Ingolstadt
Viel Folklore und ein bisserl Sorge

Frühlingsfest der Russlanddeutschen mit Solidaritätsadresse an die Ukraine

09.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:58 Uhr

Lebensfreude und Zuversicht sprechen aus vielen Liedern, die Dirigentin Ida Haag mit dem »Chor der singenden Herzen« einstudiert hat. Als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine hatte sie zum Frühlingsfest der Russlanddeutschen auch den Chor der ukrainisch-orthodoxen Gemeinde Ingolstadt eingeladen - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Etliche von ihnen haben einst noch in der UdSSR gelebt – deshalb gehen ihnen Vorgänge rund um die heutige Russische Föderation noch immer nahe. Das Frühlingsfest der Russlanddeutschen am Samstag in Zuchering hatte denn auch eine kleine Solidaritätsadresse an die Ukraine parat.

„Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir an die Ukraine denken“, erklärte Organisatorin Ida Haag, als sie mit den rund 100 Besuchern den Chor der ukrainisch-orthodoxen Gemeinde Ingolstadt begrüßte. Die sechs Damen sangen in ihrer Muttersprache, die dem Russischen so ähnlich ist wie vielleicht das Niederländische dem Deutschen. Vielleicht hat es der eine oder andere im Saal des Zucheringer Sportheims sogar verstanden. Denn mancher, der sich in Ingolstadt der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland angeschlossen hat, ist als Kind oder sogar junger Erwachsener noch mit den Gegebenheiten im Vielvölkerstaat Sowjetunion gut vertraut gewesen.

Auch die 76-jährige Helene, die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, verfolgt die aktuellen Vorgänge um die Ukraine und speziell die Krim mit Interesse und gewisser Sorge. Kurioserweise ist sie schon in ihrer Familie in Westsibirien mit bayerischem Dialekt vertraut geworden. Deshalb spricht sie so, als wenn sie immer nur in Altbayern gelebt hätte. Doch Partei will sie nicht ergreifen in diesem für Außenstehende so konfusen Konflikt: „Es gibt überall gute und schlechte Menschen“, ist ihre diplomatische Sichtweise.

Ein älterer Akademiker, der vor zehn Jahren aus Russland ausgesiedelt ist und ebenfalls seine Vorbehalte gegen eine Namensnennung hat, glaubt die russische Mentalität bestens zu kennen: „Die sehen sich als Nation von Weltgeltung, auch wegen ihres großen kulturellen Erbes“, verdeutlicht der Mann, der schon in Moskau gearbeitet hat. Entsprechend selbstbewusst trete man auf – gerade auch, wenn es, wie augenblicklich, um Konflikte im einstigen Machtbereich geht. Die neue Führung in Kiew habe zu schnell zu viel auf einmal gewollt, verdeutlicht der Kommentator und nennt den Versuch, Russisch als Amtssprache auszublenden, sehr ungeschickt. Seine Frau komme von der Krim und sei Russin, fährt der Mann fort. In ihrer Familie spreche man nicht Ukrainisch. „Wenn ich dort weiter Russisch rede, werde ich dann angespuckt“, habe sie ihn neulich gefragt.

Mit dem ukrainischen Chor ist Anton Polanycia, Kirchenältester der orthodoxen Gemeinde, nach Zuchering gekommen. Er ist pessimistisch, was die Lage auf der Krim und in der Ostukraine angeht: Es gebe „zu viel Propaganda“, sagt er. Obwohl er von Geburt an in Bayern lebt, ist er schon oft in der Heimat seiner Eltern gewesen. „Es ist so ein schönes, großes, reiches Land“, sagt er. Und es gebe dort „so viele herzensgute Menschen“. Jetzt aber machten sich alle Sorgen, dass das nicht gut ausgehe.

Derweil geht im Saal das Fest weiter – mit Gesang des „Chors der singenden Herzen“ und mit einem Bühnenstück des russlanddeutschen Theaters Niederstetten, später auch mit Tanz. Es ist ein gemütlicher Nachmittag mit viel Folklore. Und mit der Ahnung, dass die Welt da draußen oft doch nicht ganz so schön ist, wie sie in Volksliedern besungen wird.