Ingolstadt
Auf der Industriebrache geht die Angst um

Mögliche Sanierung des Weinzierlgeländes: Ansässige Firmen befürchten ein überstürztes Aus

23.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:10 Uhr
Vereinigte Hüttenwerke: Das Sammelsurium von Hallen auf dem Weinzierlgelände (hinten links das Kletterzentrum des Alpenvereins) schreit förmlich nach Veränderungen. Doch auch die hier untergebrachten Firmen haben ihre Existenzberechtigung und möchten nicht von heute auf morgen verdrängt werden. −Foto: Eberl

Ingolstadt - Auf dem früheren Weinzierlgelände zwischen Donau und Baggerweg nahe der Staustufe stehen in den kommenden Jahren womöglich die von vielen Bürgern lange erwarteten Veränderungen an.

Nachdem die CSU die Entwicklung dieses Uferstreifens hin zu einem Freizeitgebiet zu einem der auffälligsten Punkte ihres Kommunalwahlprogramms gemacht hat (DK berichtete am Dienstag), gehen allerdings auch auf dem Areal beheimatete Firmen mit ihren Sorgen an die Öffentlichkeit: Gegenüber dem DK haben einige Unternehmer ihren Eindruck geschildert, von der Stadt regelrecht überrumpelt und womöglich kalt abserviert zu werden.

Das Weinzierlgelände gehört in weiten Teilen bereits der Stadt, nur der westliche Zipfel ist als Standtort der Firma Transportbeton Ingolstadt (TBI) in privater Hand und würde von den Plänen der CSU demzufolge auch (zumindest kurz- bis mittelfristig) nicht berührt. Auf der kommunalen Fläche befinden sich, über mehrere Gebäude verteilt, Büro-, Lager- oder Werkstatträume einer guten Handvoll Unternehmen und einiger Vereine. Der Alpenverein mit seinem großen Kletterzentrum ist sicher bekanntester Mieter der Stadt.

Gemeinsam mit den Vereinen möchte die CSU, wenn sie es denn im künftigen Stadtrat durchsetzen kann, die Entwicklung des Geländes zu einem Freizeitgebiet mit Sportangeboten anpacken. So hat es jedenfalls OB Christian Lösel bei Vorstellung des Wahlprogramms erklärt - und damit den betroffenen Unternehmen signalisiert, dass nach jahrzehntelanger Hängepartie nun doch recht schnell vieles anders werden könnte auf der Industriebrache im Südwesten. Das hat die Betroffenen endgültig aufgeschreckt, zumal sie in den vergangenen Monaten schon einige Vorzeichen für Veränderungen vernehmen konnten.

Zum einen hat das Liegenschaftsamt als zuständiger Vertragspartner der Betriebe und Vereine Ende vergangenen Jahres nach schriftlicher Vorankündigung vielen Mietern das Wasser abstellen lassen, damit die verschiedentlich vorhandenen Sanitäranlagen nicht mehr benutzt werden können. Hintergrund ist, dass das Wasserwirschaftsamt als im Uferbereich der Donau zuständige Aufsichtsbehörde darauf gedrungen hat, den baufälligen Abwasserkanal des Geländes zu sperren. Es kann demnach nicht mehr verantwortet werden, Schmutzwasser durch die marode Röhre abzuleiten.

Den betroffenen Mietern wurden ersatzweise Toilettencontainer aufs Gelände gestellt - allerdings auch nicht allen. Ein Bauunternehmer berichtet, dass in seinem Mietvertrag nur von einer Hallennutzung die Rede ist, für die Stadt also ein in einem Bürotrakt vorhandenes WC quasi nicht existent ist und demzufolge auch kein Ersatz geschaffen wurde. Die Leute vom Bau dürfen sich deshalb jetzt, wenn's zwickt, bei duldsamen Nachbarn anstellen.

Zum anderen hat eine Episode, die über die vergangenen Wochen unter den Mietern und ihren Beschäftigten die Runde gemacht hat, den Eindruck verstärkt, dass ihre Tage auf dem Gelände gezählt sein könnten: An einem Abend im vergangenen Dezember, so hat es ein in einer Werkstatthalle der Werbefirma Belo mit eigenen Bastelarbeiten beschäftigter Bekannter des Unternehmers berichtet, habe er einen ihm unbekannten Herrn angesprochen, der das Gelände in Begleitung von Ehefrau und Hund inspiziert habe. Der nicht angekündigte Besucher habe sich dann als Dr. Ebner, Umweltreferent der Stadt, zu erkennen gegeben, der "hier alles zu entscheiden" habe, so die Wortlauterinnerung des Mannes. Ebner soll dieser Schilderung zufolge dann erwähnt haben, dass auf dem Gelände der Stadt "demnächst alles abgerissen" werden könnte.

