Eichstätt
Einer, der es wissen muss

Radio-Vatikan-Redaktionsleiter Bernd Hagenkord spricht in Eichstätt über Papst Franziskus

28.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:43 Uhr

Leitet die deutschsprachige Redaktion von Radio Vatikan: der Jesuit Bernd Hagenkord. Er war vor wenigen Tagen in Eichstätt. - Foto: Kusche

Eichstätt (HK) Mit seiner Aussage, dass sich „gute Katholiken nicht wie die Karnickel vermehren“ müssten, hat Papst Franziskus nicht zum ersten Mal das Interesse von Journalisten und Korrespondenten aus aller Welt auf sich gezogen. Einer, der das genauer wissen muss, weil er in unmittelbarer Nähe der Kurie arbeitet, kam jetzt zu einem Vortrag nach Eichstätt: der Jesuit Bernd Hagenkord (46), Leiter der deutschsprachigen Redaktion und Begründer eines stark frequentierten Blogs von Radio Vatikan in Rom.

Die Zeit zwischen 13. Februar 2013, dem Rücktrittstag von Papst Benedikt XVI., und dem 13. März, der Wahl von Papst Franziskus, ist Bernd Hagenkord, der vor wenigen Tagen im Rahmen des journalistischen Kolloquiums in der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) in Eichstätt sprach, noch in lebendiger Erinnerung: „Dieser Monat war wie ein langer Tag, das Warten auf den neuen Namen ein Adrenalintrip der besonderen Art“, berichtete Hagenkord, der seit 2009 die deutschsprachige Redaktion bei Radio Vatikan leitet, vor rund 80 Zuhörern.

Schon die erste Papstmesse in der Sixtinischen Kapelle habe sowohl der Kurie als auch den Journalisten gezeigt: Eine völlig neue Ära hatte begonnen. Franziskus predigte freisprechend und stehend. Die oftmals spontane Kontaktaufnahme zum Volk fordere Flexibilität und Geduld; Franziskus liebe Witz und Ironie, die gerade im Radio journalistisch schwer vermittelbar seien.

Es habe schon einige Zeit gebraucht, sagte Hagenkord schmunzelnd, bis er sich an den Menschen Jorge Mario Bergoglio, dessen Denken und die Ziele, angenähert hatte. Doch dies sei ja seine ureigenste Arbeit: „Wir verstehen uns bei Radio Vatikan als ,Papst-Erklärer’ für alle interessierten Menschen mit oder ohne religiöse Vorbildung.“

Hagenkord würde es nicht übermäßig überraschen, wenn es irgendwann eine spontane Reise des Papstes in den Irak gäbe. Nicht nur für die Kurie, sondern auch für die Journalisten halte Franziskus immer wieder Überraschungen bereit, sei es seine Weihnachtsansprache zu den „15 Krankheiten der Kurie“, mit der er tief sitzende menschliche Probleme thematisierte, oder die jüngsten Kardinals-erhebungen eines Bischofs aus Tonga und den Kapverdischen Inseln, um die Ränder der Welt zu stärken.

Diese überraschenden Momente, so Hagenkord, machten die Arbeit im Vatikan spannend, abwechslungsreich, aber auch weniger vorherseh- und planbar als zu Zeiten von Papst Benedikt XVI. Dessen Arbeit habe sich an einem zeitlich eng strukturierten Tagesplan orientiert. Doch die zentrale Herausforderung bei seiner Arbeit als Redaktionsleiter, so betonte der studierte Theologe Hagenkord, liege vielmehr darin, immer wieder der zentralen Frage nach den eigentlichen Anliegen des Papstes nachzugehen.

Hier habe er vier entscheidende Aspekte ausmachen machen können. Der erste Punkt betrifft die Herkunft des argentinischen Papstes vom „Ende der Welt“. Die vormalige Dominanz der europäischen Kirche sei damit erstmals infrage gestellt. Die Einbringung der „Weltkirche“ bedeute einen kulturellen Perspektiven- und Themenwechsel sowie die Infragestellung weltwirtschaftlicher Strukturen. Das zweite Anliegen des Papstes sei der bisweilen zu stark auf kirchliche Strukturen reduzierte Reformansatz, der vielmehr geistlich verstanden werden solle. So fordere der Papst einen Perspektivwechsel aus der Sicht der Armen und – in seinen Worten – „Weggeworfenen“ – der Welt.

Eng damit verknüpft sei auch der dritte Aspekt: Mit seinem Urteil „Wirtschaft tötet“ nehme der Papst eine verankerte, für die Wohlstandsgesellschaften höchst unbequeme Tradition auf, die das Recht auf Eigentum und den Kapitalismus infrage stellt. Der vierte Punkt schließlich beziehe sich auf die von vielen Christen bekundete Erwartungshaltung an den Papst, „endlich tätig zu werden“, erklärte er. Sie würden vermutlich eher enttäuscht werden. Denn Franziskus setze hier auf Prozesse: Weder wolle er sich auf Positionen festlegen noch beanspruche er, einen „Fixplan“ für alle Probleme zu haben. „Diese Haltung bedeutet für viele ein anstrengendes Christentum“, glaubt Hagenkord, „denn viele blicken zu sehr auf schnelle Veränderungen, feste Pläne und Taten.“

Die Nachfrage eines Zuhörers nach einem „trickle-down“-Effekt, das heißt dem allmählichen Hinweinwirken der Botschaften des Papstes, konnte Hagenkord aber positiv beantworten. Man könne, etwa in Priesterseminaren, schon vielfältig „Bewegung“ erkennen – eines der Lieblingswörter des Papstes. Für umfassendere Veränderungen jedoch müsse die nächste Generation in die Pflicht genommen werden.