Wendelstein
Starke Synthese von Klavier und Saxofon

Heinrich Hartl und Markus Rießbeck ergänzen sich wunderbar bei Auftritt in der Jegelscheune

14.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:18 Uhr

Mit viel Inbrunst spielt der Pianist und Komponist Heinrich Hartl beim Konzert in der Jegelscheune. - Foto: Unterburger

Wendelstein (ub) Beim letzten Konzert vor dem Festival "Jazz & Blues Open" gastierten Heinrich Hartl und Markus Rießbeck in der Jegelscheune. Im Mittelpunkt standen Eigenkompositionen des Nürnberger Komponisten und Pianisten Heinrich Hartl, der von Geburt an blind ist. Markus Rießbeck am Saxofon erwies sich als kongenialer Partner seines Kollegen Hartl. Das Publikum bedachte die beiden Künstler mit großem Applaus.

Mehrere Preise zeugen davon, dass der 1953 geborene Heinrich Hartl ein bedeutender Komponist und Pianist ist, dessen umfangreiches kompositorisches Schaffen weit über die Metropolregion hinaus strahlt.

Auch der Saxofonist und Klarinettist Markus Rießbeck, geboren 1966, trat schon mehrfach in verschiedenen Formationen in der Jegelscheune auf. Im kompositorischen Schaffen Hartls spielt das Saxofon eine besondere Rolle. Er bindet dieses Instrument mit seinen vielen Ausdrucksfacetten konsequent in seine musikalischen Ausdrucksformen ein und stützt sich darauf, dass das Saxofon sowohl lyrisch verträumt, aber auch geradezu explosiv sein kann und die Musik antreibt und vorwärtstreibt sowie rhythmisch elementare Kräfte freisetzen kann.

Zunächst präsentierte Heinrich Hartl einige Klavierkompositionen, die vor allem die lyrisch-poetische Seite des Klaviers hervorhoben. So arbeitete das vielgestaltige Stück "All meine Gedanken" mit bewussten Disharmonien und jazzigen Anleihen. Hartl breitete ein kompliziertes Klanggeflecht über die Zuhörer aus. Hochgeschwindigkeitspassagen standen im schnellen Wechsel mit nachdenklichen, langsamen Einschüben, harten und sehr weichen Anschlägen und einem schnell wechselnden Thema mit vielen Variationen. Gedankenverloren sucht Heinrich Hartl für sich Momente der Stille, die er in seiner Musik findet.

Sehr meditativ und melancholisch klang auch Hartls Hommage an ein 17-jähriges jüdisches Mädchen, das Selma hieß, Gedichte schrieb und im Konzentrationslager ermordet wurde. Heinrich Hartl trug ihr Gedicht "Sehnsuchtslied" vor. Zu diesem Gedicht hat er einen Klavierzyklus, bestehen aus vier Stücken, geschrieben: "Illusion", "Verzweiflung", "Frage nach dem Sinn" und "Illusion". Diese Musik ist geprägt von düsteren, kraftvollen Klängen, Staccatos, schneller Begleitung und sperrigen Tonfolgen.

Hartl hat auch eine "Meditation über das Phänomen des Heiligen Geistes" für Oboe, Altquerflöte oder Sopransaxofon in Töne gegossen. Markus Rießbecks Solovortrag auf dem Saxofon sorgte für Sonderapplaus. Komplizierte Tonfolgen, scharfe Tonsprünge, Atonalität und überraschende Oktavensprünge erforderten allerhöchste Konzentration.

Einen weiteren Klavierzyklus stellte Heinrich Hartl unter das Motto: "Nur das Erfundene bleibt schön. Alles andere erfüllt der Schleier der Vergänglichkeit." Dieses Werk opus 122 gliederte Hartl in vier Sätze: "Unruhige Tage", "Der Schneekuss", "Einsame Nacht" und "Die Beiden".

Nach der Pause überraschte Heinrich Hartl das Publikum mit leichteren, mehr ins Ohr gehenden Werken. So stellte er eine bemerkenswerte Bearbeitung des bekannten "Kanons" von Johann Pachelbel (1653- 1706) vor. Johann Pachelbel war der wohl bedeutendste Nürnberger Komponist und Organist der Barockzeit. Der Pianist und der Klarinettist spielten hier exzellent zusammen. Während Hartl die Melodie vorgab, improvisierte Rießbeck - und das Ganze erwies sich als eine tolle Interpretation alter Musik. "Johann Pachelbel war auch berühmt für den Verzehr von Bratwürsten", erzählte Heinrich Hartl, "so soll er 15 Stück nach einem Hochamt gegessen haben."

Es folgten "Eine Sonate für Altsaxofon" mit den vier Sätzen "Dialog", "Abschied", "Chromatisches Thema" und "Bretonischer Tanz" , eine Hommage an Franz Schubert sowie ein "Tango Piazolla", benannt nach dem argentinischen Komponisten und Bandoneonspielers Astor Piazolla, dem Begründer des Tango Nuevo.

Als Zugabe spielten die beiden Musiker den "Lou-mi-gäih"-Blues nach einem Gedicht von Fitzgerald Kusz, wobei Markus Rießbeck die Bühne verließ und im Publikum weiterspielte. Dass die beiden Nürnberger auch Humor verstehen, bewiesen sie mit ihrer "Mund-Posaune", mit der sie zweistimmig das Volkslied "Am Brunnen vor dem Tore" vortrugen und das Publikum mit einem Lächeln in die Nacht schickten.

Heinrich Hartl und Markus Rießbeck überzeugten durch Virtuosität und hohes Können. Klavier und Saxofon gingen eine hervorragende Synthese ein. Die beiden Instrumente ergänzten sich auf wunderbare Weise.