Ingolstadt
Wer zahlt die Glacisbrücke?

Weil die Regierung insgesamt sieben Millionen Euro zurückfordert, geht die Stadt jetzt vor Gericht

29.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:24 Uhr

Riesenansturm: Als die Glacisbrücke im August 1998 endlich fertig war, strömten die Ingolstädter in Massen auf das neue Bauwerk. Schließlich hatten die Bürger viele Jahre darauf gewartet, dass die Stadt eine dritte Donaubrücke baut. - Foto: Stadt Ingolstadt

Ingolstadt (DK) Wenn die Rechnungsprüfer tätig werden, setzt in mancher Verwaltung das große Zittern ein. Was ist schief gelaufen? Wer war schuld? Die Stadt Ingolstadt soll jetzt fast sieben Millionen Euro an die Regierung zurückzahlen, weil sie angeblich Zuschüsse für die Glacisbrücke zu Unrecht kassiert hat.

Eine Rückforderung in diesem Ausmaß hat es noch nicht gegeben, sagt Rechtsreferent Helmut Chase, zumindest nicht in seiner Amtszeit, die nun schon über viele Jahre geht. Der Jurist ist überzeugt, dass ein Großteil der Ansprüche nicht berechtigt ist. Folglich hat die Stadt am 16. Juli Klage gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern beim Verwaltungsgericht eingereicht.

In dieser Streitsache ist die Glacisbrücke sozusagen das Corpus Delicti. Das Bauwerk wurde 1998 dem Verkehr übergeben. In einer Auflistung aus dem gleichen Jahr bezifferte der damalige Tiefbaureferent Franz Pögl die Gesamtkosten auf rund 52 Millionen D-Mark. Auf die Brücke selbst entfiel nur etwa ein Drittel. Hinzu kamen Planungskosten, Auffahrtrampen, die „Grünbrücke“ im Luitpoldpark, Landschaftsbau und Kosten für den Grunderwerb. Bis 2005 folgten dann der Umbau der Westlichen Ringstraße und die Lärmschutzmauer. Und damit wird die Sache richtig kompliziert, denn bei diesem Folgeprojekt hat das Rechnungsprüfungsamt Regensburg (im Auftrag des Bayerischen Obersten Rechnungshofes) einen Ansatz zur Kritik gefunden.

„Erst das Rechnungsprüfungsamt“, sagt Chase, „ist auf die Idee gekommen: Moment, das ist ja eine Gesamtmaßnahme, die hätten wir europaweit ausschreiben müssen.“ Was nicht geschehen ist. Die Stadt wertet dagegen beides als eigenständige Bauprojekte, „wohl auch die Regierung, sonst hätte sie uns den Zuschuss nicht gewährt“, bemerkt der Rechtsreferent. Da die Rechnungsprüfer darin einen „schweren Vergabeverstoß“ sehen, leiten sie daraus eine Rückforderung von 2,2 Millionen Euro ab.

Ein weiterer Kritikpunkt (800 000 Euro Forderung) ist der Grunderwerb: Die Stadt, so lautet der Vorwurf, habe damals zu viel für die Grundstücke bezahlt. „Das weisen wir zurück“, reagiert darauf der Stadtjurist. Die Kaufpreise basierten auf den Angaben vereidigter Sachverständiger. „Das ist absolut widersinnig, was das Rechnungsprüfungsamt hier sagt.“ So sei beispielsweise bemängelt worden, dass die Stadt bei der Einfahrt zum Ruderclub nicht nur die reine Straßentrasse, sondern das ganze Grundstück erworben habe. Chase: „Das ist völlig realitätsfremd.“ Eine weitere Rückforderung wird von den Prüfern mit Zusatzkosten wegen technischer Änderungen beim Brückenbau begründet.

Alles in allem summieren sich die Forderungen der Regierung auf knapp 3,9 Millionen, von denen die Stadt nur 240 000 Euro als berechtigt anerkennt. Das dicke Ende kommt aber noch, weil zusätzlich ein Millionenbetrag durch sechs Prozent Zinsen aufgelaufen ist. Chase beziffert ihn auf ungefähr drei Millionen Euro für die 14 Jahre zwischen Auszahlung der staatlichen Zuschüsse und Rechnungsprüfung 2011.

Nach Angaben des Rechtsreferenten hatte Ingolstadt für die Glacisbrücke und die Westliche Ringstraße einen hohen staatlichen Förderanteil von insgesamt 17,8 Millionen Euro bekommen (aus dem Finanzausgleichs- und Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz). Das waren fast 80 Prozent der „zuwendungsfähigen Kosten“.

Die Regierung von Oberbayern äußerte sich nur sehr allgemein zu dem Streitfall. Die Pressestelle bestätigte auf Anfrage des DONAUKURIER, dass die Klagebegründung der Stadt Ingolstadt eingegangen sei. Sie wollte aber „keine Details zur Rückforderung aus unserem Bescheid“ nennen. Nur so viel: „In Ingolstadt geht es insbesondere um drei Themenkomplexe: Mängel bei der Ausschreibung, Grunderwerbskosten, Nachtragskosten.“