Ingolstadt
Nichts als Absagen

Menschen mit Behinderung finden oft schwer Arbeit Ein Herzfehler zwang Hannes Wittmann früh dazu, sich durchs Leben zu kämpfen

02.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr

Nur Absagen: Hannes Wittmann (20) ist zu 60 Prozent schwerbehindert und sucht bisher vergeblich nach einer Arbeitsstelle. - Foto: Richter

Ingolstadt (DK) Das Leben mag ihm manchmal vorkommen wie ein Hürdenlauf. Kaum ist ein Hindernis überwunden, wartet bereits das nächste. Aber Hannes Wittmann hat sie bisher alle gemeistert. Der junge Mann aus Ingolstadt, gerade mal 20 Jahre alt, ist eben keiner, der so leicht aufgibt. Auch jetzt nicht, wo es für den zu 60 Prozent Schwerbehinderten gilt, eine Beschäftigung zu finden. Im Dutzend hat er seine Bewerbungen abgeschickt, bisher erfolglos. "Da kriegst du nichts als Absagen", sagt Wittmann und fragt sich, ob es mit seinem persönlichen Status zusammenhängt. Aber deshalb aufstecken? Bestimmt nicht!

Schon bei seiner Geburt hatte Hannes nicht die besten Karten. Die Ärzte stellten einen schweren Herzfehler fest. "Der Bub wird nicht lange überleben", prophezeiten die Mediziner den Eltern. Eine Schreckensbotschaft - "die Familie war in einer Ausnahmesituation", hielt seine Mutter Vera Wittmann in ihren Erinnerungen an jene Zeit fest. Doch der neugeborene Sohn dachte nicht daran zu sterben. Er krallte sich ans Leben, erst recht, als drei Monate später Komplikationen hinzukamen und ein Lungenhochdruck drohte. Ein Eingriff wendete das Schlimmste ab. Langsam stabilisierte sich sein Zustand. Das Kind entwickelte sich in der Folgezeit recht gut. Eine Herzoperation sollte folgen, sobald er älter war, um ihm ein einigermaßen normales Leben zu ermöglichen.

Doch wieder meinte das Schicksal es anders. Hannes ist dreieinhalb Jahre alt, als den Eltern motorische Probleme bei ihm auffallen. Die Diagnose fällt schrecklich aus: ein bösartiger Tumor im Kleinhirn! Würde sein krankes Herz die Belastung der notwendigen OP aushalten? Hannes kämpft sich durch, übersteht auch diesen Eingriff sowie die anschließende Chemotherapie. Die Freude der Familie ist nur von kurzer Dauer. Ein gutes Jahr später erhält sie die nächste Hiobsbotschaft: Dort, wo die Ärzte den Tumor entfernt hatten, waren gleich drei neue entstanden. Das aggressive Gewebe lässt sich diesmal nicht komplett entfernen, eine halbseitige Gesichtslähmung mit Beeinträchtigung des Sehnervs ist eine der Folgen. Hannes Wittmann meistert auch diese Prüfung des Lebens. Ebenso wie die wochenlangen Bestrahlungen sowie eine weitere Chemo. Als er in den Kindergarten kommt, ist er bereits fünf.

Es folgt so etwas wie Normalität, bis der Ingolstädter als Schüler der 2. Klasse erneut unters Messer muss, um die lange verschobene Herz-OP vornehmen zu lassen. Wieder Komplikationen, wieder wochenlanges Bangen, wieder gibt es einen Sieger: Hannes! Seither geht er konsequent seinen Weg, hat die Schule mit der Mittleren Reife beendet und eine Ausbildung zum Bürokaufmann gemacht. Keine Selbstverständlichkeit, denn er war nie so belastbar wie andere. Das ist bis heute so geblieben. "Alles geht wegen meiner Herzerkrankung ein bisschen langsamer", sagt der junge Mann. "Dafür arbeite ich aber zuverlässig und lasse mich durch Stress nicht so schnell aus der Ruhe bringen."

Diese Qualitäten würde der Gerolfinger gerne seinem künftigen Arbeitgeber unter Beweis stellen, doch bisher gab ihm keiner eine Chance, trotz mehr als 30 Bewerbungen seit Juni. Was den 20-Jährigen trifft, sind Antworten wie die aus dem Ingolstädter Rathaus, dorthin hatte er eine Initiativbewerbung geschickt. Solche Schreiben würden nicht berücksichtigt, wenn man jemanden brauche, erfolge eine Ausschreibung, lautete nach den Worten des jungen Mannes sinngemäß die Antwort. Eigeninitiative offenbar unerwünscht.

Hannes Wittmann fühlt sich vor den Kopf gestoßen. "Ich will mich doch engagieren, nicht resignieren. Viele Firmen geben dir aber keine Chance, wenn du behindert bist. Es wäre schon gut, wenn sich die Leute erst ein Bild von mir machen, bevor sie einem absagen." Aufgeben will er nicht, allen Enttäuschungen zum Trotz. Schließlich ist er das Kämpfen gewohnt.