Ingolstadt
Schlüssellos nach Osteuropa

Die anhaltende Serie mit Diebstählen sehr hochwertiger Fahrzeuge auch in der Region beschäftigt die Polizei stark

31.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:01 Uhr

Als bisher letztes Fahrzeug in der anhaltenden Diebstahlserie von Oberklasseautos in der Region verschwand in der vergangenen Woche ein Mercedes-AMG C 63 (hier ein Symbolbild) aus Gaimersheim. Er war wie alle anderen der sieben alleine heuer entwendeten Wagen mit einem schlüssellosen Startsystem ausgestattet. Die organisierten Diebesbanden vermutet die Polizei in Osteuropa. - Foto: Daimler AG

Ingolstadt (DK) Die Serie beginnt hierzulande irgendwann im Jahr 2016. Dann wird sehr schnell daraus, was die Polizei "ein neues Phänomen" nennt, das sie inzwischen im gesamten Freistaat "sehr stark beschäftigt", wie es beim Präsidium Oberbayern-Nord in Ingolstadt heißt. Plötzlich verschwinden topmoderne und sehr hochwertige Autos, die doch eigentlich einen ganz besonders guten Diebstahlschutz haben sollten. Bayernweit gingen 2016 mehr als 100 Anzeigen über gestohlene Oberklassefahrzeuge ein, in der Region Ingolstadt waren es innerhalb eines Jahres 22 Fälle, heuer alleine sieben Autos.

Mitte Januar verschwand ein Audi RS 6 Avant in Schrobenhausen, Anfang April ein S 3 in Stammham, drei Tage später ein Q 5 in Kipfenberg, exakt einen Monat später wurden Anfang Mai in einer einzigen Nacht ein A 6 Avant in Gaimersheim sowie ein RS 6 in Denkendorf entwendet. Es folgten Mitte Mai wiederum ein A 6 Avant in Karlshuld sowie als bisher letzter Fall in der vergangenen Woche erneut in Gaimersheim ein Mercedes-AMG C 63.

Was diese Fälle eint, ist nicht nur der sehr hohe Wert der Autos und dass sie alle mitten in der tiefsten Nacht verschwanden. "Sie waren alle mit einem Keyless-System ausgestattet", berichtet Hans-Peter Kammerer vom Polizeipräsidium in Ingolstadt. Ein Diebstahl "unter Überlistung" des schlüssellosen Startsystems mit dem Abfangen des Funksignals "komme zwar infrage". Aber der Polizei fehlen dafür die unumstößlichen Beweise. Deshalb agiert sie in der öffentlichen Kommentierung vorsichtig: "Wir behaupten nicht, dass das die Ursache ist, aber es wäre ein möglicher Modus Operandi der Diebe", so Kammerer.

Letztlich dürfte es aber auf der Hand liegen, dass es so ist. Auch die hiesige Kriminalpolizei in Ingolstadt hat bei Fällen in ihrem Zuständigkeitsbereich schon deutliche Hinweise darauf. Zum Beispiel beim Kipfenberger Fall im April war der Q 5 laut Kammerer sehr nah am Haus des Besitzers abgestellt. Der Wagenschlüssel dürfte deshalb innen in unmittelbarer Reichweite für eine einfache Überbrückung des Signals durch die Diebe gelegen haben. Die Wagen mit Keyless-Go-System lassen sich per Knopfdruck starten, sobald sie offen sind. Wenn der Motor nicht ausgeht, können sie auch problemlos bewegt werden. Das machen sich die Diebe zunutze. Den in Denkendorf entwendeten Audi RS 6 entdeckten Schleierfahnder nach einem Hinweis aus der Bevölkerung kurz vor der tschechischen Grenze, wo das Fahrzeug mit laufendem Motor auf einem Waldparkplatz stand. Offenbar hatten ihn die Diebe wegen eines Reifenschadens aufgegeben.

Auch der Q 5 aus Kipfenberg fand sich wieder. Er wurde in Tschechien gestoppt und der 59-jährige Fahrer festgenommen. Doch das bringt die Polizei bisher kaum weiter. "Die Personen behaupten in der Regel, lediglich einen Fahrauftrag zu haben", sagte Kammerer. Fahrtziele oder sogar Hintermänner würden nie genannt. Die Kuriere stammen meistens aus Polen (wie im Q 5-Fall) oder auch aus Litauen. "Das Ziel ist es, die Autos sehr schnell nach Osteuropa zu bringen", erklärt der Polizeisprecher die Taktik der organisierten Kriminellen.

Für die Polizei gilt es dementsprechend, "ebenso schnell den Fahndungsdruck aufzubauen", sobald der Diebstahl bekannt wird, so Kammerer. Heißt: Die Dienststellen müssen alles zügig weitermelden, damit man Autobahnfahnder oder Helikopter einsetzen kann. So war es heuer Mitte Februar zum Beispiel nach einem Diebstahl in Karlsfeld bei München gelungen, den Wagen noch auf der B 301 zu stoppen.

Vielfach hat die Polizei schon veröffentlicht, als Wagenbesitzer extrem darauf zu achten, "dass die Funkverbindung sicher unterbrochen ist", wiederholt Kammerer. Nahezu alle Premiumhersteller sind von dem Phänomen betroffen. In der Region waren wegen der Nähe zum Stammsitz natürlich vor allem Audis im Visier der Täter. Der Autobauer teilt dazu auf DK-Anfrage mit: "Audi nimmt das Thema Fahrzeugdiebstahl sehr ernst." Man stehe mit den Behörden in Kontakt. Zu "technischen Details der Diebstahlschutzmaßnahmen" wolle man sich aber nicht öffentlich äußern. Verständlich: Der Feind aus der organisierten Kriminalität liest vielleicht mit.