Ingolstadt
Das Zentrum des Verbrechens

Die Ingolstädterin Carmen Mayer schreibt Krimis – die mittlerweile auch in ihrem Wohnort spielen

26.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:54 Uhr

Nach ihren Lesungen ist Krimiautorin Carmen Mayer gerne bereit, auf Wunsch Widmungen in Bücher zu schreiben - Foto: Hammerl

Ingolstadt (DK) Sie hat „selbst Migrationshintergrund“ und schreibt – unter anderem – Lokalkrimis über einen Kommissar aus Unterfranken, den sie kürzlich mit einem Trick nach Ingolstadt umgesiedelt hat. Carmen Mayer (63), gebürtig aus Mühlacker im Nordschwarzwald, lebt seit 30 Jahren in Bayern. Ihre Wurzeln sind jedoch immer noch zu hören – wozu sie genauso steht wie zu ihren Geschichten: Wenn sie sich mit „Carmen Mayer“ vorstellt, ergänzt die Ingolstädterin gleich: „Ich heiße wirklich so – ich steh’ zu dem, was ich schreibe.“ Ein Pseudonym zu verwenden, käme für sie nicht infrage.

Einen mitreißenden, manchmal so knochentrockenen Humor hat die Frau, dass die Begegnung mit ihr einfach in Erinnerung bleiben muss. Humor spricht auch aus ihren Büchern, selbst dann, wenn das zentrale Thema alles andere als lustig ist: In „Kreuzzeichen“, dem dritten ihrer Kommissar-Braunagel-Krimis, geht es um Kindesmisshandlung und -missbrauch, um wahre Geschichten, die Mayer in ihrer mit zahlreichen Rückblenden arbeitenden Geschichte im Dritten Reich ansiedelt und so verortet, dass keine Rückschlüsse auf Personen zu ziehen sind. Dort auf der Schwäbischen Alb, wo sie das Kinderheim angesiedelt hat, „steht in Wahrheit gar nichts“. Davon hat sie sich höchstpersönlich überzeugt, indem sie gemeinsam mit Ehemann Rudi Mayer, der die eine oder andere kriminelle Idee beiträgt und ihr Chauffeur, Mitleider, Kritiker, Buchhalter und vieles mehr ist, auf die Schwäbische Alb gefahren ist. Dafür fand sie „zwischen Ulm und Stuttgart“ zwei Orte, exakt so, wie sie sie zuvor im Buch beschrieben hatte – der eine evangelisch, der andere katholisch, nur wenige Kilometer entfernt.

„Drei Viertel der Arbeit an einem Buch sind Recherche, ein Viertel ist Schreiben“, sagt sie, wobei eines ins andere fließe. Selbstverständlich ist für Mayer beispielsweise, im Internet nachzuforschen, wie das Wetter an bestimmten Tagen am Ort ihres fiktiven Geschehens war. „Denn irgendein Leser hat sicherlich genau an dem Tag Geburtstag und weiß, wie das Wetter wirklich war“, sagt sie.

Der erste Kommissar-Walter-Braunagel-Krimi spielte in Würzburg. Auch wenn es, wie Carmen Mayer sagt, „ein bisschen blöd ist, über einen Ort zu schreiben, den man nicht kennt“. Dem halfen die Mayers schließlich mit einer Reise nach Unterfranken ab. „Rudi ist gefahren und ich hab’ das Mittagessen bezahlt“, erzählt die Ingolstädter Autorin lächelnd. In Würzburg hatte sie ihren Helden eigentlich nur deshalb angesiedelt, weil es im ersten Buch „Eiswein“ um einen Winzer gehen sollte. Und den in Ingolstadt zu finden, ohne dass jeder Leser zu wissen meint, um wen es gehe, das erschien ihr unmöglich. Es folgte „Zwölfnächte“, ebenfalls mit Walter Braunagel und seinen Kollegen.

Warum Lokalkrimiautoren immer dieselben Ermittler bei ihren Fällen begleiten, erklärt Mayer damit, dass es aufwendig sei, so eine Figur aufzubauen. Ist sie erst einmal da, „dann hat man sie“. Wie in vielen Lokalkrimis üblich, ist ihr Kommissar eine Type mit privaten Problemen, doch die bleiben vergleichsweise dezent im Hintergrund. Mayers Sprache ist bildreich, ausdrucksstark, aber keineswegs blumig, sie schreibt interessant, flüssig, auch lange Sätze stets klar und leserfreundlich strukturierend.

Zu dumm nur, dass sie ihren Kommissar zwar hatte, aber eben in Würzburg, während sie selbst ja in Ingolstadt lebt, was sich auf Dauer als unpraktisch erwies. Also wurde Braunagel für „Kreuzzeichen“ umgesiedelt, was gar nicht so einfach war. Damit das auch dienstrechtlich funktioniert, hat sie sich Rat beim früheren Ingolstädter Polizeisprecher Heinz Rindlbacher, der sie bei allen Fragen rund um Polizeiarbeit beraten hat, geholt. Für „Zwölfnächte“ brauchte sie dann als Ratgeber noch einen Pathologen. Ihr Hausarzt vermittelte ihr schließlich Helmut König. Seine Sprechstundenhilfe sei beim ersten Kontakt völlig fertig gewesen, erzählt Mayer. Sie hatte nämlich auf die Frage, worum es denn gehe, der Sprechstundenhilfe geantwortet: „Wenn nächste Woche in Ingolstadt ein Mord passiert, dann war das Ihr Chef – und Sie sind Mitwisserin.“ Der Pathologe reagierte dagegen, als er davon erfuhr, mit Humor darauf.

Nur einmal hat es der schlagfertigen 63-Jährigen offenbar selber die Sprache verschlagen – als sie auf der Buchmesse in Leipzig plötzlich Ken Follett gegenübersaß und vor lauter Überraschung vergaß, sich ein Buch von ihm signieren zu lassen. Wann der nächste Krimi herauskommt, verrät sie noch nicht. In Arbeit hat sie einen weiteren Kommissar Braunagel, einen weiteren Mühlacker-Kurzkrimi und wieder einen historischen Roman. Momentan aber legt sie eine Schaffenspause nach einer Knie-OP ein. Eigentlich hätte ihr das ja Zeit zum Schreiben bescheren müssen, doch hat sie „festgestellt, dass Knie und Hirn zusammenhängen“.