Ingolstadt
Der erste EHEC-Fall am Klinikum

06.06.2011 | Stand 03.12.2020, 2:45 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Es wird ganz nebenbei, am Rande einer Telefonaktion zum Thema EHEC, bekannt: Auch in Ingolstadt hat es einen ersten Fall gegeben. Eine junge Frau hatte sich bei einer Klassenfahrt in Hamburg mit dem Darmkeim infiziert. Gestern wurde sie bereits aus dem Klinikum entlassen.

Die Ingolstädterin hatte Glück: Bei ihr verlief die Krankheit vergleichsweise harmlos. Von der gefährlichen Form, dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), blieb sie verschont. Es ist der bislang einzige Fall von EHEC, der am Klinikum bestätigt wurde.
 

Während Sprossen als mögliche Quelle der Infektion gestern aus den Regalen der Geschäfte verschwanden oder erst gar nicht geliefert wurden, geht es im Klinikum eine Stunde lang um ganz alltägliche Fragen, die die Menschen in diesen EHEC-Tagen beschäftigen. "Was ist mit Obst", will der eine wissen, "kann ich mich in Hamburg in der Straßenbahn anstecken" der andere. Die Antworten darauf haben Professor Josef Menzel, Direktor der Medizinischen Klinik II, Dr. Friedrich Lazarus, Direktor der Medizinischen Klinik III und Privatdozent Dr. Stefan Borgmann, der seit 1. April am Klinikum wirkende Leiter der Krankenhaushygiene. Gut ein Dutzend Bürger haben gestern die Chance auf Antworten aus dem Mund von Experten genutzt.

Das Thema EHEC an sich ist nichts Neues. Deutschlandweit werden jährlich etwa 1000 Fälle gemeldet, betont Borgemann. Heuer allerdings ist die Zahl seit 1. Mai auf 2231 Fälle angestiegen, an der gefährlichen Form HUS sind 630 Menschen erkrankt, 15 sind daran gestorben. Auch am Ingolstädter Klinikum wird das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das zu schweren Nierenschäden führen kann, etwa fünfmal im Jahr diagnostiziert, betont Dr. Lazarus, der das im Ärztehaus untergebrachte Nierenzentrum leitet. Die Ursache dafür ist längst nicht immer EHEC: Auch eine Schwangerschaft, eine Geburt oder ein Infekt können das Syndrom auslösen, ferner gebe es eine genetisch bedingte HUS. Aber eben auch EHEC kann das HUS-Syndrom zur Folge haben. Ohne HUS ist der Darmkeim normalerweise nach fünf bis acht Tagen ausgeheilt. "Er ist lästig, aber nicht lebensbedrohlich", so Borgmann

Bei der Frage nach Obst, gibt der Hygieniker Borgmann Entwarnung. "Es gibt keinen Hinweis darauf, auf Obst wie Birnen und Äpfel zu verzichten", antwortet er auf eine entsprechende Frage am Telefon. Überhaupt hätte sich bisher kein einziger EHEC-Patient in Bayern infiziert. "Ich habe keine Bedenken, meinen Kindern hiesige Erdbeeren zu geben", sagt Borgmann.

Ein Anrufer will wissen, ob eine Gefahr bestehe, sich im Italienurlaub anzustecken. Höher ist da schon das Risiko bei einer Fahrt nach Hamburg, wo es die meisten EHEC-Fälle gibt. Dennoch kann Borgmann einen entsprechenden Anrufer beruhigen: "Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt in dieser schönen Stadt", verabschiedet sich der Experte. Der Anrufer hatte Angst gehabt, er könne sich in der Hansestadt infizieren – etwa in der Straßenbahn. Die Wahrscheinlichkeit, sich in einem öffentlichen Verkehrsmittel mit EHEC anzustecken, sei "sehr sehr gering". Er solle jedoch die Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes beachten und kein Gemüse aus dem norddeutschen Raum essen, lautet der Rat des Fachmannes.

Nach Gurken, Tomaten und Blattsalaten aus Norddeutschland wird auch vor Sprossen gewarnt, die als mögliche Ursache für den Ausbruch der schweren EHEC-Epidemie in Norddeutschland gehandelt wurden. Edeka-Südbayern hat Sprossen laut Pressesprecher Alexander Hippach gestern früh zwar noch an die Märkte ausgeliefert, sie anschließend jedoch aus dem Sortiment genommen. Im Reformhaus von Elisabeth Hauser an der Donaustraße gab es gestern keine Sprossen. Die Händler hätten umgehend reagiert. Hauser verweist auf die ohnehin strengen Kontrollen der Reformhäuser. Auch im Biomarkt Bella Vita in der Münchener Straße gibt es laut Inhaber Benjamin Ultes derzeit keine Sprossen. Obwohl man von dem verdächtigen Betrieb nie welche bezogen habe. Auch alle 61 Märkte der Biomarkt-Kette Alnatura haben laut Pressesprecherin Stefanie Neumann ihre Sprossen von einem anderen Lieferanten. Dennoch waren gestern auch im Alnatura im Donau-City-Center Sprossen aus den Regalen verschwunden. Auch, wenn sich der "heiße Verdacht" bislang nicht bestätigt hat: Die Warnung vor Sprossen blieb – zumindest bis gestern Abend – aufrecht.