Ingolstadt
Himmlische Worte, Musik und Stille

Die Nacht der offenen Kirchen lockte Hunderte Besucher in die Gotteshäuser der Altstadt

28.07.2013 | Stand 02.12.2020, 23:51 Uhr

In der Franziskanerkirche drehte sich alles um soziale Themen. Bernhard Gruber von der Caritas sprach zum Beispiel über Armut - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Es war einfach himmlisch – so wie der Titel schon besagte: Bei der Nacht der offenen Kirchen spazierten am Samstag Hunderte Menschen in der Innenstadt von einem Gotteshaus zum anderen, um Konzerte, Psalmen, Lesungen oder einfach nur die Stille zu genießen.

Das neue ökumenische Angebot kam sehr gut bei den Besuchern an. Fünf Altstadtkirchen – jede hatte ihren eigenen thematischen Schwerpunkt – standen am Samstag bis tief in die Nacht offen. Die Franziskanerkirche war die soziale Kirche, dort ging es zum Beispiel um Armut. Während auf dem Vorplatz die Caritas-Musikband Cariwo heiße Rhythmen anschlug und einige Zuhörer sogar zum Tanzen animierte, wurde es drinnen im Gotteshaus sehr ernst.

Diakon Andreas Kopp sprach einige einleitende Worte aus der Bibel, danach erzählte Bernhard Gruber von der Sozial- und Schuldnerberatung der Caritas von den Sorgen, die manche Ingolstädter umtreiben: Mietschulden, nicht bezahlte Stromrechnungen oder nur eine kaputte Waschmaschine. „Dann wird es schnell eng, wenn man von elf Euro am Tag leben muss wie ein Hartz-IV-Empfänger“, erklärte Gruber, der insbesondere die Leiharbeitsfirmen anprangerte. Weil deren teils karge Löhne nicht zum Leben reichen, müssen viele der Beschäftigten „aufstocken“, also zusätzlich Hartz IV beantragen. „Im Endeffekt unterstützt der Staat so diese Firmen“, klagte Gruber an. „Das ist aus meiner Sicht ein echter Skandal.“

Von armen Menschen ging es anschließend in die Matthäuskirche (als die Kirche der Kunst) zu den Königinnen. Das heißt aus dem Mongolischen übersetzt Hatan – der Name eines Frauentrios mit beachtlichen musikalischen Fähigkeiten. Usukhjargal Purevsuren beherrscht nämlich als eine der wenigen Frauen den typischen Kehlkopfgesang. Ein befremdlicher Klang für ungeübte Ohren, gleichwohl ein faszinierendes Erlebnis. Begleitet von Uranchimeg Nyamsuren auf der Schlangenhautlaute und Shurentsetseg Ganbaatar auf der Knieharfe jagten manche Melodien wie Reiter im wilden Galopp über die mongolische Steppe.

Bach-Improvisationen holten die Besucher zurück in heimatliche Gefilde. Dann trat der Schauspieler Karlheinz Habelt ans Mikrofon und trug Gedanken von Ingolstädtern zum Thema „einfach himmlisch“ vor: Ein Sommermorgen ohne Stress, ein lauer Abend am Baggersee, um den Arbeitsalltag zu vergessen, Erinnerungen an himmlisches Verliebtsein. Oder einfach eine Liebeserklärung an Ingolstadt: „Es ist einfach himmlisch hier.“

Das haben sich wohl auch viele Besucher im Liebfrauenmünster gedacht, wo die Musik im Mittelpunkt stand: Evi Weichenrieder spielte dort die halbe Nacht lang Orgel, und passend zur Musik tauchten Lichteffekte das Kirchenschiff in ein bezauberndes Farbenspiel. Zeitweise stand der Altarraum wie in Flammen – ein dramatisches Szenario.

Das fanden auch Rosemarie Volnhals und Elisabeth Seemeier, die begeistert von der Nacht der offenen Kirchen waren. „So haben wir die Altarbilder im Münster noch nie gesehen“, schilderten sie ihre Eindrücke. „Jetzt gehen wir noch in die Moritzkirche und singen Psalmen, denn das haben wir noch nie gemacht. Und am Schluss zum gemeinsamen Nachtgebet.“