Belo-Chef Paul Freitag hat dem DK gegenüber betont, dass ihm die Geschichte von seinem Bekannten so erzählt worden ist. Er habe sich am Mittwoch in Erwartung eines Gesprächs mit der Presse eigens noch einmal rückversichert, und sein Bekannter bleibe bei dieser Darstellung. Freitag, der seine Werkstatt am Baggerweg seit rund 15 Jahren betreibt, zeigt sich stark verunsichert: "Man hatte uns damals gesagt: Da könnt ihr ewig bleiben. "

Rupert Ebner bestätigte dem DK gestern auf Anfrage seine abendliche Inspektionstour auf dem Weinzierlgelände, verwahrt sich aber entschieden gegen Darstellungen, nach denen er konkrete Angaben zu Zeitpunkt und Art von Veränderungen gemacht haben soll. Hier könne wohl nur eine Fehlinterpretation vorliegen. Er habe seinem Gesprächspartner, der in der Halle historische Fahrzeuge restauriert habe, nur zu verstehen gegeben, dass dieser ein bestimmtes Modell, für das er noch einige Jahre an Arbeit veranschlagt habe, wohl nicht mehr an Ort und Stelle fertig bekommen werde - mehr nicht.

Dass er als Umweltreferent für Projekte aller Art vorgesehene Flächen auch schon mal in seiner Freizeit in Augenschein nehme, sei gängige Praxis, so Ebner. Das Weinzierlgelände falle sogar gleich in doppelter Hinsicht in seinen Zuständigkeitsbereich, weil auch das städtische Umweltamt hier eine Lagerhalle nutze.

Was die jetzt von der CSU offenbarten Ideen für dieses Gelände angeht, so zeigt sich Ebner auf jeden Fall aufgeschlossen. Der Referent, der den Grünen angehört, sieht den Vorstoß der Christsozialen sogar als Bestätigung eigener Gedanken, die er schon vor Jahr und Tag geäußert habe. Es könne aber nur um ein Vorgehen mit Maß und Ziel gehen.

Niemand bei der Stadt habe ein Interesse daran, die ansässigen Firmen von heute auf morgen zu verdrängen, so Ebner. Sollte es zu einer Stadtratsinitiative Richtung Freizeitgebiet kommen, seien beizeiten vernünftige Gespräche gefragt - am besten gleich zwischen den Mietern und der städtischen IFG, die bei der Absiedelung von Betrieben sicher der beste Ansprechpartner sei.

Der Umweltreferent verdeutlicht, dass die Abwassersituation auf dem Areal kritisch ist und das Wasserwirtschaftsamt deshalb zuletzt Druck gemacht habe. Eine Sanierung des undichten Kanals würde demnach mehrere Millionen Euro kosten. Das sei angesichts einer politisch gewollten Veränderung bei der Geländenutzung kaum darstellbar. Wenn im Zuge einer Umnutzung über neue Gebäude nachgedacht werden müsse, dann sicher auch über künftige Abwasserlösungen und über eine Bauweise, die den gelegentlich drohenden Überschwemmungen in diesem Uferbereich der Donau gerecht werde.

Das große Donau-Hochwasser von 1999 hatte seinerzeit noch bestehende Pläne für eine dichte Bebauung des Weinzierlgeländes zunichte gemacht. Seither hatte es immer wieder politische Vorstöße gegeben, diesen Uferstreifen zu renaturieren, so auch von der SPD. Sollte es in der neuen Stadtratsperiode nun tatsächlich zu Veränderungen kommen, dürften auch Bodensanierungen ein Thema werden, weil offenbar Abfallablagerungen aus früheren Jahrzehnten bestehen. Rupert Ebner ist sich deshalb sicher: "Das hängt auch von den künftigen Streuereinnahmen der Stadt ab. Für 2,50 Euro ist das sicher nicht zu haben. "

DK

Bernd Heimerl