Hilpoltstein
Zwischen Titanic und Toccata

Neue Goll-Orgel in der Hilpoltsteiner Stadtpfarrkirche eingeweiht - Zimbelschellen erklingen zum Abendmahl

26.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:09 Uhr
Beda Maria Sonnenberg , Abt der Benediktinerpartei Plankstetten, weiht die neue Orgel feierlich ein. −Foto: Leykamm

Hilpoltstein (HK) Auf diesen Augenblick haben die katholischen Gläubigen Hilpoltsteins viele Jahre gewartet, gestern nun fand das lange Sehnen seine Erfüllung: Die neue Orgel in der Stadtpfarrkirche wurde feierlich eingeweiht und auch das erste Mal gespielt.

Vielfach reckten sich die Blicke begeistert hinauf zur zweiten Empore, viele konnten ihren Ohren allein nicht trauen. Zu schön war es, was von oben herab erklang. Ob da nun der emeritierte Professor Martin Bernreuther als amtlicher Orgelsachverständiger der Diözese und Domorganist in die Tasten griff und die Fußpedale bewegte - oder die hiesige Organistin Christiane Hummel: Das Instrument wusste in beiden Fällen, seine klangliche Schönheit vollends zu entfalten.

Die Musikerin geriet sogar ins Schwärmen. "Eine solch perfekte Mechanik habe ich noch nie gespielt. Der Ton lässt sich wunderbar formen", sagte Hummel, die der neuen Königin der Instrumente des Gotteshauses größte Sensibilität bescheinigte. Dem Domorganisten der Diözese Eichstätt gebührte natürlich das erste Spiel. Eine Aufgabe, die er sehr geschickt löste und so manches klassische Zitat mit eigenen Improvisationen verquickte. Die berühmte Toccata in d-moll von Bach durfte da nicht fehlen.

Das wollten sich viele Kirchenbesucher nicht entgehen lassen und so war das Gotteshaus beinahe voll besetzt. Nur die zusätzlich bereitgestellten Stühle im Mittelgang blieben weitgehend leer. Doch vor dem ersten Orgelklang selbst galt es, die "Königin im Dienste der Liturgie" (Bernreuther) zu weihen. Nach dem Weihegebet die Weihrauchbürste zu schwingen war der Abt der Benediktinerpartei Plankstetten auserkoren, Beda Maria Sonnenberg.

Warum er dabei mit höchster Sorgfalt vorging, verriet er später in der Predigt: "Ich war bemüht, die Pfeifen nicht nass zu machen", denn die sind bekanntlich sehr empfindlich - sie nicht zu berühren ermahnt eigens ein Schild. Vor den predigenden Worten des Abtes durfte Bernreuther zur Tat schreiten und im wahrsten Sinn des Wortes "alle Register ziehen". Im Wechsel mit Hummel ließ er das Werk aus dem Hause der Luzerner Firma Goll zum ersten Mal klanglich erstrahlen. Besonders eindrücklich geriet dies bei einer Vertonung des Psalmes 23: gesungen vom Kirchenchor und musikalisch unterstützt von einigen Blechbläsern der Stadtkapelle. Die Sängerschar wurde dabei übrigens von Regionalkantor Peter Hummel, dem Ehemann der Organistin, geleitet - die eigentliche Dirigentin Maria Schmidt ist vor wenigen Tagen Mutter geworden.

Ans Ende des Lebens führte der Abt dann hingegen die erstaunte Gläubigenschar und erinnerte doch tatsächlich an den vor 20 Jahren erschienenen Film "Titanic". Genauer gesagt an jene Szene, in der die Passagiere mit dem Tod ringen und die Bordkapelle "Näher, mein Gott, zu Dir" intoniert. "Etwas Titanic liegt auch heutzutage in der Luft", spielte er unter anderem auf die politische Situation nach der Bundestagswahl an. Der Abt erinnerte zugleich an die Heilige Cäcilie, derer man als Patronin der Kirchenmusik erst vor wenigen Tagen gedachte. Bilder zeigen die Märtyrerin oft in Verbindung mit einer Orgel, "von den Schwingen der Musik getragen", sagte der Abt. Sie sei Ausdruck der Gegenwart des dreifaltigen Gottes, betonte der Seelsorger. "Das Schreien verwandelt sich im Raum des Glaubens in Gesang", formulierte Sonnenberg.

Das war das Stichwort für Bernreuther, der diesen Satz gleich ausdrucksstark am königlichen Instrument spielenderweise mit ein paar Takten unterstrich. Ein Wechselspiel, das sich einige Male wiederholte und den Weg des Klagens zur heiteren Gelassenheit durch die Musik als Verbindung zu Gott nachzeichnete.

"Musik verwandelt", brachte es der Abt auf den Punkt. Und genau deswegen sei es gut, eine Orgel gerade in schwierigen Zeiten einzuweihen. Beim Singen wiederum falle auf, wie sich nach und nach die Stimme ändere und damit auch die Stimmung. Diese Kraft der Veränderung "können Sie von hier mitnehmen, damit Sie auch jenseits der Kirchentür als gelöste Christen erscheinen". Kurz darauf war es wieder das Orgelspiel, das das Gesagte unterstrich. Diesmal in Kombination mit dem gesungenen Glaubensbekenntnis, das tröstlich und stärkend wirkte. Gerade die dezenten Registertöne kamen hier wunderbar zur Geltung.

Gleiches galt dann auch für die Melodien zum Abendmahl. Etwas unverhofft wurden die Gläubigen dabei an Weihnachten erinnert. Denn fast in "Jingle-Bells"-Manier erklangen beim Griff in die Tasten plötzlich Zimbelschellen als akustischer Effekt - ein Geschenk der Firma Goll, zu der die Kirchenverwaltung 2015 Kontakt aufgenommen hatte.

Nach intensiven Absprachen auch mit den Denkmalpflegern hatten sich die Spezialisten aus der Schweiz daran gemacht, die historische Orgelfront aufzufrischen, die Schleier neu zu fassen und zu vergolden. Die Marmorierung von Teilen des Gehäuses galt es dem ursprünglichen Aussehen gemäß ebenso zu vollziehen.

Dabei musste auch den beengten Platzverhältnissen Rechnung getragen werden. So wurde etwa auch der Spieltisch wieder - wie es auch im Originalzustand einst gewesen war - im Unterbau des Instruments angebracht. Bestechend ist das Klangspektrum. "Wir haben für die Disposition eine reichhaltige Klangpalette mit insgesamt 28 Registern vorgeschlagen", verwies Orgelbauer Simon Hebeisen von der Firma Goll auf die eigene Arbeit. "Jede einzelne der 1442 Pfeifen wurde vor Ort in der Kirche minuziös auf die akustischen Gegebenheiten angepasst, so dass sich nun ein homogenes Klangbild ergibt - von den leisesten Pianissimoklängen bis hin zum raumfüllenden und kraftvollen Plenum," erklärte Hebeisen den Hintergrund für die charismatische Ausstrahlung des Instruments. Den Reichtum an Klangfarben würdigte am Ende des Einweihungsgottesdienstes auch Stadtpfarrer Franz-Josef Gerner. Für ihn sei die Verwirklichung des Orgelprojekts ein Zeichen dafür, dass "die Pfarrei voller Elan und im Lobpreis Gottes" nach vorne blickt.