Ingolstadt
"Ein echtes Armutszeugnis"

Raserei in der Innenstadt: Ingolstädter wirft Polizei Lethargie bei der Lösung des Problems vor

12.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:18 Uhr

Autorennen mitten in der Stadt: Einige Autofahrer verwechseln die Straßen Ingolstadts mit einer Rennstrecke. Die verantwortungslose Raserei in der Innenstadt ist schon länger ein Streitthema. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Ein Bewohner der Innenstadt klagt über die Raserei in der Innenstadt - er ist nicht der erste. Seit Jahren beschweren sich Bürger über röhrende Motoren und quietschende Reifen am Tag und in der Nacht. Der Mann kritisiert vor allem die Polizei für deren Vorgehen bei der Lösung des Problems. Doch die Beamten stufen die Raserei dort als gar nicht so gravierend ein.

Eigentlich sollten die ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres ein Grund zur Freude sein. Doch das ist nicht bei allen Ingolstädtern so. Denn mit dem Frühling beginnt auch wieder die Raserei in der Innenstadt. Ein Schanzer, der nicht namentlich genannt werden möchte, hat sich mit einer E-Mail an unsere Redaktion gewandt. Er wohnt in der Innenstadt. Die Raserei macht ihn wütend.

Noch mehr ärgert ihn, dass seiner Meinung nach weder Polizei noch die Stadt, wo er nach eigenen Angaben jeweils schon mehrfach vorgesprochen hat, genug zur Lösung des Problems beitragen. Der Mann sagt: "Vielleicht muss wirklich erst etwas Schlimmes passieren, damit alle aufwachen."

Der Ingolstädter wohnt in der Roseneckstraße. Er hat eine neue "Rennstrecke" ausgemacht: Vom Kreuztor bis zur Kanalstraße, dann über die Schleifmühle, Schäffbräu- und Sauerstraße zum Rathausplatz. Die Runde wird über den Brückenkopf und über den Ring am Kreuztor neu gestartet. 80 Prozent der Fahrzeuge, die er beobachten konnte, seien aus dem Ingolstädter Umkreis, zum Beispiel Neuburg oder Pfaffenhofen. Mittlerweile sollen auch viele Motorradfahrer auf den Geschmack gekommen sein.

"An manchen Tagen denke ich mir wirklich: Wahnsinn, wie schnell die fahren. Ich bin kein Spießer, aber es muss doch möglich sein, verantwortungsvoll miteinander umzugehen", sagt er. Und da gehöre Rücksichtnahme einfach dazu. Und mehr Einverständnis der Behörden. "Im Ernstfall geht es um die Sicherheit der Bürger." Dass die Behörden nichts gegen die Raserei unternehmen, sei für Ingolstadt "ein echtes Armutszeugnis".

Alfred Grob, der Vorsitzende des Bezirksausschusses Mitte, versteht den Vorwurf nicht: "Die Raserei ist eine Sache, die uns schon seit Jahren beschäftigt", sagt er. "Wir nehmen die Beschwerden der Bürger sehr, sehr ernst", sagt er. Aber als Bezirksausschuss habe man auch nur begrenzte Möglichkeiten. Ein Mittel: Prävention. Zum Beispiel durch Anzeigetafeln mit elektronischen Messgeräten. "Manchmal erinnert ein trauriger Smiley den Autofahrer daran, dass er zu schnell dran ist." Ein Allheilmittel seien solche Messgeräte, von denen der BZA Mitte im Jahr 2015 zwölf Exemplare aufgestellt hat, nicht. Die Polizei habe in diesem Zusammenhang deutlich größere Möglichkeiten. Zum Beispiel durch Radargeräte und Lichtschranken.

Hohes Tempo und das Aufheulenlassen der Motoren: Für manche Bewohner der Innenstadt ein großes Ärgernis. Für die Polizei scheinbar kein akutes Problem. Beschwerden aus der Altstadt seien zwar bekannt. Jedoch: Dort werde, "bedingt durch die engen Fahrbahnen und den Pflasterbelag, die Geschwindigkeiten oft überschätzt", sagt Verkehrsexperte Franz Bäumler von der Polizei Ingolstadt. Bäumler weiter: "Die besorgniserregenden Ergebnisse bei unseren Messungen erzielen wir auf den großen Einfallstraßen, beziehungsweise den Ringstraßen während der Nachtzeit." Dort wird nach Polizeiangaben in der Regel einmal im Monat an den Wochenenden gemessen. Ein Problem: Messstellen würden sich schnell herumsprechen.

Raser und Rundendreher kennt der besorgte Anwohner auch noch aus seiner alten Heimat, Neumarkt in der Oberpfalz. "Nach Runde zwei wurde einfach ein Bußgeld erhoben, und dann hat sich das Ganze ziemlich schnell erledigt", sagt er. Bußgelder und Fahrverbote bei entsprechenden Geschwindigkeitsverstößen gebe es auch in Ingolstadt, wie die hiesige Polizei betont. "21 Stundenkilometer innerorts zu schnell bedeuten 80 Euro und einen Punkt", so Bäumler.

Bremshügel, um die Raser zu stoppen, sind nach Meinung der Polizei nicht die beste Alternative. "Diese müssten in kurzen Abständen wiederholt werden, um eine gewisse Wirksamkeit zu erreichen. Das Überfahren ist dann in aller Regel so laut, dass es für die Anwohner meist schlimmer ist als ohne diese Einbauten", so Bäumler.

Die Zuversicht, dass Stadt und Polizei die Raserei in der Innenstadt in den Griff bekommen, ist beim besorgten Ingolstädter gewichen. Er resigniert allmählich: "Ich wohne seit drei Jahren in der Innenstadt, und die Raserei dort wird von Jahr zu Jahr schlimmer." Auf ein Einsehen der überschnellen Autofahrer hofft er ohnehin schon lange nicht mehr. "Die sind im Hooligan-Modus unterwegs."