Hilpoltstein
Die Anziehungskraft der Werkstätten

Luftbilder von 1968

05.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:44 Uhr
Zwei Tankstellen und zwei Autohäuser nebeneinander gab es 1968 in der Allersberger Straße. Maria und Willi Wittmann bauten 1959 dort Wohnhaus und Tankstelle, rechts daneben siedelte sich die Firma Hirscheider, die damals noch BMW verkauft hat, an. −Foto: Tschöpe

Hilpoltstein (HK) Autos und Landmaschinen haben Willi Wittmann und sein Bruder Richard schon ab 1959 in der Allersberger Straße repariert. Kurz darauf kam auch Auto Hirscheider hinzu. Um diese beiden Betriebe herum wurde innerhalb eines Jahrzehnts gebaut wie wild.

Als Willi Wittmann im Jahr 1959 mit seiner Schmiede von der Zwingerstraße in die Allersberger Straße umzog, konnte er kaum ahnen, wie schnell hier weitere Betriebe und Wohnhäuser entstehen. „Als wir hier angefangen haben, war hier noch gar nichts“, erinnert sich Wittmann. Mit dem Finger umkreist er auf dem Luftbild von 1968 sein Wohnhaus und seine Werkstatt. Innerhalb eines knappen Jahrzehnts war sein Betrieb ringsum zugebaut.

„Wir mussten damals aus der alten Werkstatt ausziehen“, erinnert sich Wittmanns Frau Maria. „Denn wer aus der Schmiede herausgefahren ist, stand sofort mitten auf der Straße.“ Die Heirat des Paares war auch der Startschuss für den Bau und den folgenden Umzug. „Wir wollten unseren Betrieb erweitern“, sagt Willi Wittmann. „Neben unserem Wohnhaus haben wir deshalb eine eigene Werkstatt für Landmaschinen und eine Tankstelle gebaut“, erinnert sich der 91-jährige gelernte Schmied.

Die Tankstelle sei damals immer ein gutes Zubrot gewesen. „Einen wirklichen Feierabend gab’s da aber nicht, das haben die Hilpoltsteiner nicht so eng gesehen“, erzählt Sohn Bernhard Wittmann. „Wenn nachts um zehn Uhr noch einer tanken wollte, hat er einfach Steinchen an die Fenster geworfen und wir mussten eben raus.“

Als eines der ersten Wohngebäude kam das Nachbarhaus der Familie Langguth dazu. „Die hatten damals ein Baugeschäft in der Lohbachstraße“, erzählt Willi Wittmann. Auch er selbst hat nochmals gebaut: Noch vor der Aufnahme des Luftbilds entstand an der Allersberger Straße eine weitere Werkstatt. „Die hat mein Bruder Richard für Autoreparaturen genutzt.“

Angefangen hat Richard Wittmann nach der Erinnerung der Familie mit Autos von Renault, ist aber sehr bald auf Opel umgestiegen. Bei den Landmaschinen war man nicht so stark spezialisiert. Willi Wittmann hat als Schmied fast alles repariert, was auf den Hof kam.

„Güldner, Bautz, Fahr und irgendwann Eicher“, erinnert sich Sohn Bernhard Wittmann, der viele Jahre später die Tankstelle übernommen hat. Er erinnert sich auch, dass in der Werkstatt immer noch Pferde beschlagen wurden. „Ich weiß noch genau, wie ein Pferd beim Beschlagen durchgegangen ist“, sagt er. „Das Pferd hat da die ganze Werkbank, an der es festgebunden war, bis raus auf die Straße gezogen.“

An ihr Wohnhaus hat die Familie Wittmann auch noch eine kleine Halle für einen Mähdrescher angebaut. „Wir hatten ja noch eine Landwirtschaft und mein Mann war für viele Bauern als Lohndrescher unterwegs“, erzählt Maria Wittmann. Die Bautätigkeiten waren mit dieser Halle aber noch immer nicht am Ende: Ergänzt wurde die Werkstatt ein paar Jahre später mit einer eigenen Waschhalle. Noch vor der Firma Auto Häckl, wie Willi Wittmann schmunzelnd erzählt. „Als wir eine hatten, musste er auch eine haben.“

Die Werkstatt der Wittmanns war aber nicht die einzige in der Allersberger Straße. Schon kurz nach dem Umzug der Familie Wittmann 1959 an diesen Standort kam die Firma Auto Hirscheider hinzu. Sie pachtete die ebenfalls neu gebauten Hallen auf dem Grundstück daneben und fing als freie Autowerkstatt an. Schon 1962 übernahm Auto Hirscheider eine BMW-Vertretung. Und auch hier gehörte eine Tankstelle dazu. „Wir haben Benzin von Conoco verkauft“, erzählt Josefine Hirscheider-Keil, die Tochter des Firmengründerehepaars Therese und Josef Hirscheider.

