Ingolstadt
Die Weihnachtsgeschichte als Busreise

Hebamme Sabine Schmuck fährt mit zwei Freundinnen ins Berliner Regierungsviertel – um zu protestieren

05.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:54 Uhr

Mit Flyern und Plakaten wollen (von links) Doris Arp, Sabine Schmuck und Renate Pade im Berliner Regierungsviertel auf die Situation der Hebammen aufmerksam machen. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) In eineinhalb Wochen will die Ingolstädter Hebamme Sabine Schmuck mit zwei Mitarbeiterinnen in einem VW-Bus nach Berlin fahren, um im Regierungsviertel öffentlichkeitswirksam auf die Situation der Hebammen aufmerksam zu machen – die aus ihrer Sicht dramatisch schlecht ist.

Sie wollen dabei die Weihnachtsgeschichte nachahmen: Die Suche der hochschwangeren Maria und ihres Mannes Josef nach einem Platz, an dem sie ihr Kind zur Welt bringen können. Und so wie Maria und Josef vor mehr als 2000 Jahren in Bethlehem von Haus zu Haus zogen, wollen Sabine Schmuck, Doris Arp, Geburtsvorbereiterin, und Renate Pade, Geburtsbegleiterin, in Berlin-Mitte symbolisch eine Woche lang nach einem Obdach suchen. Ihre Botschaft: Es wird immer schwieriger, einen geeigneten Platz zum Gebären zu finden, weil es immer weniger Hebammen gibt, da sich der Beruf immer weniger rentiert. Letzte Station ihrer bewusst nicht angemeldeten Aktion ist am 23. Dezember das Gesundheitsministerium von Hermann Gröhe.

Im August hat sich der Deutsche Hebammenverband (DHV) auch unter Vermittlung des Bundesgesundheitsministers mit den Krankenkassen auf einen finanziellen Ausgleich für die gestiegenen Haftpflichtprämien der freiberuflichen Hebammen geeinigt – für Sabine Schmuck und ihre Mitstreiterinnen ist dieser Kompromiss aber nicht tragbar.

6274 Euro pro Jahr soll die Prämie betragen, die ab 1. Juli 2015 gilt. Als Ausgleich erhält jede Hebamme dann 60 Euro mehr pro Geburt. „Hebammen, die mehr machen, verdienen damit mehr“, sagt Schmuck. Damit werde Masse belohnt und nicht Qualität. In ihrem Geburtshaus seien sie beispielsweise immer zu zweit pro Geburt, doch die zweite Hebamme würde den Ausgleich nicht erhalten.

Die Prämien seien zuletzt immer weiter gestiegen, was viele Hebammen aus dem Beruf gedrängt habe – weil es sich nicht mehr für sie rentiert habe. Ganze Landstriche seien im Norden schon ohne Hebammen, sagt Schmuck. Ein Zustand, den hier niemand wolle. Schon jetzt müssten künftige Eltern weit fahren: Ins Geburtshaus kommen sie aus der gesamten Region, teilweise sogar schon aus München – weil sie dort offenbar keinen Termin erhalten.

Aber auch im Geburtshaus Ingolstadt mussten jetzt die ersten Eltern vertröstet werden – nämlich die, deren Kinder voraussichtlich nach dem 1. Juli 2015 auf die Welt kommen. „Denn ich habe ab 1. Juli keine Versicherung mehr“, sagt Sabine Schmuck. Sie ist nicht im DHV organisiert, sondern in einem anderen Verband, der keinen Versicherer findet. Freiberufliche Hebammen – in Bayern inzwischen mehr als die Hälfte aller praktizierenden Hebammen – seien damit gezwungen, Mitglied im DHB zu werden, um ihren Beruf weiter ausüben zu dürfen. Diese „Zwangsmitgliedschaft“ komme für sie nicht infrage, sagt Schmuck. Außerdem gelte die ausgehandelte Prämie auch erst einmal nur für ein Jahr.

In Berlin will sie nun auf die Bedeutung der Hebammen, ob in Kliniken oder in Geburtshäusern, hinweisen und für eine Neuregelung der Versicherung plädieren. In einem sozialen Netzwerk hat sie eine Gruppe gegründet, die schon mehr als 800 Unterstützer hat. Darin wollen sie und ihre Freundinnen über ihre Reise berichten, mit Texten, Fotos und Videos.

„Ich kann morgen auch was anderes machen, darum geht es mir nicht“, sagt Sabine Schmuck. „Es betrifft die Väter und Mütter, die bald keine Hebammen mehr finden. Das hat eine gesellschaftliche Relevanz.“