Eichstätt
"Die wissen, dass ihnen keiner was kann"

Geschützt: Immer mehr Siebenschläfer bevölkern das Eichstätter Umland und werden zu einer Plage

31.07.2013 | Stand 02.12.2020, 23:50 Uhr

Tierischer Hausbesetzer: Dieser Siebenschläfer hat sich in einem Kasten einquartiert, der eigentlich für Meisen vorgesehen war. Davon lässt er sich allerdings nicht stören.

Eichstätt (EK) Seit 2004 steht der Siebenschläfer auf der Liste der zu schützenden Tiere. Immer mehr Landkreisbürger halten ihn allerdings für eine Plage. Die Tiere machen sich als Untermieter breit und richten erheblichen Schaden an.

Die Betroffenen fühlen sich mit diesem Problem alleingelassen. In einer Seitenstraße in einem Ort irgendwo im Landkreis Eichstätt steht ein Haus, dessen Bewohner jeden Tag einen nahezu aussichtslosen Kampf führen. Immer, wenn die Nacht hereinbricht, dringen kratzende und scharrende Geräusche an die Ohren der Schlaflosen. Auf dem Dachboden und in den Zwischenwänden von Hera und Philipp Weber (Namen geändert) haben Siebenschläfer ihr Sommerquartier bezogen. Und das bringt Probleme für die Webers: Krach, unhygienische Zustände in den oberen Stockwerken, Schlafmangel, der enorme Wertverfall ihrer Immobilie und nicht zuletzt das Artenschutzgesetz – Siebenschläfer gehören zu den geschützten Arten.

Begonnen hat alles vor langer Zeit: „Den Ersten fand unsere damals 14-jährige Tochter noch süß – das war vor über 20 Jahren“, sagt Hera Weber. Um der Plage Herr zu werden, fangen die Webers die pelzigen Tierchen mit Lebendfallen – sie zu töten käme für die Eheleute nicht infrage – und fahren sie anschließend bis zu 30 Kilometer weit raus in die Wildnis. Mittlerweile tragen sie fast jeden Tag einen Siebenschläfer aus dem Haus – und genau deshalb möchten sie ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen. Denn Rudolf Hackenberg von der Naturschutzabteilung im Landratsamt Eichstätt dürfte davon nichts erfahren. Schon das Fangen geschützter Tiere ist nämlich verboten – selbst, wenn ihnen dabei nicht ein Haar gekrümmt wird: „Das nackte Gesetz ist da manchmal hart“, gibt Hackenberg zu. Seine Behörde habe zwar Spielraum in der Bewertung und Sanktionierung, aber das Schutzgebot sei einzuhalten, so Hackenberg weiter.

Und in der Tat ist der Schutz der kleinen Nager den Webers ein Dorn im Auge: „Wir sind sehr tierliebe Menschen – haben Hund und Katze am Hof sowie ein Insektenhotel im Garten“, sagt Hera Weber. Doch irgendwann höre die Liebe dann aber auf. „Seit die Siebenschläfer 2004 unter Schutz gestellt wurden, können wir ganz klar beobachten, dass es immer mehr Tiere in unserem Haus werden. Weshalb muss der Siebenschläfer bei uns bitte geschützt sein“, fragen sich die Webers inzwischen.

Das kann Johann Beck, Vorsitzender der Kreisgruppe des Bund Naturschutz in Eichstätt, den Webers erklären: „Bayern ist der Kern des Verbreitungsgebietes dieser Tiere – klar kommen die hier oft vor“, so Beck gegenüber unserer Zeitung. In Eichstätt und Umgebung gebe es den Siebenschläfer vielleicht wirklich ausreichend, bemerkt der Tierschützer zaghaft. Dennoch sei es insgesamt ein seltenes und daher schützenswertes Tier.

Dass sich am Schutzzustand etwas ändert, ist nicht unmöglich, aber unrealistisch. Welche Tiere auf der Liste stehen und welche nicht, entscheiden laut Hackenberg nicht der Landkreis, sondern die Europäische Union (EU) und die Bundesrepublik Deutschland. Die Liste werde zudem laufend aktualisiert: „Wenn die nächste kommt, dann sind die Siebenschläfer vielleicht nicht mehr darauf vertreten“, erklärt Hackenberg. Versprechen könne er das aber niemandem – er wolle den Betroffenen keine falschen Hoffnungen machen. Einen Trost kann er dann aber doch aussprechen: Zum Glück seien Siebenschläfer recht behäbige Tierchen – Marder wären doch viel schlimmer.

Diese Aussage hilft den Webers allerdings auch nicht weiter. „Da die Tiere geschützt und zugegeben niedlich sind, wagt sich keiner an sie heran“, sagt Philipp Weber. Er habe mit Jägern gesprochen, die von ganzen Horden von Siebenschläfern berichtet hätten, die quasi auf der Flinte tanzen: „Als wüssten die, dass ihnen keiner was kann“. Die Belastung für die Eheleute wird indes immer größer. „Wir schlafen heute im unteren Stockwerk – oben ist in den Sommermonaten nicht daran zu denken“, sagt Hera Weber. Und wenn eine ungewöhnlich große Fliegenpopulation im Haus sei, dann wisse man, dass wieder ein Tier tot in einer Ecke liege.

Wenn der Sommer sich dann dem Ende neigt, und die Tiere sich ihre Quartiere für die dunklen Monate suchen, beginnt das große Aufräumen. „Dann muss der gesamte Dachboden und noch mehr geschrubbt und desinfiziert werden“, beschreiben die Webers die Lage. Mittlerweile habe man sich sogar extra Gerätschaften dazu angeschafft. Die Einschränkungen durch die „Gäste“ seien schon fast ein normaler Bestandteil des Alltags, sagt Philipp Weber. Gewöhnen könne man sich daran aber nicht. „Als letzten Ausweg sehe ich nur den Verkauf des Hauses – wobei wir das Problem angeben müssten, was einen Verkauf unrealistisch macht.“

Wirklich helfen kann Hera und Philipp Weber wohl nichts. Sie haben alles versucht: Chili, grelles Licht am Dachboden, die Katze – nichts hat gewirkt: „Wenn die Tiere im Winter weg sind, dann sollten die Webers ihren Dachboden und alle Ritzen am Haus gut abdichten“, rät Johann Beck. Jetzt aber, sagt er, „kann man gar nichts tun“.