Ingolstadt
Im Dickicht der Städte

Studierende aus München und Kassel forschten in Ingolstadt nach Wegen zu neuen Naturräumen

18.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:06 Uhr

Ingolstadt aus der Sicht von Landschaftsarchitekten und Ökologen: Thomas Hauck (l.) und die Studierenden präsentierten gestern ihre Resultate. Ludwig Hausers Atelier diente ihnen als Hauptquartier. Den Kontakt hatte Thomas Schneider vom Umweltamt vermittelt. - Fotos: Eberl

Ingolstadt (DK) Gut 30 Studierende der Landschaftsarchitektur sowie der Ökologie aus München und Kassel haben die Naturräume in und um Ingolstadt erkundet. Sie erarbeiten Ansätze, um dort neue Lebensräume für Tiere zu schaffen und zugleich das Donauufer für die Bürger attraktiver zu gestalten.

Der Forscherdrang zog sie hinan. Drei Tage lang radelten die Studierenden und ihre Dozenten die Donau bei Ingolstadt auf und ab, erkundeten die Ufer, den Donau-Auwald, den Stausee, das Glacis und weitere urbane Naturräume, wie man im Fachjargon der Landschaftsarchitektur sagt. Ein Teil der gut 30 jungen Leute studiert dieses Fach an der Universität Kassel, die anderen studieren Ökologie an der Technischen Universität (TU) München. Gemeinsam erarbeiten sie am Beispiel Ingolstadt interdisziplinäre Ansätze, um im Zeichen der beschleunigten Verdichtung der Städte wertvolle Nischen für Tiere zu schaffen. Es ist das Ziel, angestammte Arten zu schützen und neue anzusiedeln. Die Wissenschaft bezeichnet diese Strategie als "Animal-Aided Design".

Im Atelier des Künstlers Ludwig Hauser an der Peisserstraße, also nah an der Donau, hatten die Uni-Teams ihr Hauptquartier. Von dort brachen sie zu ihren Erkundungstouren auf, ganz Forschung und Lehre verpflichtet, also fern der Politik - und landeten doch pfeilgrad auf dem brisantesten Minenfeld der Ingolstädter Stadtentwicklung: dem Gießereigelände samt dem entstehenden Kongresshotel.

Thomas Hauck, promovierter Landschaftsarchitekt an der Uni Kassel, steht im Atelier des Bildhauers vor einem gut drei Tischtennisplatten großen Plan von Ingolstadt. Entlang der Donau stecken Fähnchen, Grünflächen sind aufgeklebt, markante Bauten mit Schaumstoff nachgebildet. Hauck zeigt auf das Gießereigelände. "Ich kenne die Pläne nicht näher, aber wendet sich das Ensemble noch der Donau zu" Eher nicht, antwortet der städtische Umweltreferent Rupert Ebner, der bei der Präsentation zu Gast ist. Hauck setzt freundlich nach: "Versteht man die Donau nicht als etwas, na ja, . . . Offenes" Auf dem Gießereigelände jetzt nicht so direkt, deutet Ebner an. Wie gesagt: ein heikles Terrain. Die breite Zone vor dem Hotel "soll der Präsentation des lokalen autonomen Fahrens dienen", erklärt er. Der Gast steige aus, und sein Auto parke dann ganz allein in der Tiefgarage ein.

An der Stelle schauen die angehenden Ökologen und Landschaftsarchitekten eher mäßig beeindruckt drein. Ebners Ausführungen über Wildbienen ("Bitte die Hornissen nicht diskreditieren!"), Gänse und Stausee-Küken in Not kommen da weitaus besser an. Die Studierenden haben in Ingolstadt einige reizvolle Naturräume entdeckt: die Lindenallee und die "schöne Wiesenstruktur " nahe der Glacisbrücke etwa, oder das Glacis, das sie großartig finden.

Die jungen Leute forschen auch nach Möglichkeiten, den Reiz des Ufers für die Bürger zu erhöhen. Sie sind dabei auf einige Defizite gestoßen. So sei die Donau vom Nordosten aus teils schwer zu erreichen; hier könne man attraktive Zugänge zum Wasser schaffen. Oder die Radwegführung zwischen Donau und Stadttheater: "Da weiß man nicht so recht, wo es hingeht", berichtet eine Studentin.

Ebner erzählt vom "schwierigen Verhältnis der Ingolstädter zur Donau - eine never ending story". Viele Einheimische würden den Fluss bis heute eher als Barriere wahrnehmen. Diese Haltung manifestiere sich deutlich in der Architektur des Stadttheaters: "Es wendet seinen Hintern der Donau zu!"

Hauck erkennt auch in Ingolstadt "typische Bausünden der 1960er-Jahre", Stichwort: "die autogerechte Stadt". Doch es helfe nichts, "sich daran abzuarbeiten". Die Strategie des Animal-Aided Designs sehe vor, kleine, aber effektive Maßnahmen zu ergreifen, um neue Naturräume zu schaffen. "Und dabei stoßen wir immer wieder auf große Themen."

Das Ziel des Forschungsprojekts lässt sich so zusammenfassen: Landschaftsarchitekten und Städteplaner möchten bitte früh an alle Tiere denken, die ihre Wege und Werke kreuzen könnten. "Tiere in der Stadt sind nie geplant.", erklärt Prof. Wolfgang Weisser, Inhaber des Lehrstuhls für Terrestrische Ökologie an der TU München. "Die Nutztiere hat man aus den Städten herausgeholt. Tauchen beim Bauen plötzlich Tiere auf, sind wegen der Umweltauflagen alle unglücklich. Man arbeitet ja fast nur über Verbote - Tiere stören da." Deshalb sollten Landschaftsarchitekten und Ökologen Hand in Hand "in die Planungen reingehen und sich rechtzeitig überlegen: Welche Tiere muss man integrieren" Und wie? Man müsse wertvolle Nischen für Vögel, Reptilien und Säugetiere schaffen: Refugien für Igel, Falter oder Fledermäuse, Nistkästen, Wasserbäder für Vögel - derlei stärke die Entfaltung der Tiere in urbanen Naturräumen wesentlich. Und biete obendrein noch Potenzial für mehr Ästhetik. Weisser: "So ein Wasserbad kann Gestalter inspirieren, denn den Vögeln ist es ja egal, wie es ausschaut."

Damit sind die Wissenschaftler ganz beim Menschen angelangt: Er soll sich wohlfühlen im Dickicht der Städte. Eine intakte, erlebbare Natur fördert die Behaglichkeit und den Freizeitwert. Auch für dieses Ziel waren die Studierenden aus München und Kassel tagelang auf ihren Rädern unterwegs.