Ingolstadt
Mobilmachung im Armeemuseum

19.09.2011 | Stand 03.12.2020, 2:23 Uhr

Wachablösung: Im März 2010 verabschiedeten Manfred Dumann (l.), Vorsitzender der Freunde des Armeemuseums, Wolfgang Prinz von Bayern (2. v. l.) und andere Honoratioren den ehemaligen Direktor des Hauses, Ernst Aichner (2. v. r.), mit allen Ehren. Arch - foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Der Konflikt zwischen dem Bayerischen Armeemuseum und seinem Förderverein wegen der (inzwischen beendeten) Ausstellung über die NS-Militärjustiz schlägt auf beiden Seiten hohe Wellen. Für die einen ist die geplante Podiumsdiskussion schlicht „peinlich“, die anderen halten sie für geboten.

Als Franz Hofmeier am Samstag den DK aufblätterte, ereilte ihn eine Art debattengeschichtliches Déjà-vu: „Da hab ich mir gedacht:Jetzt fangen die wieder mit diesem alten Krampf an und reden die Dinge schön!“ Der Ingolstädter Historiker, Leiter des Neuburger Descartes-Gymnasiums und Autor zahlreicher Geschichtsbücher, verfolgt mit Argwohn, wie die „Freunde des Bayerischen Armeemuseums“ gegen die Ausstellung über Täter und Opfer der NS-Militärjustiz Front machen. „Schade, dass sie jetzt zu Ende ist, denn ich kenne viele, die die Schau gern noch gesehen hätten.“ Das Thema sei wichtig, sagt Hofmeier, „weil das Rechtssystem eine Menge über eine Gesellschaft aussagt“.

Nach Ansicht des Fördervereins ist die Ausstellung „Was damals Recht war . . .“ einseitig. Daher lädt der Vorsitzende Manfred Dumann für Freitag, 30. September, zu einer Podiumsdiskussion ins Neue Schloss (Beginn 19 Uhr im Fahnensaal), um das Wirken der Kriegsgerichte aus der Sicht des Vereins zu beleuchten. Hofmeier ermutigt alle Schüler und Lehrer: Hingehen und mitdiskutieren!

Manfred Schuhmann wird da sein. Der SPD-Stadtrat pflegt ein gespanntes Verhältnis zum Förderverein, seit er vor 20 Jahren den stattlichen Expansionsplänen des Armeemuseums die Initiative „Kultur statt Kanonen“ entgegensetzte. Den neuen Vorstoß findet er „einfach peinlich“ und zudem völlig unnötig, denn die Militärjustiz der Wehmacht sei längst gut erforscht. „Natürlich war das auch ein Terrorinstrument der Nazis! Irgendwann müssen die doch mal die Wahrheit akzeptieren!“, klagt er mit Blick auf den Freundeskreis.

Noch etwas stört Schuhmann an der Debatte: „Der Freundeskreis regt sich an der Sache vorbei auf. Denn es behauptet doch gar keiner, dass alle Richter der Wehrmacht Verbrecher waren.“

Auch Albert Wittmann gehört zu den Freunden des Museums. Der Bürgermeister beurteilt das brisante Thema differenziert: „Natürlich gab es unter den 17 Millionen Wehrmachtssoldaten viele Nazis, und keiner bestreitet, dass manche auch Verbrechen begangen haben.“ Jedoch: „Es ist legitim, Kritik an einer Darstellung zu üben und sachlich darüber zu diskutieren. In einer Demokratie muss es möglich sein, auch solche Debatten zu führen!“ Jeder darf zu Wort kommen, „außer, er ist als radikal bekannt“. Wittmann betont: „Ich bin im Übrigen auch keiner von denen, die fordern, radikale Parteien gleich zu verbieten. Eine Demokratie muss so etwas aushalten können!“

Claus Roser, Oberst a. D., verfolgt den Fall ziemlich irritiert. „Zum Thema Militärjustiz gibt es doch längst keine neuen Erkenntnisse mehr.“ Über was also sollte man noch diskutieren, fragt der ehemalige Kommandeur der Pionierlehrbrigade 60. Und vor allem: Mit wem? Die Ankündigung der Ausstellungsmacher, die „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, keinen Vertreter nach Ingolstadt zu senden, da sie eine polemische Diskussion erwarten, findet Roser „bedauerlich“. Den Berlinern ruft er zu: „Kneifen gilt nicht!“ Denn: „Einer Debatte aus dem Weg zu gehen, weil sie vielleicht unsachlich zu werden droht – das kann doch in einer Demokratie kein Argument sein!“ Er verlangt „Rede und Gegenrede, wie es sich gehört!“ Sonst sehe er es nicht ein, die Diskussion zu besuchen.