Ingolstadt
Kalkuliertes Risiko

Wer sich als Hausbesitzer gegen Hochwasserschäden versichert, muss immer tiefer in die Tasche greifen

22.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:12 Uhr

Ingolstadt (DK) Sicher ist sicher. Als Hauseigentümer möchte man gegen alle Widrigkeiten des Schicksals und der Natur gefeit sein. Aber wenn der Versicherungsbeitrag für Elementarschäden sich mehr als verfünffacht, kommt auch der Vorsichtigste ins Grübeln. So wie ein Bewohner des Südwestviertels.

Die betroffene Familie wohnt in der Bittlmairstraße unweit der Münchener Straße. Sie ist schon seit vielen Jahren gegen Elementarschäden versichert. Zu diesen zählen auch die Folgen von „Überschwemmung infolge Ausuferung oberirdischer Gewässer oder Witterungsniederschläge“, so die Formulierung des Unternehmens. Bisher kostete der Versicherungsschutz des Hauses im Südwesten 96,15 Euro pro Jahr, der neue Beitrag ist auf stolze 564,79 Euro gestiegen.

„Wir konnten den Beitrag über Jahre weitestgehend konstant halten“, schreibt die Versicherungskammer Bayern ihrem Ingolstädter Kunden, „obwohl der Aufwand für Schäden in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Zudem hat sich die Risikoeinstufung für Überschwemmung geändert. Das gilt auch für Ihr Zuhause.“ In einem Informationsblatt heißt es weiter: „Genügend Beispiele belegen, dass durch die immer häufiger auftretenden Starkregenereignisse kleine Rinnsale oder friedlich dahinplätschernde Bäche sowie unbedeutende Nebengewässer zu reißenden Flüssen werden.“

Trotz der gewaltigen Beitragserhöhung hat sich der Kunde entschieden, bei seiner Versicherung zu bleiben. Er habe sich auch bei anderen Unternehmen erkundigt, und die würden ähnlich nach oben gehen, sagte der Mann, der nicht mit seinem Namen genannt werden will, dem DK. „Das kann 20 Jahre gutgehen“, argumentiert er, „aber wenn das Haus abgesoffen ist, kostet es ein paar hunderttausend Euro.“

Bei der Beurteilung der Gefährdungsklassen orientiert sich die Versicherungswirtschaft am System ZÜRS (Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen), wie eine Sprecherin der Versicherungskammer Bayern auf Anfrage erklärt. Demnach gibt es vier Risikozonen – von 1 (geringstes Risiko) bis 4 (höchstes Risiko an großen Flüssen). Zusätzlich verwendet die Versicherungskammer Bayern ein eigenes System mit sechs Zonen – von A (geringstes Risiko) bis F (höchstes Risiko).

„Unsere Zonierung wird jährlich anhand verschiedener Faktoren überprüft“, berichtet die Unternehmenssprecherin. „Es fließen Daten der Vermessungsverwaltung, der Wasserwirtschaftsämter und des Landesamtes für Umwelt ein, zudem Daten des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft aus Überschwemmungsflächen.“ Jedem „Versicherungsgrundstück“ werde eine Gefährdungsklasse zugeordnet. Die Ingolstädter Bittlmairstraße liegt demzufolge in Zone B beziehungsweise 2 (nach System ZÜRS).

Erst kürzlich hatte der Verband der deutschen Versicherungswirtschaft eine „außergewöhnliche Ballung von Naturkatastrophen“ dafür verantwortlich gemacht, dass 2013 so viel Geld an die Kunden gezahlt werden musste wie nie zuvor. Allein das Sommerhochwasser sowie diverse Stürme und Hagelunwetter hätten Schäden in Höhe von sieben Milliarden Euro angerichtet.

Abgesehen von den allgemeinen Risiken, urteilt Abteilungsleiter Holger Pharion vom Wasserwirtschaftsamt, habe sich die Überschwemmungsgefahr im Südwestviertel „sicher nicht erhöht“. Der Deich in Haunwöhr sei „saniert und in sehr gutem Zustand“. Beim großen Pfingsthochwasser 1999 hatten sich an dem Deich (teils auf dem früheren Bahndamm), der von der Glacisbrücke bis nach Buschletten reicht, Schwachstellen gezeigt. 2003 folgte eine grundlegende Sanierung für knapp eine Million Euro.