Ingolstadt
Makellos war gestern

Als einziger Supermarkt in Ingolstadt verkauft Edeka im Westpark testweise krummes Obst und Gemüse

31.10.2013 | Stand 02.12.2020, 23:29 Uhr

Schlangenförmige Kartoffeln und fleckige Zwiebeln: Obst und Gemüse, das nicht perfekt den Normen entspricht, bietet in einer Testphase Edeka im Westpark an. Viele Kunden haben damit kein Problem - Foto: Hartung

Ingolstadt (DK) Das Auge kauft mit: Hässliche Ware schaffte es selten in die Supermarktregale. Das soll sich ändern. In einem vierwöchigen Pilotprojekt wird im Westpark neben makellosem Obst und Gemüse auch B-Ware angeboten – zu günstigen Preisen. Ein Ansporn, beim Einkauf ein Auge zuzudrücken.

Dreibeinige Karotten, schlangenförmige Kartoffeln und Gurken, die sich biegen, bis sich ihre Enden fast berühren. „Keiner ist perfekt“: Unter diesem Motto bekommen nun vier Wochen lang auch Obst und Gemüse der Güteklasse II ihre Chance auf einen Platz im Supermarktregal.

Das neue Angebot umfasst ausschließlich Schälprodukte wie Gurken, Gelbe Rüben, Zwiebeln, Kartoffeln und Äpfel, die trotz Schönheitsfehler die gleiche Qualität versprechen. Das Ganze ist ein Testlauf, um der Lebensmittelverschwendung zukünftig einen Riegel vorzuschieben und die Reaktion der Käufer auf die Probe zu stellen. Die Resonanz der Edeka-Kunden wird nach den vier Wochen der Testphase ausgewertet. Bis jetzt scheint das krumme Obst und Gemüse allerdings auf Zuspruch zu treffen. Vier Edeka Großhandelsbetriebe in Südbayern, Nordbayern-Sachsen-Thüringen, Rhein Ruhr und Nord wie auch die Discounter-Tochter Netto nehmen mit ihren Märkten teil – darunter der Edeka im Westpark als einziger in Ingolstadt. Für gewöhnlich wird nur gekauft, was schön aussieht. „Das Auge hat sich an bestimmte Normen gewöhnt“, sagt Christian Strauß, der Sprecher der Edeka-Südbayern mit Sitz in Gaimersheim. „Weicht etwas von dem Gelernten ab, so muss man es erklären.“

Thomas Wieck und Evelyn Möding arbeiten bei Edeka im Westpark und kümmern sich täglich um die Obst- und Gemüseregale. Seit zwei Wochen beantworten sie neugierigen Kunden Fragen zu dem neuen Angebotsstand. Ist es schlimm, wenn die Zwiebeln schwarze Flecken haben? Wieso sind die Äpfel leicht braun gefärbt? Zweikilobeutel Äpfel für 1,99 Euro gibt es dort zu kaufen. Ein absolutes Schnäppchen. Ina (46), die sonst auf dem Wochenmarkt Obst und Gemüse einkauft, hat von dem Pilotprojekt und den Angeboten im Radio gehört. Voller Neugier schaut sie sich die, salopp gesagt, hässlichen Produkte an und ist begeistert. „Bei Zwiebeln finde ich es sogar positiv, wenn kleinere und größere gemischt in einem Netz sind“, sagt sie. „Eine super Sache“, das findet auch eine andere Kundin, die, wie alle Befragten, nicht ihren vollständigen Namen in der Zeitung lesen möchte, und greift sich direkt ein Netz Äpfel. Der gleiche Apfel der Sorte Boskop liegt in dem großen regulären Obstregal zum doppelten Preis – so scheint es zumindest. Bei genauerem Hinschauen fällt auf, dass der Apfel zweiter Klasse etwas kleiner gewachsen ist und zumeist eine bräunliche Färbung hat. „Was im ersten Moment komisch aussehen mag, ist nur durch die stärkere Sonneneinstrahlung in der Reifezeit des Apfels entstanden und deswegen nicht weniger appetitlich“, erklärt Wieck.

Länge, Dicke, Krümmungsgrad – „Natur hat ihre eigene Vielfalt“. So steht es jedenfalls auf den Edeka-Schildern zwischen den krummen Gurken und den fleckigen Zwiebeln geschrieben. Die UNECE-Qualitätsnormen als weltweit anerkannter Maßstab sprechen eine andere Sprache und schreiben einiges vor. Gemüse und Obst, das diesem Schönheitsanspruch der EU nicht gerecht wird, kann demnach nur als Saft und Tierfutter verarbeitet oder direkt vernichtet werden. „Das ganz Perfekte ist nicht meine Welt“, sagt Elisabeth (64) aus Ingolstadt, „Äpfel aus dem Garten sind doch auch nicht alle gleich groß und gut geformt.“ Franz (72) würde die Zweite-Klasse-Ware auch kaufen. Seine Frau nicht. Da ist er sich sicher. „Vielleicht ist es eine Frage der Haltbarkeit bei Produkten, die schon Druckstellen haben. Das ist natürlich auch ein Qualitätsverlust.“ Trotzdem sei es eine Katastrophe, was an Lebensmitteln weggeworfen wird, darin sind sich alle Befragten einig und drücken lieber einmal ein Auge zu beim Einkauf.