Hilpoltstein
Gebaut für eine wachsende Gemeinde

Die Hilpoltsteiner Christuskirche wird 90 Jahre alt Früherer Regionalbischof gibt Anstoß für gelben Anstrich

23.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:24 Uhr

Schauen gemeinsam auf die Geschichte zurück: Annemarie Hochlechner, Harald Mulack, Uwe Renner und Verena Fries (von links).

Hilpoltstein (HK) Die evangelische Kirchengemeinde in Hilpoltstein feiert im September das 90-jährige Bestehen der Christuskirche. Zeit für einen Rückblick in die Geschichte des im Jahr 1926 geweihten Gotteshauses, aber auch ein Blick in die Kirchengemeinde.

Der Gang durch die Kirchentür ist für Pfarrerin Verena Fries immer etwas Besonderes: "Es ist der Eintritt in eine heilige Welt. Die Kirche gibt mir das Gefühl eines heiligen Raumes", sagt die 49-Jährige, die seit November 2013 als Seelsorgerin in Hilpoltstein tätig ist.

Dieser heilige Raum, den Verena Fries so sehr schätzt, hat eine ebenso erstaunliche Geschichte wie die dazugehörige Kirchengemeinde: So ist in einer alten Pfarrbeschreibung des Rother Ortsteils Eckersmühlen zu lesen, dass alle evangelischen Bürger Hilpoltsteins im Jahr 1819 noch zur Kirchengemeinde Eckersmühlen gezählt worden sind. Demnach konnten die evangelischen Christen aus Hilpoltstein vor knapp zwei Jahrhunderten noch nicht in ihrem Heimatort zum Gottesdienst gehen, sondern mussten sich immer auf den Weg nach Eckersmühlen machen.

Im Jahr 1892 bildete sich schließlich ein evangelischer Verein in Hilpoltstein, dessen Ziel es war, eine eigene Kirche in Hilpoltstein zu haben. Zumindest einen eigenen Raum, einen Betsaal, hat es im Jahr 1904 im Osttrakt des pfalzgräflichen Schlosses, dem heutigen Finanzamt, gegeben, wie die Geschichtsbücher verraten.

"Dann wollte eine Handvoll Gläubige eine eigene Kirche", erzählt Uwe Renner, Mitglied des aktuellen Kirchenvorstands. Im Sinn hatte die evangelische Gemeinde Hilpoltsteins damals einen Platz mitten in der Altstadt, nämlich an der Ecke Siegertstraße/Christoph-Sturm-Straße. An dieser Stelle stand früher eine Bäckerei, die abgebrannt ist.

Doch weil dieser Platz zu klein war, wurde es dann doch ein anderes Grundstück für den Bau der evangelischen Kirche, nämlich die Fläche am heutigen Altstadtring. "Das war damals ganz am Ortsrand von Hilpoltstein", sagt Renner. Gebaut wurde dort ab Juli 1925 eine Kirche, die gleich deutlich größer war als die Stammkirche in Eckersmühlen. "Man ist eben schon damals davon ausgegangen, dass die Gemeinde wächst", sagt Harald Mulack, der dem erweiterten Kirchenvorstand angehört.

Nach einer wechselvollen Geschichte während der Nazi-Diktatur, in der übrigens der damalige Pfarrer Karl-Heinz Baier nach anfänglicher Liebäugelei mit der NS-Ideologie eine Kehrtwende gemacht und sich klar dagegen gestemmt hat, bekam die evangelische Kirche in Hilpoltstein wieder neuen Auftrieb - und in späteren Jahren gleich noch ein neues Erscheinungsbild.

Der Auslöser war der damalige Regionalbischof Karl-Heinz Röhlin, der die Kirche bei einem Besuch 2001 nach den Worten der heutigen Organistin Annemarie Hoch-lechner wegen des grauen Anstrichs des Kirchenraums als "dreckig" bezeichnet hat. Doch das war laut Uwe Renner nicht der einzige Grund: Es habe auch einen Sponsor gegeben, der der Kirche einen Volksaltar stiften wollte, für den es im bestehenden Innenraum aber nicht genügend Platz gegeben hätte.

