Ingolstadt
Lieber derbleckt, als gar nicht erwähnt

Beim Herrnbräu-Starkbieranstich flossen der Operator und starke Sprüche

04.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:35 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Wenn Fastenprediger Florian Erdle einmal loslegt, wird keiner verschont: Der Starkbieranstich von Herrnbräu bot die hohe Kunst des Derbleckens. Die Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben sich dennoch köstlich amüsiert.

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen – das machen schon die anderen. Beim Starkbieranstich von Herrnbräu traf es diesmal auch den armen Alfred Lehmann, obwohl er gar nicht unter den zahlreichen Gästen war. Der Alt-OB ist bekanntlich vor einigen Tagen beim Skilanglauf gestürzt. Fastenprediger Florian Erdle ließ es sich nicht nehmen, Lehmann seine besten Genesungswünsche auszusprechen, und machte ihm Mut – auf seine Weise: „Dem Fastenmeier sei’ Klinikum haben schon andere überstanden.“

Krankheitsbedingt war auch die Stadtspitze geschwächt: Bürgermeister Albert Wittmann hatte kurzfristig absagen müssen, was Erdle, im Zivilberuf Jurist der Stadt Pfaffenhofen, denn auch prompt als „Fahnenflucht“ bezeichnete. Doch davon abgesehen hatten sich natürlich wieder die Spitzen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Schanzer Rutschn versammelt, um Bayerns fünfte Jahreszeit einzuläuten. Zur Begrüßung gab’s einen kleinen Krug süffigen Operator und ein Foto mit Weißbierkönigin Julia, die beim Anstich ihren ersten offiziellen Auftritt souverän meisterte. Nicht minder routiniert erledigte OB Christian Lösel eine seiner wichtigsten Amtshandlungen. Mit drei Schlägen war das erste Fass angezapft.

Mit Spannung warteten die Gäste auf die Rede des Pfaffenhofener Stadtjuristen Florian Erdle, der ja seit einigen Jahren den Schanzern die Leviten liest. So wie gleich zu Beginn dem Stammtisch vom „Le Kaff-e“, wie er den bekannten mittäglichen Treff so mancher ehemaliger Politiker durch den Kakao zog: „Die Mitglieder san alle aus dem letzten Jahrtausend. Manche Ansichten san freilich noch älter.“

Auch der neue Imagefilm der Stadt war ein gefundenes Fressen für eine Starkbierrede: kein einziges Auto zu sehen, alles grün, alle sportlich und keiner über 35. Das Publikum im Saal müsse folglich aus lauter Externen bestehen, so Erdle beim prüfenden Blick über die im Durchschnitt nicht mehr ganz so junge Gästeschar. Das 1:1 des FC Ingolstadt gegen 1860 München, das „Griechenland der Bundesliga“, durfte genauso wenig fehlen wie das städtische 25-Millionen-Projekt auf dem Gießereigelände, das für Erdle vor allem einem Zweck dient: „Für alles Greisliche gibt’s des Museum für Konkrete Kunst.“ Natürlich vermutete der Fastenprediger auch hinter dem Stadtradl-Projekt von OB Lösel („unser Nachwuchs-Augustus“) mehr als nur die Absicht, wonach alle Stadträte die Schanz mit dem Zweirad erkunden sollen, um Schwachstellen herauszufinden. Der „Stadtrat mit dem Stadtrad“ ist ihm nicht so ganz geheuer: Ob da nicht irgendwo ein gezwickter Führerschein dahintersteckt? Abgesehen davon sei der OB einer so reichen Stadt ein armer Hund, muss er doch im Stadtrat die Stimmen tatsächlich selber zählen.

Genüsslich zerpflückte Erdle die China-Strategie der Stadt. Immerhin sei kein Geringerer als Franz Josef Strauß 1975 schon im Reich der Mitte gewesen. Und jetzt fahre da eine Delegation mit dem „Neuburger Kartoffelcholeriker Weigert“ hin! Und die Chinesen würden im Gegenzug in Ingolstadt wohl kaum Firmen ansiedeln, wie sich OB Lösel das vorstellt, sondern höchstens einen „Copyshop neben der FH“.

Die Liveübertragung der jüngsten Stadtratssitzung durch intv, laut Erdle das „abwechslungsreichste Testbild der Region“, sollte am besten keine Fortsetzung finden. „Pfeift’s auf die Transparenz“, warnte er die zahlreichen Stadträte: „Ihr wollt’s doch wiedergewählt werden!“ Und dann nahm er sich etliche Kommunalpolitiker und Fraktionen direkt zur Brust. Beim Karl Ettinger von der FDP würden sich so manche wieder seine Vorgängerin, die Christel Ernst, zurückwünschen, und der Bannert (Republikaner) sei „unter den Einäugigen der Blindeste“. Der Peter Springl (FW), der „Nachwuchs-Dobrindt von der Schleifmühle“, habe nur deswegen in die Neujahrsrede des OB hineingeklatscht, weil er was zum Essen wollte. Christian Lange von der Bürgergemeinschaft verglich er gar mit multiresistenten Klebsiellen (Stäbchenbakterien), die Anfang des Jahres im Klinikum gehäuft auftraten: „Richtet nicht viel aus, macht aber viel Ärger.“ Selbstredend durfte Henry Okorafor nicht fehlen. Der Grüne Einzelkämpfer sei der „Mobilitätshelfer der eigenen Ansichten“. Und als jüngst der Ötzi aus dem Tiefschlaf aufgewacht ist, sei er förmlich erschrocken: „Ja is’ denn der Schuhmann immer noch im Stadtrat“

Und so ging es weiter. Ob „die Heiligen Drei Könige“ (Schnell, Lehmann, Lösel), Joachim Genosko, die beiden Stachels, („unser Lieblingsinstallateur“), Jörg Schlagbauer, Anton Böhm oder die Grünen, um nur einige zu nennen: Fast alle wurden Opfer von Erdles Spott. Was wäre die CSU im Stadtrat ohne die Freien Wähler? Genau, sie wäre sorgenlos, also ihre Sorgen los, spottete Erdle über die FW, deren neues Motto laute: „Mittelmaß statt Mittelstand – einer allein ist unberechenbar, gemeinsam sind wir völlig außer Kontrolle.“ Und nachdem die Grünen jetzt mit Rupert Ebner den Umweltreferenten stellen, falle dieser Aufgabenbereich bei Wolfgang Scheuer weg. „Der hat jetzt das städtische Freizeitreferat. Also hat er gar nichts mehr zu tun.“

Wobei es ja bekanntlich, und das ist das Tröstliche, nichts Schlimmeres gibt, als in einer Fastenpredigt nicht erwähnt zu werden. So durfte der DK nicht fehlen, genauso wenig wie Ex-Ministerin Christine Haderthauer. Kommentar des Fastenpredigers zur Modellauto-Affäre: „Das hätte früher höchstens als Einstiegstest für die mittlere CSU-Karriere g’langt.“

Das Publikum war begeistert, Fortsetzung nächstes Jahr. Zur stimmungsvollen musikalischen Unterhaltung trugen die Münchener Isarrider bei.