Ingolstadt
Flüchtlinge als Vermittler?

Disco-Einlassverbot: Afrika-Kennerin, Amadeus-Wirt und Stadt suchen nach Lösung

07.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:20 Uhr

Für ein kulturübergreifendes Miteinander: Beim Afrika-Fest treffen verschiedenste Menschen aufeinander. Organisatorin Gerda Büttner will jetzt auch in der aktuellen Flüchtlingsdebatte vermitteln. Arch - foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Die Debatte um ein Zutrittsverbot für Flüchtlinge in Diskotheken hat inzwischen bundesweit Aufsehen erregt. Afrika-Fest-Initiatorin Gerda Büttner sieht den Amadeus-Wirt zu Unrecht an den Pranger gestellt, sie arbeitet unterdessen mit der Stadt und dem Wirt an einer Lösung des Dilemmas.

„Es ist nicht das Problem des Amadeus, sondern ein Problem der Stadt und aller Diskotheken in Ingolstadt“, sagt Büttner. Und das soll angegangen werden. Am Mittwoch fand ein Treffen im Sozialamt statt, bei dem diskutiert wurde, wie auf die Situation reagiert werden soll: Weit über 1000 Asylbewerber sind momentan in Ingolstadt untergebracht, ein Großteil davon in den beiden Erstaufnahmeeinrichtungen, deren Bewohner, häufig junge Männer, ständig wechseln. Viele von ihnen zieht es auf der Suche nach Freizeitbeschäftigung in die Bars und Diskotheken – wo sie aber nicht hineindürfen. Nach einigen Zwischenfällen hatte auch das Amadeus – vorübergehend, wie der Betreiber Martin Tomiak betont – die Flüchtlinge nicht mehr hineingelassen. Viele junge Frauen fühlten sich belästigt, die Polizei war deswegen mehrfach angerückt.

Im Hintergrund habe der Wirt aber schon an einer Lösung gearbeitet, erklärt Büttner. Er sei auf sie und Afrika-Fest-Mitorganisator Joseph Prah zugekommen und habe sie um Unterstützung gebeten. Er stelle sich vor, gegen Bezahlung ein paar afrikanische Asylbewerber an den Eingang zu stellen, wo sie gezielt mit anderen Flüchtlingen sprechen könnten, um sie auf die Gepflogenheiten im Umgang miteinander in der Diskothek hinzuweisen. Der Vorschlag stieß auch bei der Stadt auf Gegenliebe, wie sich am Mittwoch zeigte. Das Sozialamt will jetzt den Kontakt zu einigen dezentral untergebrachten Flüchtlingen, die voraussichtlich länger bleiben werden als die in den Lagern, herstellen. Und wenn diese Interesse haben, könnte das Projekt im Amadeus starten. „Andere Diskotheken könnten das natürlich dann ebenfalls so machen“, sagt Büttner.

Ohne Anleitung kann man niemanden einfach an einen Diskothekeneingang stellen, egal, ob Asylbewerber oder nicht. Auch deswegen wollen Gerda Büttner und ihre Mitstreiter Flüchtlinge zu einem Gespräch einladen. In dem Rahmen ließe sich zudem einmal über die brennendsten Themen reden, unter anderem über angemessenes Verhalten in Diskotheken. Am Ende könnte man einen Pool von Flüchtlingen haben, die als regelmäßige Vermittler dienen. Und vielleicht werden dort weitere Ideen geboren.

Bei der monatlichen Taschengeldübergabe sollen Einladungen zu der Veranstaltung in möglichst vielen Sprachen beigelegt werden, sagt Gerda Büttner, die mehrere Jahre in Afrika verbracht hat. Die Stadt bereite gleichzeitig ein Blatt vor, das Verhaltenshinweise für Deutschland enthalten soll.

Der Amadeus-Wirt veröffentlichte indes gestern im Internet eine Stellungnahme. Die „kurzfristige und zeitliche Einlassbeschränkung“ widerspreche „grundsätzlich meinem persönlichen Verständnis und dem meines Teams von offenem Zugang zu meinem Lokal und von friedlichem und multikulturellem Zusammenleben und vor allem Zusammenfeiern“, schreibt der Wirt. Daher sei er schon länger auf der Suche nach einer Lösung gewesen, wie er einerseits seine Gäste schützen und andererseits das Amadeus wieder für wirklich alle öffnen könne. Er betont aber auch: „Es ist die Aufgabe der Politik, Integrationswege und -maßnahmen für Flüchtlinge zu suchen und durch Fachkräfte nachhaltig umzusetzen, so dass derartige Konflikte nicht mehr entstehen und es eine gemeinsame, friedliche und lebendige Feierkultur in den Diskotheken geben kann. Wer sich für die Flüchtlinge einsetzen und deren freien Zugang zu allen Lokalen unterstützen möchte, der soll sein Augenmerk genau auf diesen Punkt lenken.“

Dass inzwischen eine Petition der Linksjugend gestartet wurde und sich unter anderem auch Linke und Grüne in Pressemitteilungen gegen Rassismus in Ingolstädter Diskotheken zu Wort gemeldet haben, kann Gerda Büttner, die frühere SPD-Stadträtin, nicht ganz nachvollziehen, wie sie erklärt: „Keiner hat den Martin einfach mal vorher angerufen und gefragt, was ist da los“ Sie kenne ihn schon seit mehr als 20 Jahren, ein Rassist sei er ganz sicher nicht.