Hilpoltstein
"Tsipras zu wählen, war der größte Fehler"

Alexia Dolgira und Vassiliki Makrigianni aus Hilpoltstein blicken mit Sorge in ihre Heimat Griechenland

01.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:07 Uhr

Leidet mit ihren Landsleuten: Alexia Dolgira befürchtet, dass die Krise in Griechenland noch lange anhalten wird. - Foto: Enzmann

Hilpoltstein (HK) Alexia Dolgira und Vassiliki Makrigianni sind zwei von 226 Griechen im Landkreis Roth. Beide sind längst in Hilpoltstein verwurzelt. Ein Großteil ihrer Familien lebt jedoch in Griechenland. Die Frauen beobachten mit Sorge, wie ihr Heimatland immer tiefer in die Krise schlittert.

„Schade, dass sich die Situation so verschärft hat“, sagt Dolgira. „Ich lebe zwar schon seit 27 Jahren in Deutschland, aber mir tut es weh, wenn ich höre, was dort zurzeit los ist.“ Wie sehr die griechische Bevölkerung unter der Krise zu leiden hat, könne man sich bei uns gar nicht vorstellen, da in den Medien kaum darüber berichtet wird, sagt Makrigianni.

Die 33-Jährige, die mit ihrem Mann das Restaurant Delphi in Hilpoltstein betreibt, stammt aus Trikala. Als sie von ihren Erfahrungen aus der rund 70 000-Einwohner-Stadt erzählt, kommen ihr fast die Tränen. „Ich weiß von einer jungen Mutter, die ihr Kind in ein Heim geben musste, weil sie nicht genügend Geld hatte, um es zu ernähren.“ Das Kind wollte unbedingt zurück nach Hause. „Mama, ich sage nie wieder dass ich Hunger oder Durst habe, wenn ich zurück nach Hause darf“, habe es unter Tränen gesagt. Doch die Mutter konnte es nicht zurücknehmen.

Nur ein Beispiel, das zeigt, wie schlecht es großen Teilen der Bevölkerung geht. Die Löhne seien rapide gesunken, berichtet Makrigianni weiter. Ihr Koch sei erst vor ein paar Tagen zurück aus Griechenland gekommen. „Sein Sohn hat früher als Automechaniker rund 1000 Euro Monat verdient, heute sind es noch 384.“ Alleine der Strompreis sei zuletzt deutlich nach oben gegangen. Etwa 250 Euro zahlten die Griechen monatlich dafür. Geld zum Leben bleibe kaum. Rund 2,5 Millionen Menschen seien derzeit ohne Arbeit, berichtet Makrigianni. 1,5 Millionen seien täglich auf eine Hilfsorganisation angewiesen, um an Essen und Trinken zu kommen. Rund 800 000 Menschen lebten auf der Straße. „Familien, denen am Abend Essen übrig bleibt, verpacken es in eine Tüte und hängen es draußen neben den Müll, damit andere es noch essen können“, erzählt Makrigianni. Geld fehlt aber nicht nur für Lebensmittel, sondern an allen Ecken und Enden. „Im Krankenhaus zum Beispiel. Die gesamte Medizin und alles was sie brauchen, müssen die Patienten selbst bezahlen.“

Themen wie diese würden in den deutschen Medien allerdings kaum aufgegriffen. Stattdessen werde gefragt, ob die Griechen faul sind. „Glauben Sie mir, die meisten Griechen machen zwei oder drei Jobs gleichzeitig, sonst kämen sie nicht über die Runden.“

Für die 33-Jährige trägt Regierungschef Alexis Tsipras große Schuld an der aktuellen Situation. Ein griechisches Sprichwort lautet, „die anderen müssen jetzt die Schlange aus der Grube holen“, sagt Makrigiannis. „Das bedeutet, die Bevölkerung darf jetzt ausbaden, was er uns eingebrockt hat. Ihn zu wählen, war der größte Fehler“. Dass die Regierung nun die Bevölkerung über die Reformauflagen der Gläubiger abstimmen lässt, findet sie nicht gut. „Ich hoffe, dass Griechenland den Forderungen der Geldgeber zustimmt, sonst geht es bankrott.“ Allerdings glaubt sie, dass ein Großteil der Bevölkerung dagegen stimmt. „Denn die Leute befürchten, dass die Regierung dann die Akropolis und vielleicht sogar Inseln verkaufen würde.“

Nicht ganz so dramatisch wie in den Städten stellt sich offenbar die Lage auf dem Land dar. Das berichtet Alexia Dolgira, deren Verwandte in einem Dorf in der Nähe von Larisa leben. „Dort müssen die meisten Leute wenigstens keine Miete bezahlen, da sie ein Haus besitzen.“ Doch auch die 38-Jährige erzählt von sinkenden Löhnen: „Die Bauern bekommen für den Tabak längst nicht mehr so viel wie früher.“ Das Schlimmste was dem Land passieren könne, sei, wenn die Drachme zurück komme. „Dann wäre das ganze Vermögen nur noch die Hälfte wert.“ Ihre Verwandten werden trotzdem gegen die Forderungen der Geldgeber stimmen. „Sie haben Angst, dass ihr Lohn und ihre Rente sonst noch weiter gekürzt werden.“