’s lustiger sei. Dachten sie. Stattdessen gab es Ärger. Und miese Stimmung.

Ein noch Unbekannter – angeblich ein Stadtratsmitglied – soll das Ordnungsamt aufgefordert haben, einem Verstoß der Bürgergemeinschaft gegen das Vermummungsverbot nachzugehen. Außerdem sollte die Behörde prüfen, ob die Protestaktion überhaupt rechtens war. Das Ordnungsamt schaltete die Polizei ein. Die gab den Fall an den Staatsschutz weiter (ein eigenes Kommissariat der Kripo), wie es der Dienstweg vorsieht. Staatsschützer treten in Aktion, wo politische Extremisten wirken und verfassungsfeindliche Kräfte walten. Mitglieder einer Bürgerinitiative, die mit Mundschutz im Gesicht vor einer Bar gegen den öffentlichen Personennahverkehr in der Altstadt protestieren, gehören jetzt nicht direkt zur Zielgruppe des Staatsschutzes. Entsprechend schnell hat er die Ermittlungen auch eingestellt.

Wie gestern inoffiziell zu erfahren war, ist man bei der Polizei etwas irritiert, dass sie in diesem Fall eingeschaltet worden ist, denn das sei allein die Sache des Ordnungsamts, hieß es. Nach Angaben der Polizei liegen keine Verstöße gegen das Vermummungsverbot und die Regeln für Versammlungen vor. So hätten sich die Akteure vor und nach der Kundgebung offen gezeigt. Es sei nicht zu erkennen, dass sich die Gäste des Condotti tatsächlich vermummen wollten. Die verwendeten Masken seien dafür eh nicht geeignet, erklärt die Polizei.

Lange und seine Mitstreiter sind stinksauer. Über einen Anwalt hat er Akteneinsicht beantragen lassen, um herauszufinden, wer das Ordnungsamt auf die Bürgergemeinschaft angesetzt hat. „Das war keine Versammlung, sondern der spontane Entschluss, mal kurz rauszugehen und ein Zeichen gegen die Busse zu setzen.“ Lange fügt hinzu: „Ich bin selbst Jurist. Ich weiß, was ich tue! Wir haben weder jemanden behindert noch jemanden beleidigt.“

Der OB-Kandidat der Bürgergemeinschaft vermutet politische Gegner hinter den Vermummungsvorwürfen. „Aber es überrascht mich, dass die schon im Dezember solche Schritte unternehmen.“ Wenn es in diesem Stil weitergehe, drohe der Wahlkampf hässlich zu werden, sagt Lange. „Wir sollten in der Lage sein, Auseinandersetzungen auf dem politischen Parkett auszutragen. Und ich hoffe, dass wir wieder aufs politische Parkett zurückfinden.“ Er rechnet mit weiteren Angriffen. „Auf dem Niveau werde ich keine Auseinandersetzung führen!“

Veronika Peters, OB-Kandidatin der SPD, sieht es ähnlich: „Das ist kein gutes Zeichen. Ich fürchte, dass es so weitergeht.“ Im Fall Condotti hätten die Widersacher der Bürgergemeinschaft aber ein Eigentor erzielt: „Da wurde versucht, jemanden klein zu machen. Aber mit so was macht man ihn groß.“