Ingolstadt
Süße Erinnerung

Im Konradviertel denkt man gerne an die Zeit zurück, als der Kiosk an der Schillerstraße noch in Betrieb war

23.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:31 Uhr

Historische Ansicht: 100 Jahre ist der sogenannte Uhlmannblock mit seinem markanten Kiosk an der Ecke Regensburger-/Schillerstraße alt. Die Fahrbahn war damals noch nicht asphaltiert, die Schillerbrücke, die heute den Einfallverkehr über die Donau an dem Ensemble vorbeiführt, gab es noch nicht - Foto: Sammlung Fegert

Ingolstadt (DK) Vor dem sogenannten Uhlmannblock an der Schillerstraße steht ein markanter kleiner Rundbau. Beim Vorbeifahren könnte man ihn heute leicht übersehen, dabei war er einst ein wichtiger Anlaufpunkt für die Menschen im Viertel rund um den alten Schlachthof – vor allem für Kinder.

Den kürzesten Weg hatte wohl die kleine Elisabeth. Sie ist 1931 auf die Welt gekommen und hat die ersten 29 Jahre ihres Lebens im Uhlmannblock gewohnt. „Ich musste nur aus der Haustüre raus und dann stand ich schon vor dem Kiosk“, erzählt Elisabeth Christl heute. Manchmal habe sie sich als Kind sogar noch den Weg um den kleinen Bau herum gespart und ihre Schokolade nicht durch die Verkaufsfenster an der Straße, sondern gleich durch die Hintertüre geordert. „Die Frau Grießmer vom Kiosk hat mich natürlich gekannt“, erzählt Christl, deren Vater zur Hausverwaltung des Uhlmannblocks gehörte.

Der Gebäudekomplex wurde von 1915 bis 1916 von der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt nach den Plänen des Architekten Albert Uhlmann im Stil des Historismus gebaut. „Damals war die Schillerstraße natürlich nicht asphaltiert, die Donaubrücke gab es noch nicht“, sagt Johann Stachel. Er ist 1944 geboren und ebenfalls im Viertel aufgewachsen. An den Kiosk kann er sich ebenfalls gut erinnern. Dort gab es unter anderem das sogenannte Jopa-Eis. „Das war das erste abgepackte Eis, das es gab“, berichtet Stachel. Bis dahin ist offenes Eis mit dem Schaber portioniert worden. Oder es gab Fürst-Pückler-Eis in großen Blöcken. „Da wurde vorne eine Waffel hingeklatscht, dann abgeschnitten und eine zweite Waffel drangemacht“, erklärt Stachel. Eine Art süßes Sandwich also.

Das allerdings musste man sich als Kind erst einmal leisten können. Fritz Riedl – Jahrgang 1924 – und seine Freunde hatten eine Einnahmequelle in der Innenstadt aufgetan. „Wir haben vor der Post für ein Fünferl auf die Radl der Leute aufgepasst“, erzählt er. Und wenn einer der Postkunden das Angebot der Buben barsch ausgeschlagen hat, haben ihm die Kinder das Rad schon mal um die nächste Ecke verzogen, während er im Hauptamt für Briefmarken anstand. Das nächste Mal war er dann schon eher bereit, für den kleinen Wachdienst zu bezahlen. Das Verdiente wurde dann in diverse Süßigkeiten investiert. Der Kiosk vor dem Uhlmannblock war nicht der einzige, auch an der sogenannten „kleinen Unterführung“ in der Frühlingsstraße gab es einen.

Der Kiosk an der Schillerstraße lag allerdings strategisch besonders gut. Hier kamen die Kinder vorbei, die Richtung Donau spazierten, um in der sogenannten Schütte zu spielen. „Das war unser Revier“, erzählt Riedl. An den verwilderten Ufern der Donau ließen sich vortreffliche Lager bauen, etliche Tümpel luden dazu ein, auf selbst gebastelten Flößen in See zu stechen.

Der Bau der Schillerbrücke im Jahr 1964 veränderte das Viertel stark. Zwischen Schlachthof und Uhlmannblock nahm der Verkehr stetig zu. Der Kiosk stand plötzlich an einer der Haupteinfallstraßen der Stadt. Immer öfter hatte er geschlossen oder stand ganz leer. Mitte der 1970er Jahre zog Ahmed Ulukay in den Uhlmannblock – mit gutem Blick auf den Kiosk. Er wohnt noch heute da. „Als ich ankam, war da noch eine Imbissbude drin“, erzählt er. Die sei aber Ende der 1970er Jahre aufgegeben worden. „1980 ist hier noch mal eine Änderungsschneiderei eingezogen“, erinnert sich Ulukay. Die sei aber auch schon nach wenigen Monaten wieder aufgegeben worden. Der Kiosk wurde zum Lagerraum umfunktioniert. Gartengerät wurde hier untergebracht. Vor rund einem Jahr sei der Kiosk verkauft worden. Die Besitzer leben in München, sagt Ulukay. So mancher in Ingolstadt hofft derweil auf eine Wiederbelebung des charmanten kleinen Gebäudes. Nicht nur die, die so viele persönliche Erinnerungen mit dem kleinen Kuppelbau teilen.