„Das Büro der Tankstelle war mehr ein Treffpunkt als eine Kasse. Da saßen immer Leute drin, da war es immer voll“, erinnert sich Hirscheider-Keil. „Wir hatten damals sogar einen der ersten Fernseher im Ort drin stehen“, sagt sie. „Und alle haben da von früh bis spät geraucht. Da hast du alle paar Jahre einen Eimer weiße Farbe gebraucht, damit es wieder heller wurde“, ergänzt ihr Ehemann Erhard Keil.

Einen harten Konkurrenzkampf unter den Tankstellen gab es damals noch nicht. „Aber wir mussten als freie Tankstelle schon immer etwas billiger sein“, sagt Josefine Hirscheider- Keil. „Wenn der Willi also seine Leiter geholt hat, um auf der Tafel den Preis zu ändern, mussten wir immer schauen, was er macht.“

Auch die Konkurrenz unter den Autohäusern sei damals wesentlich kleiner gewesen als heutzutage. „Jeder hatte seine Marke und die Leute sind eben abhängig davon zum jeweiligen Händler gegangen“, erzählt sie. Repariert wurde bei den meisten aber völlig markenunabhängig. „Mein Vater hat damals beispielsweise immer die ganzen Fahrzeuge von Maas & Roos repariert“, erinnert sich Josefine Hirscheider-Keil.

Im hinteren Quergebäude an die Halle der Hirscheiders war damals die Firma Stahl untergebracht. „Als die weggegangen sind, haben wir es dazugepachtet“, erzählt Josefine Hirscheider- Keil. Trotzdem wurde im Lauf der Jahre der Platz zu eng. „1990 sind wir dann ins Gewerbegebiet gezogen“, sagt Erhard Keil. Die Tankstelle, die einst die Wittmans gründeten, gibt es dagegen bis heute in der Allersberger Straße.

 

Luftbilder von 1968

Auf verschlungenen Wegen ist die Stadt Hilpoltstein jetzt an Luftbilder gekommen, die die Innenstadt und den nahen Umgriff vor 50 Jahren zeigen. Der Hilpoltsteiner Kurier möchte seinen Lesern einige Bilder aus dieser Serie vorstellen. Kenner des jeweiligen Stadtteils werden dabei etwas über die oft wechselvolle Geschichte der Gebäude erzählen und zeigen, wie sich die Stadt in diesem Gebiet in den vergangenen 50 Jahren entwickelt hat.

Die Aufnahmen stammen alle aus einer Sammlung von Johann Fürbeck aus Glauchau in Sachsen. Er hat bereits vor geraumer Zeit eine größere Menge an Luftbildern zahlreicher Orte in Deutschland aufgekauft. Darunter eben auch die 56 Aufnahmen von Hilpoltstein, die der Luftbildfotograf Erich Tschöpe aus Delmenhorst im Jahr 1968 aufgenommen hat.

„Jetzt hat uns Johann Fürbeck diese Aufnahmen angeboten und wir haben sie gern gekauft“, sagt Herbert Walter, der geschäftsleitende Beamte der Stadt. „Es sind faszinierende Aufnahmen, bei denen man kaum glauben kann, was sich in 50 Jahren getan hat.“ Bei einigen Fotos sei sofort klar gewesen, welchen Teil der Stadt man vor sich hat. „Aber bei einigen haben wir wirklich lange überlegen müssen, was auf dem Bild zu sehen ist.“

Unter anderem zeigen die Fotografien das Autohaus Roppelt, das am Stadtrand auf der grünen Wiese errichtet wurde und inzwischen von Häusern umsäumt ist, oder den Hilpoltsteiner Auhof, der 1968 aus nur wenigen Häusern und Remisen bestand.

Fotos wie zum Beispiel die Aufnahmen der Gebäude der Firmen Kegler sowie Maas und Roos waren auf Anhieb zuzuordnen. Schwieriger war unter anderem eine Aufnahme des Hilpoltsteiner Altstadtrings, auf dem von den zahlreichen Wohnhäusern nur noch ein einziges steht.

Heute zeigen wir die Allersberger Straße. Maria und Willi Wittmann erzählen über den Bau ihrer Werkstatt für Landmaschinen und Josefine Hirscheider-Keil über den Start ihrer BMW-Vertretung.