So entschlossen sich die Kirchenmitglieder damals nach längeren Diskussionen, nicht nur den Anstrich der Kirche in ein freundlicheres Gelb zu ändern, sondern auch mehr Raum vor dem Altar zu schaffen: "Wir wollten mehr Platz, damit man die Gemeinde, zum Beispiel mit Tänzen, besser einbeziehen kann", sagt Renner.

Nur zwei Bankreihen sollten dafür geopfert werden. Nicht ohne Protest, da einige Gläubige bezweifelten, dass dann bei Taufen oder an Weihnachten noch für alle Platz sei. Trotzdem wurden die Bänke schließlich abmontiert und die Treppe zum Altar rund gestaltet. "Luft zum Atmen", nennt das Verena Fries.

Die Pfarrerin hat die Kirche schon als sehr schön wahrgenommen, als sie sich noch vor ihrer Bewerbung in Hilpoltstein umgesehen hat: "Ich habe eine freundliche, helle Kirche angetroffen", sagt die Pfarrerin. "Sie ist warm, einladend und offen." Doch nicht nur das: Durch die Inneneinrichtung hätte sich gezeigt, dass die Gläubigen modern und offen sind, aber trotzdem Bodenhaftung besitzen.

Und diesen Eindruck hat die Seelsorgerin auch heute noch von den rund 2500 Gläubigen in ihrer Gemeinde. Wie viele sich davon aktiv einbringen, sei dabei schwer zu sagen. Doch sie rechnet allein 150 Menschen zu den Ehrenamtlichen, also jenen, die bei allen täglichen Aufgaben, insbesondere aber bei Veranstaltungen, da sind und helfen. Dazu komme eine große Anzahl von Gläubigen, die regelmäßig Gottesdienste und Andachten mitfeiern.

Dabei ist sich Fries durchaus bewusst, dass sich das Interesse für die Kirche bei jedem Gläubigen im Laufe des Lebens verändert. "Von den Konfirmanden, die regelmäßig da sind, über die, die während ihrer Jugend oder ihres Studiums weniger Zeit und Interesse für die Kirche haben, bis zu denen, die nach der Hochzeit oder später nach dem Tod des Partners sich wieder mehr in der Kirche engagieren."

Beachtenswert sei auch, wie viele zum Beispiel beim Rothseegottesdienst oder einer anderen Andacht im Freien dabei sind, aber sonst kaum in die Kirche kommen. Was Harald Mulack versteht. Es gebe eine höhere Hemmschwelle, das Gotteshaus zu betreten, als draußen an einem offenen Gebet teilzunehmen.

Dies sieht auch Uwe Renner so, der schon viele Menschen getroffen hat, die an der Andacht teilnahmen, hinterher aber offen zugaben, dass sie schon lange aus der Kirche ausgetreten sind. Auch diese Menschen, die nur zu einem solchen besonderen Gottesdienst kommen, sind für Renner Gläubige. "Es gehört nicht nur derjenige zur Gemeinde, der sonntags in die Kirche kommt."

Das Gotteshaus ist für Mulack trotzdem besonders wichtig: "Es ist ein Raum der Vertrautheit." Ein Grund mehr, den 90. Geburtstag des Gotteshauses entsprechend zu feiern, was übrigens für den Sonntag, 25. September, mit einem Festgottesdienst geplant ist.

Doch es soll nicht einfach ein Tag der Rückbesinnung werden, sondern auch ein Blick in die Zukunft. "Kirche sollte sich selbst nie genug sein. Es wäre schön, wenn unsere Kirchengemeinde weiter Strahlkraft besitzt. Dass sie immer wieder Impulse in der Gemeinschaft setzt", sagt Fries. Während sich Uwe Renner eine "dynamische und bodenständige Zukunft" für seine Kirche erhofft, denkt Harald Mulack erst einmal an den Festtag. "Ich wünsche mir zum Geburtstag möglichst viele Besucher."