Ingolstadt
Eine Tragödie mit Vorboten

Mutmaßlichem Doppelmord in Kösching ging wohl langer Streit zwischen Vater und Schwiegersohn voraus

18.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:47 Uhr

Im Einsatz waren am Freitag dutzende Polizeibeamte, Rettungskräfte des Roten Kreuzes und Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams am Tatort (hinten, links).

Ingolstadt (DK) Die tödlichen Schüsse mitten in Kösching erschütterten am Freitagabend die Angehörigen wie auch Nachbarn. Den mutmaßlichen Doppelmord an einem Ehepaar durch den Vater der Frau hatte keiner für möglich gehalten. Doch die Anwohner berichten auch von wiederkehrendem und heftigem Streit.

Der untere Teil des Ludwigsgrabens ist weiträumig abgesperrt. Rot-weißes Flatterband und Uniformierte dominieren bis tief in die Nacht das Bild in der engen Straße mitten in Kösching. Ein weißes Haus ist hell erleuchtet, dort gehen Spezialisten ein und aus und sichern die Spuren der kaum für möglich gehaltenen Tat, die sich am Freitagabend in Kösching zugetragen hat: den Doppelmord an einer 39-Jährigen und ihrem 35-jährigen Mann. Auch den mutmaßlichen Täter kennt man hier in der Straße gut. Es ist der Vater der jungen Frau, ein Rentner, 68 Jahre alt. Er lebte auf demselben Grundstück im Haus nebenan.

Was viele der Anwohner aber auch wissen: Die Polizei ist nicht zum ersten Mal da. Über die Jahre war sie offenbar immer wieder gerufen worden, um Vorfälle in der Familie aufzunehmen oder zum Schlichten. Doch dann passierte das Unglaubliche: Der Vater soll einfach in das Haus der Tochter und des Schwiegersohns gegangen sein und sie niedergeschossen haben.

Das freilich kann die Polizei selbst drei Stunden nach der Alarmierung nicht bestätigen, als Präsidiumssprecher Peter Grießer am Tatort die ersten Auskünfte gibt. Die Ermittlungen sind erst angelaufen. Zu dem Motiv des mutmaßlichen Doppelmörders gibt es noch nichts Konkretes. Er habe sich widerstandslos vor der Haustür festnehmen lassen, sagt Grießer. Die Dunkelheit ist längst hereingebrochen. Der Regen hat eingesetzt. Das Wetter passt zur traurigen Stimmung, die sich über den Straßenzug gelegt hat.

Die Polizei und das Kriseninterventionsteam müssen sich vorher um die Angehörigen kümmern, die zum Tatort geeilt waren und geschockt reagierten. Eine Frau bricht auf der Straße zusammen.

Erschüttert über die Familientragödie zeigen sich auch mehrere Nachbarn am Tatort. „Das so etwas passiert, hätten wir nie und nimmer gedacht“, ist am späten Abend immer wieder zu hören. Allerdings habe es immer wieder Probleme und Streitigkeiten zwischen den Familienangehörigen gegeben – vor allem zwischen dem Schwiegervater und dem Schwiegersohn. „Der Ältere von beiden hat dann immer so geschrien“, sagt ein Anwohner des Ludwigsgrabens. Und eine Frau bestätigt: „Die haben gestritten wie bei Hund und Katz.“ Sie habe vor einigen Wochen sogar selbst gehört, wie der Schwiegervater zum Schwiegersohn gesagt hat: „Ich bring’ dich um!“ Beide Nachbarn beschreiben den mutmaßlichen Täter allerdings als sehr ruhig. „Mit dem hat man auf der Straße immer reden können, und er war sehr hilfsbereit“, meint Markus Plank. Ab und zu sei der Rentner aber regelrecht „ausgeflippt“, wenn er mit seinem Schwiegersohn aneinandergeriet. Vor mehreren Jahren habe der Mann sogar mit einer Axt die Küche des Hauses demoliert.

Plank hat das Familiendrama mitbekommen: „Ich war gerade im Badezimmer, als ich plötzlich kurz hintereinander mindestens fünf Schüsse hörte. Da habe ich einen ganz schönen Schrecken bekommen.“ Nach Aussagen von mehreren Nachbarn sei die Frau des mutmaßlichen Täters schon seit Längerem ausgezogen. „Die ist abgehauen“, so eine Anwohnerin.

Fast gespenstische Ruhe herrscht dann am Abend rund um den Tatort. Einige Köschinger stehen auf der Straße und unterhalten sich leise. „Das ist ein Wahnsinn, was hier passiert ist“: Dieser Satz fällt immer wieder. An eine so schreckliche Tat in der Marktgemeinde kann sich keiner von ihnen erinnern. Ein 69-jähriger Rentner kann nur den Kopf schütteln. „Ich kenne den Täter vom Sehen her. Wir haben uns immer freundlich gegrüßt. Und jetzt macht der so was.“ Nach seiner Meinung ist die Familie vor mehr als 30 Jahren nach Kösching gezogen.