Drei
Alle Fäden in der Hand

23.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:45 Uhr

Die Ingolstädterin Veronika Bergmann ist für die Tontechnik der Puppenbühne zuständig und übernimmt Sprechrollen wie die der Ameise in ihrer Hand. - Foto: Richter

Holzheim/Ingolstadt (DK) Drei Frauen aus Holzheim betreiben eine viel beachtete Marionettenbühne. Alles dreht sich um den kleinen Kobold Uggl. Bühnenbild, Geschichten, Kostüme und Puppen entstehen in Eigenregie und kommen bei Groß und Klein gut an.

Immer diese verflixten Ameisen. Dermaßen lästig! Laufen einem frech mitten durch die Wohnung oder in diesem Fall durch die Höhle. Der Kobold Uggl regt sich mächtig auf. "Die vergifte ich", denkt er sich. Doch ehe er sich's versieht, hat die Oberfee ihn geschrumpft - so klein hat sie ihn gezaubert, dass er kaum größer als eine der vielen Ameisen wirkt, die ihn gerade noch geärgert hatten. Oh Schreck!

Aber die flinken Krabbeltiere sind gar nicht so böse, wie Uggl meint. Er hört von ihnen, dass sie als durchaus nützlich gelten. Unermüdlich räumen sie im Wald auf und lockern den Boden. Der Kobold zeigt sich mächtig beeindruckt. Am Ende, wen wundert's, schließt er gar Freundschaft mit den Ameisen, und sie retten ihn aus tödlicher Gefahr. Eine von bisher einem Dutzend Geschichten der Uggl-Marionettenbühne.

Drei Frauen sind die Seele dieses kleinen, aber feinen Puppentheaters. Beheimatet ist das Uggl-Theater in Holzheim, einem 1100-Seelen-Dorf genau in der Ecke, wo die Landkreise Neuburg-Schrobenhausen, Aichach und Donau-Ries zusammenstoßen. Christine Forster (55), ihre Schwägerin Sabine Forster (41) und Cornelia Wünsch (52) gelten als die Mütter des Kobolds mit den wirren Haaren. Alle drei haben beruflich mit Kindern zu tun: Sabine Forster arbeitet als Tagesmutter, ihre Schwägerin ist Kindergartenleiterin und Cornelia Wünsch Kinderpflegerin. Die Ursprünge des Puppentheaters gehen auf eine Abschiedsfeier vor über zwölf Jahren für eine Kollegin zurück. Für sie führten Cornelia Wünsch und Christine Forster ein Puppentheaterstück auf: "Der Drache mit der goldenen Schuppe", hieß es. Der Kobold spielte noch keine Rolle.

Was damals als einmalige Aufführung geplant und noch recht improvisiert war, entwickelte sich rasch zum Geheimtipp. "Es hat den Leuten so gefallen, dass wir gefragt worden sind, ob wir nicht weitermachen wollen", erinnert sich Cornelia Wünsch. So wurde der kleine Uggl geboren, ein Fabelwesen, das Christine Forster aus erfundenen Geschichten ihrer Mutter kannte. "Sie hat uns immer von dem kleinen Kobold und seinen Abenteuern erzählt." Nun sollte er also Gestalt annehmen. Als weitere "Geburtshelferinnen" der Figur betätigten sich unter anderem Barbara Andraschko und Kunigunde Ruisinger. Der freche Kerl bekam ein Gesicht.

"Uggl aus der Höhle" lautete der Titel des ersten Stücks, und es geht darin um eine Erfahrung, die jedes Kind aus der Ferienzeit kennt: Der Kobold sitzt herum und langweilt sich ganz fürchterlich. Das ändert sich freilich ganz schnell, als aus dem Nichts eine Fee auftaucht und ihm durch ein Geschenk zu allerlei Abenteuern verhilft. Ein fröhliches Stück mit Musik, in dem alle ihren Spaß haben: die Puppen in der Geschichte auf der Bühne, die Frauen mit den Fäden in der Hand und nicht zuletzt das junge Publikum.

