Ingolstadt
"Den Stellungskrieg revolutioniert"

Ingolstadt als Waffenschmiede: Führung durch die Sonderschau zum Ersten Weltkrieg

30.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:10 Uhr

Spannende Führung: Den Ersten Weltkrieg aus bayerischer Sicht erläuterte Franz Hofmeier. Er gab unter anderem Einblicke in das Geschehen in den Schützengräben - Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) „Der Erste Weltkrieg ist der erste Industriekrieg.“ Zu dieser Feststellung gelangte am Samstag der frühere Lehrer und Historiker Franz Hofmeier bei einer Führung durch die Sonderausstellung zum Kriegsausbruch in Bayern im Bayerischen Armeemuseum. Eingeladen zu dem Rundgang hatte, im Rahmen ihres Herbstprogramms, die Katholische Erwachsenenbildung.

Gekommen war dieses Mal nur eine gute Handvoll historisch interessierter Zuhörer, die dafür jedoch – an der Seite des belesenen Geschichtsforschers – umso intensiver in die Chronologie des grausamen Geschehens vor 100 Jahren eintauchen konnten.

Der Erste Weltkrieg ging also nicht nur mit einer bis dahin nie dagewesenen Materialschlacht einher, deren Auswirkungen sich im Vorfeld wohl niemand so recht bewusst gemacht hatte, wie Hofmeier vermutet. Es war zudem in dieser Form der erste Krieg, der aus dem Schützengraben heraus geführt wurde. „Das Prinzip der Industriewaffe war im Ersten Weltkrieg bereits da“, erklärt Hofmeier. Große technische Neuerungen haben die Schlacht geprägt: „Der Bomber, der Panzer, das Geschütz“, zählt er auf. Darunter die sogenannte „dicke Bertha“. Ein „Wunderwerk der Technik“, so Hofmeier, das 30 Kilometer weit geschossen habe. Und natürlich das Maschinengewehr 08/15, eine seinerzeit neuartige Entwicklung aus dem Jahr 1908, die in ihrer 15. Variante für die Ausbildung der Soldaten verwendet wurde. Für damalige Verhältnisse eine wahre Kampfmaschine, die 480 Schuss in der Minute abfeuerte.

„Die gesamte Königlich Bayerische Rüstungsindustrie war in Ingolstadt angesiedelt“, berichtet Hofmeier. Sie wurde von München und Augsburg hierher verlegt. 17 000 Leute haben hier in der Rüstung gearbeitet. Granaten und Geschützrohre hergestellt. „Das war eine Waffenschmiede hier“, bringt der Dozent es auf den Punkt und wagt eine These: „Dieses Gewehr (die 08/15) hat den Stellungskrieg revolutioniert. Ich glaube, dass der Schützengraben ohne das MG nicht gekommen wäre.“

Seit dem japanisch-russischen Krieg von 1904 bis 1905, bei dem „zum ersten Mal so etwas wie Schützengräben sichtbar werden“, wie Hofmeier feststellt, und den die Japaner mit ihrer Vorwärts-Strategie für sich entscheiden konnten, habe beim deutschen Militär der Vorsatz gegolten: Jeder, der sich verteidigt, verliert. Einen Krieg kann man nur durch Aggression gewinnen. Entsprechend wird Begeisterung für das Gefecht propagiert. Doch die scheint nicht so groß gewesen zu sein, wie es auf manchen Bildern und in Berichten den Anschein hat. Die Realität an der Front war eine andere, weiß Hofmeier: Zwei Millionen deutsche Soldaten sind gefallen. „Schätzungsweise nur eine Million hat man beerdigt.“ Dann die Pferde. Millionen kommen zu Tode und bleiben einfach liegen. „Wer jemals eine tote Maus im Keller hatte, weiß, wie das riecht.“ Der Gestank muss in der Tat bestialisch gewesen sein. „Die Leute haben sich reihenweise übergeben“, so Hofmeier weiter. In den Gräben jagten Hunde die Ratten, und die Soldaten fürchteten auch ohne Beschuss um ihre Gliedmaßen, weil der Fußbrand sie quälte. „144 Schuhgrößen gab es in der Armee“, erzählt Hofmeier. Denn die Stiefel mussten passen. „Nach dem Schlieffenplan sind die Soldaten am Anfang im Durchschnitt täglich 35 Kilometer ins Land marschiert. Mit einem kernigen Gewicht auf dem Rücken“, macht er deutlich. „Die Stiefel durften auch im Schützengraben nicht ausgezogen werden, da man immer mit einem Sturmangriff rechnen musste.“ Drang dann aber Nässe ein und kühlte die Stiefel aus, konnte die gefürchtete Krankheit, die zum Erfrieren der Füße führt, ihren Lauf nehmen.

Die Sonderausstellung „Dieser Stellungs- und Festungskrieg ist fürchterlich“ im Bayerischen Armeemuseum dauert noch bis 3. August 2015.