Ingolstadt
Tanz und Tequila auf dem Friedhof

Viele Südamerikaner sind zurzeit in der Stadt – einige von ihnen erzählen von ihren Allerheiligenbräuchen

30.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Totenköpfe aus Zuckerguss, Skelette zum Aufhängen, Tanz und Tequila auf dem Friedhof: Gerade Feiertage werden in unterschiedlichen Teilen der Welt ganz anders zelebriert, so auch Allerheiligen. Wegen des neuen Audi-Werks in Mexiko sind zurzeit viele Lateinamerikaner in Ingolstadt.

Dem DONAUKURIER haben einige der Gäste von Allerheiligen in ihrer Heimat erzählt.

Der größte Unterschied zu einem 1. November in Deutschland ist wohl: Allerheiligen in Mexiko oder auch Venezuela ist nicht traurig. Dort ist es alles andere als ein stiller Feiertag, ganz im Gegenteil: „Wir tanzen, singen und essen auf dem Friedhof“, erzählt Aline Estevez. Sie kommt aus dem Norden Mexikos. Seit acht Monaten ist sie in Ingolstadt, ihr Mann arbeitet bei Audi. Bis sie beide nach Mexiko zurückkehren, lernt sie in Ingolstadt Deutsch. Der Tod gehöre in Mexiko viel mehr zum Leben, und Skelette in Alltagssituationen seien in den Schaufenstern der Geschäfte – gerade um Allerheiligen herum – keine Seltenheit, erklärt sie.

Der Glaube, dass die Toten einmal im Jahr für ein Fest aus dem Jenseits kommen, geht auf die Azteken zurück. „Es gab einen großen Konflikt zwischen der aztekischen und der katholischen Religion, als die Missionare kamen“, erzählt Isaul López. Der Mexikaner lernt seit Juni bei Audi, um dann in einem Jahr als Gruppenleiter ins neue Werk in Mexiko zu gehen. „Heute ist es eine Mischung aus beiden Religionen.“ Der Glaube ist folgendermaßen: „Gott gibt den Seelen der Toten einmal im Jahr die Möglichkeit, zu kommen und die Lebenden zu besuchen“, erklärt Isaul López. Deshalb sei es auch kein trauriger Tag in Mexiko, sondern vielmehr ein Grund zum Feiern. Ebenso ist es auch in Venezuela, wie Studentin Brenda Hoyos erzählt: „Man erinnert sich an die Toten, putzt und schmückt die Gräber, isst auf dem Friedhof – aber anders als in Mexiko gibt es keine Party.“

Allerheiligen in Mexiko dauert zwei Tage und zwei Nächte. In der ersten Nacht, vom 31. Oktober auf den 1. November, erwarten die Lebenden die Heimkehr der verstorbenen Kinder, der „angelitos“ – Engelchen. In der zweiten Nacht des Fests kommen dann die Seelen der verstorbenen Erwachsenen.

„Zu essen gibt es pan de muerto – Totenbrot –, das ist süß und obendrauf sind Knochen aus Zuckerguss“, erzählt Vanesa Villareal aus dem Süden Mexikos. Ihr Mann arbeitet ebenfalls bei Audi. Vanesa ist ein großer Allerheiligenfan. „Die mexikanischen Kinder lieben den día de los muertos ganz besonders, denn es gibt Totenschädel aus Zucker oder Schokolade.“ Außerdem wird getanzt und gesungen – und es werden zu Hause und in der Schule Altäre gebaut.

„Sie sind mit buntem Papier verkleidet, und man hat Bilder der Verstorbenen und Kerzen darauf“, erzählt Francisco Rojas über die Altäre. Auch er kommt aus dem Süden Mexikos. Seine Frau ist Deutsche – er ist nach Ingolstadt gekommen, um zu bleiben. Auf die Altäre kommen außerdem Blumen, die Lieblingsspeisen der Verstorbenen, Getränke, bunte Totenköpfe. Bunt ist insgesamt ein gutes Stichwort.

Wer in Ingolstadt an Allerheiligen an das Grab seiner lieben Verstorbenen geht, bringt für gewöhnlich ein Blumengesteck mit. Kerzen brennen in roten Plastikfassungen. Blumen und Kerzen gibt es in Mexiko auch an Allerheiligen – allerdings in ganz anderen Dimensionen. Der ganze Friedhof wird damit geschmückt – vorzugsweise in Gelb und Orange, denn diese Farben sehen die Toten im Volksglauben besonders gut. Auch an die Eingänge der Häuser hängen die Mexikaner Lampions, damit die Toten den Weg nach Hause bei Nacht leichter finden.