Bühnenbild, Figuren, Kostüme und Stücke - bei den Macherinnen der Uggl-Bühne entsteht alles in Eigenregie. Cornelia Wünsch erfindet Geschichten ("Das Leben soll sich darin widerspiegeln"), die beiden anderen hauchen den Gestalten die Seele ein. Ehemänner, Lebenspartner und andere im Ort helfen fleißig mit. Knapp 100 Puppen existieren inzwischen, alle liebevoll aus Holzmaschee selbst hergestellt. "Wir haben das erst lernen müssen, anfangs sind uns Teile abgebrochen, wenn sie zu filigran waren", erzählt Christine Forster. Solche Probleme möchte man kaum glauben, so professionell gemacht, wie die Gestalten am Ende aussehen. Neben dem Kobold gibt es "Quecks", den Frosch, "Miri", die Mistkäferdame, "Reginald", den Drachen, "Mirnixdirnix", den Außerirdischen, "Joe Cool", den Reggae-Man, "Pimpernell", den Zwerg, "Isidor von Rattenloch" als bösen Zauberer und wie sie sonst alle heißen. Die Kulisse ist auf Betttücher gemalt. Ansprechend und bunt. Warum kompliziert, wenn es einfach geht?

Die Kulisse bedeutete zu Beginn dennoch eine Plagerei, bis alles passte. "Der Bühnenaufbau hat manchmal drei Stunden gedauert", sagt Christine Forster. Inzwischen existiert im hinteren Teil ihres Hauses eine kleine, fest eingerichtete Spielstätte. Und für unterwegs - das Uggl-Theater ist zur gefragten Einrichtung geworden - gibt's eine mobile Bühne aus wenigen Teilen; sie lassen sich schnell verbinden. Dazu die Beleuchtung und moderne Tontechnik, die Puppenspielerinnen haben über die Zeit viel angeschafft.

Eine junge Ingolstädterin gehört ebenso zum Team, neben den vielen anderen Helfern hinter den Kulissen. Veronika Bergmann ist für den Sound zuständig. Und für die bairisch-zünftige Sprache in manchen Stücken. Denn hier in Holzheim, wo es langsam Richtung Augsburg geht, lässt sich der schwäbische Einschlag der übrigen Beteiligten nicht verleugnen. "So ein richtiges Oberbairisch macht da zur Auflockerung schon was her", findet Christine Forster. Die 23-jährige "Vroni" beherrscht den Schanzer Dialekt im Gegensatz zu vielen anderen jungen Leuten in Ingolstadt noch wirklich gut. "Meine Schwester ist in Holzheim verheiratet, so habe ich die Bühne kennengelernt", sagt sie. Inzwischen lebt Veronika Bergmann in Schottland, nutzt aber jeden Heimaturlaub, um die Puppenspieler zu unterstützen.

Die Stücke der Uggl-Bühne sind inhaltlich kein Klamauk. Untermalt mit Musik und Gesang vermitteln sie den Kindern, dass es im Leben nicht nur Sonnenschein gibt. Da geht es viel um Emotionen, um Freude, Trauer, Streit, Wut oder um Umweltzerstörung, aber auch um die Liebe. Sie zeigen zugleich, dass sich Probleme meist lösen lassen, sofern man sich darum bemüht - und wenn man gute Freunde hat. Uggl musste schon Risse zwischen Traumwelt und Wirklichkeit kitten und zahlreiche Gefahren meistern oder Abenteuer in Afrika, im Weltall, im Drachenland und im Zauberwald bestehen. Im aktuellen Stück haben die Marionettenspielerinnen den Tod thematisiert, nachdem voriges Jahr drei Menschen im Ort aus dem Leben gerissen worden waren. Das "Sternenkind" droht darin zu sterben. Wird der Kobold das zu verhindern wissen?

Die Bühne hat sich in wenigen Jahren einen Namen gemacht und ist unter anderem im Augsburger Kulturhaus Abraxas zu sehen. Ihr Engagement wurde zuletzt von der Sparkasse Neuburg-Rain mit dem Lachner-Kulturpreis honoriert. Bei der Verleihung standen Ehrengäste und Veranstalter mit Vertretern bis hinauf in die Vorstandsetage der Bank singend und hüpfend im Saal - selbst Erwachsene können sich offenbar der Faszination des kleinen Kobolds nicht entziehen.