Allersberg
"Gelesen werden sollte, was der SED gefiel"

Vortragsabend in der Allersberger Bücherei erinnerte an Literatur aus der DDR-Zeit – Partei zensierte zahlreiche Werke

23.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:09 Uhr

Von den Besonderheiten der DDR-Literatur handelt ein Vortragsabend in der Bücherei Allersberg. Bücher und literarische Werke präsentieren Peter Miebs, Thomas Schönfeld, Steffi Elchert, Doreen Allgeier, Cordula Doßler und Annett Haberlah-Pohl (v.l.). - Foto: Mücke

Allersberg (HK) Literatur hatte in der DDR einen großen Stellenwert. Allerdings war sie stark an den Zielen des SED-Staates orientiert. Das wurde bei einem Vortragsabend in der Bücherei Allersberg deutlich. Daran teil nahmen auch Zeitzeugen, die von ihren Erfahrungen aus der DDR-Zeit berichteten.

Allersbergs stellvertretender Bürgermeister Thomas Schönfeld berichtete zu Beginn des Abends von seinen persönlichen Erfahrungen während der Mauereröffnung. Er war damals im Rahmen seiner Bundeswehrtätigkeit in den Rocky Mountains (USA) stationiert und hatte durch einen Kanadier davon erfahren. „Da wäre ich gerne dabei gewesen und hätte mit auf die Mauer klettern wollen“, sagte der CSU-Politiker. Als eine tolle Geschichte bezeichnete es Schönfeld, dass die Wiedervereinigung friedlich geschafft wurde.

Kreisheimatpflegerin Anett Haberlah-Pohl ging dann auf die Geschichte der DDR ein – angefangen von der offiziellen Staatsgründung des zweiten deutschen Staates im Oktober 1949 bis zur Wiedervereinigung im Jahre 1990. Dabei erwähnte sie auch die Gründung der SED im April 1946 und den starken Mann der damals noch schwachen Partei, Walter Ulbricht. Seine Strategie sei vor allem durch zwei Elemente gekennzeichnet gewesen: den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft und dieses Modell für ganz Deutschland zu realisieren. Der Mauerbau 1961 sei erfolgt, um ein weiteres „Ausbluten“ zu verhindern, womit aber auch der ökonomische Zusammenbruch erst einmal verhindert war. Haberlah-Pohl berichtete von einem damit verbundenen schweren Schlag vor allem für die DDR-Opposition, von verschärften Repressalien gegen die Widerständler und von aufgrund der Stasi-Tätigkeiten vermehrten Gefängnisverurteilungen, aber auch von einem Rückzug insbesondere der Jugend von Staat und Gesellschaft. Westliche Einflüsse sollten verhindert werden, was auch aus dem 1983 von Udo Lindenberg veranstalteten Gastspiel im Osten und der anschließenden staatlichen Absage der geplanten DDR-Tournee hervorgeht. Die DDR habe den Anspruch erhoben, ein völlig neues Deutschland zu sein und der einzige deutsche Staat, der seinen Bürgern Frieden und Einheit, Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit garantiere. Die Mehrheit der Bevölkerung, so Haberlah-Pohl, habe aber entweder unzufrieden gelebt oder versucht, ein selbstständiges Leben aufzubauen.

Näher befasste sich die gebürtige Bautzenerin auch mit der Flucht aus der DDR. Zwischen Oktober 1949 und Juni 1990 hätten mehr als 3,8 Millionen Menschen den Staat verlassen, viele davon illegal und unter großen Gefahren. Bei Grenzzwischenfällen hätten zwischen 1949 und 1989 1135 Menschen ihr Leben gelassen. Recherchiert hatte die Archivarin, dass ab 1975 und später ab 1985 eine stark steigende Zahl von DDR-Bürgern nach Allersberg gekommen war. Ab 1987 wären insgesamt 53 DDR-Übersiedler nach Allersberg gezogen, wovon allerdings nur noch ein kleiner Teil in der Marktgemeinde lebt.

Mit der Literatur in der DDR hatte sich die Leiterin der Gemeindebücherei, Cordula Doßler, auseinandergesetzt. Sie war selbst mit ihren Eltern nach dem Mauerbau 1962 aus der DDR geflüchtet. Nach dem Vorbild des Gorki-Instituts in Moskau sei auch in der DDR ein ähnliches Institut aufgebaut worden, das den dort tätigen Schriftstellern kaum Sorgen im Lebensunterhalt bereitete. Die SED förderte dabei zwar Schriftsteller, bestimmte aber gleichzeitig, was gelesen werden durfte und wie viel sozialistische Wirklichkeit dem Leser zuzumuten sei. Auch eine Zensur habe es gegeben. „Gelesen werden sollte, was der SED gefiel“, sagte Doßler, die das auch mit der Ausweisung von Wolf Biermann 1976 unter Beweis stellte. Jedes Buch hatte dem Kulturministerium zur Beurteilung vorgelegt werden müssen, das dann auch die Auflagenhöhe bestimmte. Lesen wurde staatlich gefördert. Ein dichtes Netz an Literaturpreisen und ein noch dichteres Netz an Bibliotheken, das von der Zentralbibliothek bis zu den Dorfbibliotheken reichte, sollte der Bevölkerung viel Stoff zum Lesen bieten. Dazu kamen spezielle Betriebs- und Schulbibliotheken. „Im Arbeitsleben kam man nicht am Buch vorbei“, sagte Doßler. 1970 hätten in der DDR, mit einer Bevölkerung von rund 16 Millionen Menschen, mehr als 17 000 Bibliotheken zur Verfügung gestanden. Die vier Millionen Leser brachten es auf 60 Millionen Entleihungen. Demgegenüber bestanden in der Bundesrepublik mit seinen 61 Millionen Einwohnern (1987) gut 11 000 Bibliotheken mit 217 Millionen Entleihungen.