Hilpoltstein
"Ein feiner Mensch"

FDP-Kreisvorsitzende und frühere Bundestagsabgeordnete Marina Schuster trauert um Guido Westerwelle

20.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:04 Uhr

Lächeln für die Kamera, doch Marina Schuster (r.) kannte und schätzte Guido Westerwelle auch abseits der Medien. - Foto: privat

Hilpoltstein/Greding (HK) Scharfzüngige Reden als Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Parteitagsreden, bei denen man eine Stecknadel hätte fallen hören können, so viel Spannung und Aufmerksamkeit waren im Raum. TV-Debatten, die er mit Humor gemeistert hat.

Sein Einsatz im arabischen Frühling und für ein geeintes Europa: Unendlich viele Erinnerungen habe ich an Guido Westerwelle. Nicht nur, weil ich acht Jahre seine Kollegin im Bundestag war. Nein, seit meinem Eintritt in die FDP 1997 war er eine Konstante in meinem politischen Leben.

Guido Westerwelle habe ich bewundert. Für seine begnadete Rhetorik, für sein unglaubliches Gespür für politische Trends, für seine Energie und Kraft. Nach Rückschlägen hat er uns motiviert, für die liberale Sache gekämpft und der FDP neues Selbstbewusstsein gegeben. Wir haben gerne debattiert, waren zuweilen unterschiedlicher Ansicht, wir haben gelacht, gemeinsam gewonnen und gemeinsam verloren.

Eine Erinnerung, die ich nie vergessen werde, hat kein Journalist mitbekommen: Als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses durfte ich den Außenminister nach Brasilien begleiten. Die Termine waren dicht und verzögerten sich. Am Abend, als die Kamerateams längst abgerückt waren, besuchten wir in einem Armenviertel von Rio de Janeiro ein Hilfsprojekt für Kinder, weil es Guido Westerwelle wichtig war.

Wir standen auf einem staubigen Fußballplatz, um uns herum wirbelten die Kinder. Ein kleines Mädchen sollte dem Gast aus Deutschland Blumen überreichen. Er beugte sich höflich zu ihr herunter, und statt die Blumen zu überreichen, fiel die Kleine ihm spontan um den Hals. Und sie ließ ihn nicht mehr los. Er schaute etwas perplex, sie grinste über beide Ohren, dann lächelten sie sich einfach an. Als er aufstehen wollte, und sie immer noch keine Anstalten machte, ihre Umarmung zu lösen, nahm er sie einfach auf den Arm. Den ganzen Rest des Besuchsprogramms trug der Vizekanzler dieses Mädchen auf dem Arm. Es war so, als hätten sich die beiden schon immer gekannt. Er sprach mit ihr auf Englisch, sie kicherte zauberhaft. Als er in die Limousine stieg, winkte sie ihm noch lange nach, und er strahlte über das ganze Gesicht. Noch auf dem Rückflug erzählte er beseelt von der Begegnung mit diesem kleinen Mädchen.

Guido Westerwelle war ein Vollblutpolitiker. Politik war seine Leidenschaft, und er hat die FDP zum besten Wahlergebnis aller Zeiten geführt. Vor allem war er aber ein unglaublich charmanter und ganz feiner, ja feinfühliger Mensch. Ich weiß, dass nicht jeder dies sehen konnte. Seine warmherzigen Facetten blieben vielen verborgen, denn das politische Geschäft ist sehr hart, bisweilen verletzend, und man tut gut daran, sich einen "Schutzpanzer" zuzulegen.

Das letzte Mal sah ich Guido Westerwelle bei der Vorstellung seines Buches Anfang November im Berliner Ensemble. Da war der Schutzpanzer weg, wie weggeschmolzen. Und er erzählte unglaublich mutig und berührend von seiner Leukämie-Erkrankung. Er machte vielen Mut. Er hatte noch so viele Ideen für seine Westerwelle Foundation, die sich für die Völkerverständigung einsetzt.

Auf dem Heimweg habe ich Rotz und Wasser geheult. Vielleicht war es schon dieses schmerzhafte Gefühl, dass es die letzte Begegnung gewesen sein würde.

Sein früher Tod ist eine Mahnung an uns: Seien wir dankbar für jeden Tag, den wir erleben dürfen! ‹ŒMarina Schuster