Ingolstadt
Ein Sexüberfall mit Spätfolgen

Opfer hat mit Verschlechterung einer Erkrankung zu kämpfen gut drei Jahre Haft für Täter

25.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:09 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa

Ingolstadt (DK) Es war, so Staatsanwalt Gerhard Reicherl, "der Alptraum einer jeden Frau", was eine heute 35-jährige Ingolstädterin am Abend des 5. Mai vorigen Jahres am Rande eines Spielplatzes am Oberhaunstädter Peter-und-Paul-Weg erleben musste: Ein unbekannter Mann hatte die allein auf einer Parkbank sitzende Spaziergängerin zunächst unbeholfen in seiner Muttersprache angesprochen und dann von hinten gepackt und zu Boden geworfen, um sie in eindeutiger Absicht zwischen den Beinen zu berühren.

In dem folgenden Gerangel erlitten Täter und Opfer einige oberflächliche Verletzungen, bevor ein durch Hilfeschreie der Frau herbeigerufener Anwohner den Angreifer packen und bis zum Eintreffen der Polizei festhalten konnte.

Das Schöffengericht hatte im vergangenen September gegen den seinerzeit noch nicht geständigen, aber durch die Beweislage schwer belasteten 38-jährigen Portugiesen dreieinhalb Jahre Haft wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung verhängt. Eine Mindeststrafe von drei Jahren war allein schon durch den Umstand bedingt, dass er während der Tat ein Klappmesser in der Hosentasche gehabt hatte, das er allerdings nicht benutzt hatte.

Diese Woche stand die Berufungsverhandlung vor dem Landgericht an, die dem jetzt geständigen Angeklagten einen kleinen Rabatt beim Strafmaß einbrachte: Auf drei Jahre und vier Monate Haft lautet das nun rechtskräftige Urteil. Der neue Richterspruch hätte angesichts des Geständnisses und einer im Gerichtssaal zumindest versuchten Schmerzensgeldzahlung vielleicht sogar noch etwas milder ausfallen können, wenn in der Verhandlung auf der anderen Seite nicht die gravierenden Folgen des Überfalls für die ohnehin chronisch kranke Frau zutage getreten wären: Sie leidet an einer durchaus ernsten Blutbildänderung, die sich nach dem dramatischen Vorfall - offenbar durch die ausgelöste psychische Belastung - weiter verschlechtert hat. Sie traue sich zudem kaum noch unter Leute und habe ständig Angst in der Dunkelheit, sagte die Frau vor der 4. Strafkammer des Landgerichts. Wegen der anhaltenden Belastung war sie Ende vorigen Jahres länger arbeitsunfähig gewesen.

Wegen ihrer Angstzustände hatte die Ingolstädterin ein anderes Ereignis, das ihr großen materiellen Schaden bereitet hat, als besonders bedrohlich empfunden: Ausgerechnet in der Nacht vor dem ersten Prozess beim Amtsgericht war der erst zwei Jahre alte Pkw der Frau vor ihrem Haus übel demoliert worden - mit einer folgenden Reparaturrechnung über rund 10 000 Euro. Dieser Vorfall wurde von der Polizei bis heute nicht aufgeklärt.

Verteidigerin Andrea Kremer fühlte sich durch diese Schilderung in der Verhandlung dazu aufgefordert, eine Erklärung für ihren Mandanten abzugeben: Der Mann, der sich zum damaligen Zeitpunkt natürlich bereits in Untersuchungshaft befunden hatte, verfüge in Deutschland über keinerlei Bekanntenkreis, der mit dem Vandalismusakt in Zusammenhang gebracht werden könne. Er habe mit dieser Sache einfach nichts zu tun.

Die Verteidigerin bot der Geschädigten im Namen des Angeklagten für den erlittenen Überfall ein Schmerzensgeld in Höhe von 1000 Euro an - mehr sei ihm und seiner Familie einfach nicht möglich. Die als Nebenklägerin auftretende Frau nahm das Geld nicht an, weil sie nicht darauf angewiesen sei und sie es "besser in der Familie belassen" wolle, wie sie sagte. Als Geste des guten Willens und der Entschuldigung akzeptierte sie das Angebot aber durchaus. Sie bat den Angeklagten anderseits, sich nie wieder zu solch einer Gewalttat hinreißen zu lassen. Ihr Beispiel zeige wohl sehr deutlich, welche Belastungen beim Opfer ausgelöst werden können: "Das schädigt jemanden für immer und ewig!"