Ingolstadt
Wenn die Zinsen stiften gehen

Geldanlagen bringen nichts am Kapitalmarkt, deshalb setzt der städtische Stiftungsreferent auf Immobilien

20.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:18 Uhr

Hilfe bei den Hausaufgaben: Die stationäre Bubengruppe "Blitz und Donner" wird hier intensiv betreut. Das Peter-Steuart-Haus, in dem das Foto entstand, ist eine Einrichtung der Waisenhausstiftung, die von der Stadt verwaltet wird und fast 400 Jahre alt ist. - Fotos: Eberl, Rössle

Ingolstadt (DK) Was den Häuslebauer zur Investition anspornt, kann wohltätige Stiftungen in arge Bedrängnis bringen oder deren Existenz gefährden: die Minizinsen. Trotz der prekären Lage am Kapitalmarkt ist der verantwortliche Stadtjurist Helmut Chase sicher: "Unsere Stiftungen werden nicht sterben."

Chase (kleines Foto) ist von Berufs wegen als Referent nicht nur für Sicherheit und Ordnung zuständig, sondern auch für die Verwaltung der städtischen Stiftungen. Grundprinzip: Das Kapital einer Stiftung muss unangetastet bleiben, mit den Zinserträgen wird die Ausschüttung finanziert - je nach Stiftungszweck. Nur: Was passiert, wenn die Geldanlagen keine Zinsen mehr abwerfen und der reale Wert des Kapitalstocks wegen der Inflationsrate sogar geringer wird?

"Selbst bei langfristigen Anlagen kriegen Sie kein Prozent mehr", weiß Chase aus Erfahrung. Der Jurist ist auch Vertreter des Bayerischen Städtetages im Landesausschuss für das Stiftungswesen. Der Grundsatz, den Wert des Kapitals zu erhalten und zudem Rücklagen als Inflationsausgleich zu bilden, sei derzeit gar nicht mehr einzuhalten.

Bei der Ingolstädter Bürgerstiftung hat man einen Ausweg gefunden: Immobilien. Diese Stiftung wurde 2004 auf Initiative des damaligen OB Alfred Lehmann gegründet, der bei zahlungskräftigen Ingolstädtern 1,65 Millionen Euro sammelte. Chase verwaltet ehrenamtlich die private Stiftung, die "seit Bestehen keinen einzigen Euro Verwaltungskosten benötigt hat". Auch der Wirtschaftsprüfer arbeitet kostenlos.

"Der Zweck ist sehr breit angelegt", erklärt der Referent, die Ausschüttung geht jedes Jahr an verschiedene Organisationen, die vom Stiftungsrat abgesegnet werden. Bei der Höhe der Ausschüttung zeigt sich das ganze Dilemma. Laut Chase waren es am Anfang noch bis zu 80 000 Euro pro Jahr, derzeit ist es nur noch die Hälfte.

Um die Substanz zu sichern und ihren Auftrag weiterhin erfüllen zu können, hat die Stiftung 2013 eine Immobilie gekauft, ein Haus der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft. Ein weiteres Gebäude soll im Frühjahr erworben werden. "Damit können wir eine Rendite von gut drei Prozent erwirtschaften", sagt der Referent. Möglich sei das durch die Wertsteigerung in Ingolstadt. "Bei einer Immobilie in Hof würde man Wert verlieren."

Diese Form der Kapitalanlage soll auch die städtischen Stiftungen stabilisieren, die zuletzt schwer zu kämpfen hatten, besonders die älteste und traditionsreichste unter ihnen, die Stiftung Heilig-Geist-Spital. Sie geht auf eine Schenkung Ludwig des Bayern im Jahr 1319 zurück. Ihr gehören unter anderem der Verwaltungsbau des Technischen Rathauses und die Spitalkirche. "Ich hoffe", verweist Chase auf die Empfehlung eines Wirtschaftsprüfers, "dass wir im Frühjahr aus der schwierigen finanziellen Situation herauskommen." Ebenfalls eine lange Geschichte hat die Waisenhausstiftung, die 1617 vom damaligen Moritzpfarrer Peter Steuart mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, arme Waisenkinder zu versorgen und zu erziehen. Die Stiftung betreibt das Peter-Steuart-Haus in der Herschelstraße. "Immobilien", glaubt der Referent, "scheinen momentan die beste Lösung zu sein." Chase denkt dabei an gemeinsames Immobilienvermögen der Stiftungen, dessen Erträge dann aufgeteilt werden können. Auch die kirchlichen Stiftungen hätten ihre materielle Basis meist in Gebäuden und Grundstücken. "Die haben den Rückhalt der Diözese Eichstätt."

Keine wohltätigen, sondern kulturelle Ziele verfolgt die Stiftung für Konkrete Kunst und Design. Sie wird ebenso vom städtischen Kulturreferat verwaltet wie die Stiftung Dr. Reissmüller, die im Jahr 1983 vom damaligen DK-Verleger mit 70 000 D-Mark ausgestattet und später von seiner Familie mit weiteren Zustiftungen bedacht wurde. Ziel Wilhelm Reissmüllers war es, mit Stipendien Studenten der Münchner Akademie der Bildenden Künste und der Accademia di Belle Arti in der Partnerstadt Carrara zu fördern.

Was bisher bei Stiftungen als absolutes Tabu galt - das Kapital nach und nach zu verbrauchen -, wird wohl in Zukunft nicht mehr so streng gehandhabt. "Das haben wir im Landesausschuss auch diskutiert", berichtet Chase. Wenn Stifter und Aufsichtsgremien zustimmen, werde das künftig möglich sein. "Das ist aber nur eine Lösung für den Einzelfall."