Hilpoltstein
Millimeterarbeit für den Showdown

Uwe Heller baut ein Spiel, bei dem Blinde um den Sieg kämpfen – Deutscher Vizemeister aus Meckenhausen

28.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

Hundertprozentig im rechten Winkel: Uwe Heller aus Altenfelden ist der einzige deutsche Hersteller von Showdown-Platten (oben). Die Anregung zum Bau kam vom deutschen Vizemeister im Showdown, Jürgen Beer aus Meckenhausen (rechts). Und wie so ein Spiel aussieht, zeigt eine Aufnahme im Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte in Nürnberg - Fotos: Bader, Heuer, privat

Hilpoltstein/Altenfelden (HK) Eine Art Tischtennisplatte mit 14 Zentimeter hohen Banden, ein Hartkunststoffball, in dessen inneren Metallstifte rasseln und ein 23 mal 9 Zentimeter großer Schläger aus Holz: Das ist Showdown, ein Spiel, das fast ausschließlich von Blinden gespielt wird. In Altenfelden werden die Platten gebaut.

Hilpoltstein (HK) Mit bis zu 150 Kilometern pro Stunde rauscht ein gelber Ball über die Tischplatte. Zu schnell, um ihm mit den Augen zu folgen. Doch diejenigen, die hier spielen, sehen den Ball sowieso nicht. Sie sind blind. Jürgen Beer aus Meckenhausen ist der deutsche Vizemeister 2011 im so genannten Showdown. Und der einzige, der die Platten professionell baut, ist Uwe Heller aus Hilpoltstein.

Showdown wird fast nur von Blinden gespielt. Das Spielfeld ist eine Art Tischtennisplatte mit hohen Banden, auf dessen Oberfläche der Ball saust. Ein Ball, in dessen Innerem Metallstifte rasseln, damit man hört, wo er gerade ist. Das Ziel des Spiels: Den Ball in das gegnerische Tor zu katapultieren. Der Rest erinnert an Tischtennis. Ein Satz geht normalerweise über elf Punkte, zwei Gewinnsätze sind nötig.

Uwe Heller aus Hilpoltstein steht gerade in seiner Altenfeldener Werkstatt und klopft mit einem Gummihammer Holzverbinder in eine große, grau schimmernde Platte – die Showdown-Platte. Dann greift er nach einem 16 Zentimeter hohen und zwei Meter langen, grauen Holzstreifen. „Das wird die Bande, an die später der Kunststoffball knallt“, erklärt er, während er den Streifen mit Leim bestreicht, ihn ausrichtet und dann verschraubt.

Der 49-jährige Hilpoltsteiner ist der Einzige in Deutschland, der die Showdown-Platten professionell herstellt. „Es gibt natürlich immer wieder Leute, die versuchen, sich eine solche Platte selbst zu bauen – aber die meisten geben auf“, sagt er. Rund 3,6 Meter lang und 1,2 Meter breit wird die Platte später sein, die ringsum von den Banden gesäumt wird und an beiden Stirnseiten ein Tor aus einem groben Netz bekommt.

„Spielen ist ganz einfach“, sagt Jürgen Beer, ein gebürtiger Meckenhausener, der 2011 Deutscher Vizemeister im Showdown war. „Du hörst, in welche Richtung der Ball geht, du berechnest Einfalls- und Ausfallwinkel, du weißt, wo du den Schläger hinhalten musst – das ist wie Sehen, nur mit den Ohren.“ Auch bei ihm entsteht sozusagen ein 3 D-Bild, wenn er den Ball durch das Klappern lokalisiert.

„Und das geht so wahnsinnig schnell, das glaubst du nicht“ sagt Heller. Er hat sich selbst auch schon an die Platte gestellt, ist als Sehender gegen einen blinden Spieler angetreten. „Ich hatte nicht den Hauch, aber auch wirklich nicht den kleinsten Hauch einer Chance“, erzählt er fasziniert. „So schnell und treffsicher kannst du gar nicht sein.“

Und nicht nur beim Spiel, auch beim Bau der Platten durfte Heller von einem blinden Menschen lernen: „Ich habe für meine erste Platte im Internet eine Anleitung gefunden, wie man die Tische macht“, sagt er. „Und die Anleitung war von einem blinden und einarmigen Zimmerer.“

Die Anregung, solche Platten zu bauen, kam übrigens von Jürgen Beer. „Es hat einfach niemanden gegeben, der sie gemacht hat“, sagt Heller. Vor vier Jahren hat er dann eben das erste Exemplar gebaut und seitdem die Platte immer wieder perfektioniert. „Wir haben jetzt Multiplexplatten mit einer fast unverwüstlichen Beschichtung, die Banden werden nicht nur geschraubt, sondern auch gedübelt und geklebt, in der Mitte schützt eine Plexiglasplatte die Spieler vor hoch fliegenden Bällen, die sie nicht sehen und vielleicht verletzen könnten.“

Wie viel Feinarbeit in den Platten steckt, sieht man erst bei genauerem Hinsehen – und wiederum bei den Banden: Sie sind aus mehreren Schichten aufgebaut: Einer gefrästen Multiplexplatte, um sie biegen zu können, einer Kunstlederschicht, die die Bande an den gefrästen Stellen stabilisiert und der Schicht, gegen die später der Ball knallt. „Und dann wird das Ganze noch mal mit einer kompletten Holzschicht verleimt, damit es wirklich hält“, sagt Heller.

Und was die Bande aushalten muss, erklärt Jürgen Beer: Der Ball donnert mit 120 bis 150 Kilometern pro Stunde dagegen – wenn das nicht hundertprozentig ist, dann blättert dir das Zeug einfach weg.“

Und seine Kunden sind kritisch: „Die fahren mit den Fingern über die Platte und spüren Unebenheiten und Kratzer, die wir nicht einmal sehen können“, sagt er. Wie als Beweis deutet er auf die haardünne Linie, die das Tor wie eine Elfmeterlinie um-gibt. Sie ist in die Platte gefräst, aber für den Ungeübten kaum zu ertasten. „Da fliegt bei den Blinden nur der Finger drüber, die wissen genau, wo sie ist“, sagt er. Doch gerade die Tatsache, dass er die Platten sehr präzise arbeiten muss, macht Uwe Heller Freude. „Du darfst alles, bloß nicht murksen“, sagt er lachend.

Wenn er eine Platte verkauft, dann möchte er sie auch selbst liefern. „Ich habe einmal sechs Platten nach Russland bringen lassen – die kamen in Trümmern an.“ Doch nicht nur, damit sie heil ankommen und er zeigen kann, wie man sie richtig auf- und abbaut, erledigt er die Lieferung selbst: „Die Menschen sind so nett, da merkt man schon, wenn man sie mit ihnen aufbaut, dass sie sich über die Platte freuen.“

Jürgen Beer, der inzwischen hauptsächlich in Berlin lebt, aber regelmäßig nach Meckenhausen kommt, spielt natürlich auch noch – aber kaum mehr bei Wettkämpfen. „Ich bin jetzt 41, da hast du gegen die 18-Jährigen keine Chance mehr“, sagt er. „Die sind einfach reaktionsschneller. Da kommst du nicht einmal mehr mit psychologischer Kriegsführung weiter“, sagt er. Trotzdem sorgt er immer noch für den Vertrieb der von Heller gebauten Platten: „Denn die sind einfach gut gemacht, da macht es Spaß, darauf zu spielen.“