Ingolstadt
Die Geiseln wollen endlich ihre Ruhe

Die Geiseln wollen endlich ihre Ruhe

20.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:58 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: dpa

Ingolstadt (reh) Es war zwar rein formal ein Antrag gewesen, aber als Bitte vorsichtig formuliert. Die Große Strafkammer des Ingolstädter Landgerichts möge doch in der Urteilsfindung noch einmal gezielt in sich gehen und eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus prüfen.

So hatte es Rechtsanwalt Peter Gietl in seinem Plädoyer am Landgericht letzte Woche gesagt, im Sinne seiner Mandanten: den vier Geiseln aus dem Alten Rathaus in Ingolstadt.

Das Landgericht verurteilte den Geiselnehmer am Montag bekanntlich zu acht Jahren und drei Monaten Gefängnis und wies ihn nicht in die Psychiatrie ein. Der 25-Jährige, der auch eine der Geiseln davor über Monate gestalkt hatte, wird also eines Tages wieder freikommen.

Trotz dieser Entscheidung will es die Nebenklageseite dabei bewenden lassen. Nach „ausführlicher Besprechung“, wie Anwalt Gietl gestern Abend verkündete, hätten die Opfer des Geiselnehmers entschieden, „keine Revision einzulegen“. Vielmehr wollen die Geiseln (Bürgermeister Sepp Mißlbeck, dessen Vorzimmerdame, der städtische Beschwerdemanager und eine weitere Rathausmitarbeiterin) endlich ihre Ruhe. Laut Gietl verzichten sie auf eine Überprüfung des Urteils auf möglicherweise rechtliche Fehler, „um die belastende Situation einer weiteren prozessualen Fortsetzung zu beenden und selbst den erforderlichen Abstand zu erhalten“.

Damit wird das Urteil des Landgerichts mit größter Wahrscheinlichkeit rechtskräftig werden. Die Frist, um ein Rechtsmittel einzulegen, läuft offiziell noch bis einschließlich Montag. Es sieht aber so aus, als würde auch der Verurteilte die Strafe in dieser Höhe akzeptieren. „Ich habe ihm nicht zur Revision geraten“, sagte Jörg Gragert, der Verteidiger des Geiselnehmers, auf DK-Anfrage. Man sei aber so verblieben, dass sich der 25-Jährige alles überlegt. Die Tendenz geht laut Gragert eindeutig hin zum Akzeptieren.

So war das zuletzt auch von der Staatsanwaltschaft zu hören. Die Anklägerseite hatte zwar zehneinhalb Jahre Haft gefordert und war damit vom Landgericht etwas unterboten worden. Staatsanwalt Ingo Desing stellte damals aber keinen Antrag auf Unterbringung. Er berief sich – wie letztlich auch das Gericht im Urteil – auf die Gutachten der psychologischen und psychiatrischen Sachverständigen. Sie hatten dem Geiselnehmer eine schwere dissoziale Persönlichkeitsstörung attestiert. Allerdings habe es während der Geiselnahme keine Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit gegeben. Davon war auch das Gericht („Er war immer Herr der Lage“) überzeugt, sodass der Strafkammer dem Gesetzestext folgend die rechtlichen Voraussetzungen für die Einweisung fehlten.

Der Geiselnehmer steht aber nach der Haftentlassung fünf Jahre unter Führungsaufsicht. Er darf sich seinen Opfern nicht mehr nähern.