Hilpoltstein
Stilles Bekenntnis zur Reformation

Dorothea Marias Kachelofen ist ein prachtvolles Statement ihres evangelischen Glaubens

02.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:34 Uhr

Harald Rosmanitz erforscht die unzähligen Ofenscherben, die im Schwarzen Roß von Museumsleiter Peter Hagenmaier (oben, re.) lagern. Der Archäologe Harald Rosmanitz hat bereits drei Kachelmotive entdeckt, eines davon zeigt Judith und Holofernes (unten, li., Historisches Museum Speyer). Fürstenporträts (rechts) demonstrieren den Reichtum Dorothea Marias und ihre religiöse Gesinnung. - Fotos: Kofer 3, Rosmanitz

Hilpoltstein (HK) Als die "erlauchte Pfalzgräfin" Dorothea Maria 1606 in die Hilpoltsteiner Burg einzog, ließ sie viele Räume neu einrichten. Und es wurde kräftig geheizt - mit neuen Kachelöfen. Überreste davon wurden bei den Ausgrabungen 1991 entdeckt. Jetzt hat Archäologe Harald Rosmanitz hunderte Scherben untersucht und festgestellt: Die prachtvollen Ofenkacheln sind ein stilles Bekenntnis zur Reformation.

"Das hat bis jetzt noch keiner gesehen", sagt Rosmanitz. Bisher hat sich auch noch niemand die Mühe gemacht, die unzähligen Scherben, die Archäologe Thomas Platz damals bei seinen Ausgrabungen auf der Burg gefunden hat, systematisch zu untersuchen. Das machen die Archäologen Harald Rosmanitz und Sabrina Bachmann jetzt im Museum Schwarzes Roß.

Dort lagern Dutzende von Kartons mit sauber beschrifteten Plastiktüten. Bachmann und Rosmanitz packen sie alle aus, fotografieren die Scherben und notieren die Daten. Drei Tage arbeiten die beiden Wissenschaftler schon an den Fundstücken, ein riesiges Puzzle aus tausenden Scherben. "Man braucht eine Unmenge Geduld", sagt Rosmanitz. Aber der Aufwand hat sich gelohnt. Zumindest drei Motive auf den prachtvollen Ofenkacheln konnte Rosmanitz bereits identifizieren. Sie stammen alle aus der griechischen und jüdischen Mythologie. Lucrezias Selbstmord, Judith und Holfernes und Salome tanzt vor König Herodes. Drei starke Frauen, drei ungewöhnliche Geschichten. Die frührömische Lucrezia, dargestellt im damals zeitgenössischen Mieder und mit Puffärmeln, ersticht sich lieber, als nach einer Vergewaltigung entehrt, weiterzuleben. Die israelitische Judith enthauptet während der Belagerung ihrer Heimat Hebron den feindlichen Feldherren Holofernes in dessen Schlafgemach. Und Salome, die durch einen aufreizenden Tanz Herodes dazu bringt, Johannes den Täufer köpfen zu lassen.

Die Botschaft der drei Kacheln: "Mit List und Tücke erreicht man auch etwas", sagt Rosmanitz. Für Anhänger des Lutherischen Glaubens in den Zeiten der Gegenreformation, die seit 1627 auch in Hilpoltstein tobte, ein kluger Grundsatz. Aber die Botschaft reicht noch weiter. Denn es gibt ein Altargemälde von Lucas Cranach, einem engen Freund Luthers, das genau diese drei Frauenmotive verwendet. Dorothea Marias Kacheln sind also "ein stilles Bekenntnis zur Reformation", sagt Rosmanitz.

Darauf deutet eine weitere Kachel hin, auf der sich die Pfalzgräfin, eine überzeugte Anhängerin der Reformation, verewigen ließ. Das Fürstenporträt zeigt sie in prachtvollen Gewändern mit Straußenfedern am Hut und einer schweren Goldkette um den Hals. "Alleine die Straußenfedern waren damals so viel wert wie ein ganzes Dorf", sagt Rosmanitz. Mit der Goldkette demonstrierte die Pfalzgräfin aber nicht nur ihren Reichtum. Die Goldkette liegt asymmetrisch um ihren Hals. "Völlig untypisch für die Renaissance", erklärt der Kunsthistoriker Rosmanitz und entschlüsselt wieder die geheime Botschaft hinter diesem Detail: Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise, ein großer Förderer Luthers und der Reformation, hatte sich ebenfalls mit so einer "schiefen" Goldkette verewigen lassen. "Heute sind solche Zusammenhänge nicht mehr bekannt", sagt Rosmanitz. Damals wussten die Leute aber Bescheid.

Interessant an der Fürsten-Kachel ist auch ihre Herstellung. Denn sie gehörte zu einem Ofen, der in einem der Repräsentationsräume stand und ist - im Gegensatz zu den meisten anderen Scherben - dreifarbig. Vor allem das Blau war extrem aufwendig und extrem teuer, denn die Kachel musste in der Preuning-Werkstatt in Nürnberg gebrannt werden, einem Spezialisten auf diesem Gebiet. "Das waren Statussymbole", sagt Rosmanitz. So wie heute schnelle Sportwagen oder klotzige Armbanduhren. Man zeigt, was man hat. Und Dorothea Marias Prunkofen stand den Exemplaren, die reiche Nürnberger Patrizierhäuser heizten, in nichts nach.

Reich machten die Kachelöfen auch einen anderen Mann: den Hilpoltsteiner Hafner. Denn gefertigt wurden die Kacheln von einem Töpfer (Hafner) in der Stadt. In der Maria-Dorothea-Straße wurde sogar eine Model, also die Form für die Kachel, gefunden. "Für den Hafner war es der Beginn eines großen Geschäfts", sagt Rosmanitz. Denn nicht nur die Gräfin wollte ihren Reichtum zur Schau stellen, auch nicht so betuchte kleinere Adlige gingen mit der Mode und eiferten dem gräflichen Vorbild nach.

Nur sind diese Kacheln nicht erhalten. "Dass es überhaupt so ein Stück in Hilpoltstein gibt, ist erst durch Thomas Platz herausgekommen", sagt Peter Hagenmaier, Museumschef im Schwarzen Roß. Der Archäologe hatte für seine Doktorarbeit an der Hilpoltsteiner Burg gegraben und dabei Unmengen an Fundstücken gesammelt. "Es gibt noch genügend Material in Hilpoltstein. Wir haben ein großes Scherbenlager", sagt Hagenmaier, "und das wenigste davon ist erforscht."

Zumindest Harald Rosmanitz wird seine Ergebnisse im Spätherbst in Hilpoltstein in zwei Vorträgen vorstellen. Außerdem soll ein Museumsband zum Thema Kachelöfen entstehen. Denn es gibt ein weiteres repräsentatives Prunkstück, das in der Residenz von Johann Friedrich stand. Leider ebenfalls nur als Scherben-Puzzle. Wie ein Kachelofen aus dieser Zeit im Ganzen aussieht, kann man aber im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg sehen.