Eckersmühlen
Das Weihnachtspaket kam nicht an

Postkarte von der Front: Der Eckersmühlener Soldat Christoph Müller schreibt am 27. Dezember 1915 an seine Eltern

23.12.2015 | Stand 02.12.2020, 20:23 Uhr

Erhalten geblieben aus der Feldpostkorrespondenz von Christoph Müller ist diese Bildpostkarte, die den Eckersmühlener Kaufmannssohn (links) mit zwei weiteren Kameraden zeigt. Repro: Wittek

Eckersmühlen (HK) Der Eckersmühlener Heimatforscher Claus Wittek dokumentiert das Schicksal des örtlichen Kaufmannssohns Christoph Müller im Ersten Weltkrieg. Das Weihnachtsfest 1915 erlebte dieser an der Front. Vom 27. Dezember 1915 stammt eine Feldpostkarte des Soldaten an seine Eltern.

Im ersten Teil unserer Serie über das Schicksal der Gebrüder Müller im Ersten Weltkrieg gab es zu erfahren, dass Christoph Müller, als Soldat der 11. Bayerischen Infanteriedivision an den Kämpfen während des „großen Durchbruchs“ Mitte 1915 an der damaligen Ostfront teilnahm. Im Dezember 1915 kam der Bewegungskrieg im Osten zum Erliegen. Beide Seiten verschanzten sich hinter mehr oder weniger provisorischen Stellungen und bereiteten sich auf die Frühjahrskämpfe 1916 vor.

Die Verbände der 11. Bayerischen Infanteriedivision wurden bereits im September 1915 von der Ostfront abgezogen und an die Balkanfront verlegt, wo sie der Heeresgruppe Mackensen (siehe Kasten) zugeführt wurden, die an der serbischen Nordgrenze aufmarschierte. Zwischenzeitlich trat am 7. September 1915 das Zarenreich Bulgarien dem Bündnis der Mittelmächte bei und marschierte ebenfalls an der serbischen Grenze auf.

Am 6. Oktober befahl das deutsche Oberkommando der Balkanfront unter Leitung von Feldmarschall August von Ma-ckensen (siehe Kasten) eine gemeinsame Offensive Deutschlands, Österreich-Ungarns und Bulgariens. Der Hauptschlag erfolgte diesmal über die Donau und Save bei Belgrad und Smederevo.

Auf Grund des Durchbruchs der bulgarischen Armee wurde Serbien von den französischen und britischen Expeditionsheer in Thessaloniki abgeschnitten und drohte eingeschlossen zu werden. Keine der mit Serbien verbündeten Mächte hatte eingegriffen. Die serbischen Armeen mussten trotz heftigen Widerstandes den Rückzug antreten. Nur durch komplette Evakuierung von Regierung und verbliebener Armee in Richtung Südwesten entgingen die serbischen Streitkräfte der Einkreisung und Vernichtung.

Die sich im Kosovo versammelnden Reste zählten nur noch 300 000 Soldaten, nicht einmal ein Drittel der Gesamtstärke vor Beginn der gegnerischen Offensive, aber beschwert um zahllose Flüchtlinge. Ohne Versorgung und Ruhemöglichkeit zogen sich die Serben durch unwegsames Bergland in winterlichem Wetter unter schwierigsten Bedingungen bis an das Ionisches Meer zurück. Dabei starben durch Hunger, Seuchen, feindliche Angriffe und die Übergriffe albanischer Partisanen viele der Fliehenden.

Die 11. Bayerische Infanteriedivision war an den Kämpfen bis zum 28. November 1915 beteiligt. Dann wurde sie – und somit auch Müller – als Reserve in den Raum Syrmien, eine Landschaft westlich von Belgrad bei Mitrovica zwischen Donau und Save, verlegt. Für die Soldaten, und somit auch für Christoph Müller, trat eine längere Verschnaufpause ein.

Christoph Müller teilt seiner Familie in einer am 27. Dezember 1915 abgestempelten Karte mit knappen Zeilen mit: „Liebe Eltern! Teile euch kurz mit, daß ich das Weihnachtspaket nicht erhalten habe. Ich habe schon 14 Tage keine Post mehr erhalten. Heute habe ich von M. Bergmann erhalten, die besten Grüße sendet euch Christoph.“

Hier zeigt sich die Schwierigkeit der Feldpost, auf Grund der öfters und kurzfristig durchgeführten Verlegungen der Verbände die Pakte, Briefe und Karten an die Empfänger zuzustellen beziehungsweise nachzusenden. Auch konnten Versetzungen der Soldaten zu anderen Einheiten die Zustellung verzögern. Ebenso gingen vor allem Pakete auch des Öfteren mal verloren. Bei einer Versandmenge von täglich rund 16 Millionen Feldpostsendungen allein auf deutscher Seite war das nicht verwunderlich.

Die Postkarte Müllers zeigt auch, dass auch der Kontakt zu Freunden aus dem Heimatdorf, die bei anderen Einheiten an den Fronten dienten, ebenfalls gepflegt wurde. Das Wichtigste jedoch war für beide Seiten, den Soldaten und ihre Familien, dass jede angekommene Postsendung, wie knapp oder umfangreich auch immer, ein Lebenszeichen bedeutete.

Einen Weihnachtsfrieden wie er 1914 in Flandern und an Teilen der Ostfront stattfand, gab es 1915 nicht mehr. Auf beiden Seiten der Front hatte der von den Soldaten ausgeübte Waffenstillstand 1914 seinerzeit kein disziplinarisches Nachspiel. In der deutschen Presse wurde er nie erwähnt, obwohl die Ereignisse durch entsprechende Aufzeichnungen der Obersten Heeresleitung belegt sind. Die britische und französische Berichterstattung war freizügiger, jedoch wurde das Ausmaß auf eine kleine Verbrüderung an einem unwesentlichen Frontabschnitt reduziert.

Weihnachten 1915 gab es zwar wiederum Versuche der Truppen, das Geschehen des Vorjahres zu wiederholen. Es wurde allerdings diesmal von den Befehlshabern unter Androhung von Kriegsgerichtsverfahren nicht mehr geduldet. Ab 1916 gab es schließlich auch die inoffiziellen, kleinen Waffenstillstände zwischen den Gegnern nicht mehr. Das Niemandsland war zu einer ständigen Kampfzone geworden.