Eichstätt
"We want to learn Deutsch"

Sprachangebote für Flüchtlinge sollen besser koordiniert werden – Universität erarbeitet auch Konzept zur Lehrerfortbildung

19.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

 

Eichstätt (EK) Die Flüchtlinge haben nach ihrer Ankunft ein Ziel: Sie wollen Deutsch lernen. Sie sind froh um die ersten Wörter, die ihnen Freiwillige der VHS im Eichstätter Erstaufnahmelager vermitteln. Doch damit ist es nicht getan. Deshalb entwickelt die Universität eine Aus- und Weiterbildungsstruktur.

Aktuell geht es in Eichstätt um die Vernetzung der verschiedenen Angebote für die derzeit 181 und bis zu 300 Asylsuchenden in der Erstaufnahmeunterkunft am Residenzplatz. Die Leiterin der Volkshochschule (VHS), Eva Eisenkeil, hat unverzüglich eine Handvoll pensionierter Lehrkräfte zusammengetrommelt, die den Leuten, die meist aus afrikanischen und arabischen Kriegs- und Krisengebieten geflohen sind, pragmatisch ein paar Worte beibringen. Aber Eisenkeil ist in Sorge, denn: „Die Gruppe ist zu groß, wir brauchen dringend Verstärkung.“ Alle, die hier einsteigen wollen, sollen sich bei der VHS, Telefon (0 84 21) 33 77, melden.

Es müssen keine Lehrkräfte sein, denn es geht um erste Grundbegriffe – zum Beispiel um Wochentage. „Mon-tag, Diens-tag, Mitt-woch,. . . “, ruft die Gruppe im Physiksaal der ehemaligen Maria-Ward-Schule zum Beispiel gerade im Chor; darunter Salim Matouk, der in Damaskus Metzger war und nun mit seiner Frau und den Kindern eifrig jedes Wort phonetisch-arabisch notiert und nachspricht, um es sich einzuprägen. In der Reihe dahinter sitzt der 35-jährige Muneer Alkhatib Almzayek, ebenfalls aus Damaskus. Er spricht und schreibt fließend arabisch und englisch und sagt: „We want to learn Deutsch.“ Er war in seiner Heimat Ingenieur und ist aus dem Kriegsgebiet über Libyen und das Mittelmeer geflohen und jetzt in Eichstätt gelandet – wo er ganz von vorne beginnen muss und möchte. Bei den Deutschstunden im Erstaufnahmelager am Residenzplatz geht es um rudimentäre Sprachkenntnisse und natürlich auch um eine sinnvolle Beschäftigung. Die Leute sollen hier aber nur drei, vier Monate bleiben, bis sie im Zuge ihres Asylverfahrens in anderen Gemeinschaftsunterkünften oder dezentralen Unterbringungen in den Gemeinden eine längere Bleibe finden.

Es ist also längerfristiges Engagement nötig. Deshalb werden ebenfalls in ehemaligen Klassenräumen der Maria-Ward-Schule auch Flüchtlinge unterrichtet, die schon einige Monate im Landkreis Eichstätt leben. Diese Kurse bietet das Berufliche Fortbildungszentrum (BFZ) Ingolstadt im Auftrag des Bayerischen Sozialministeriums an. Seminarleiter Georg Weiß hatte die Unterrichtsräume ab 22. September unbeachtet von der Öffentlichkeit gemietet – „und eine Woche später standen hier Staatskarossen und Presse im Hof“: Das Schulgebäude war innerhalb weniger Tage zum Erstaufnahmelager geworden, ein Vorgang, die die Dynamik der Flüchtlingssituation zeigt. Auf die muss auch gesellschaftlich reagiert werden.

An der Katholischen Universität in Eichstätt gibt es bereits seit vier Jahren das Modul „Educulture“, das gesellschaftliches Engagement und Wissenschaft miteinander verbindet und im Landkreis Eichstätt durch Tun.Starthilfe bereits bestens bekannt ist. Uni-Präsidentin Gaby Gien verweist darauf, dass sich hier pro Semester 70 bis 100 Studierende engagieren. Sie bieten ihr Know-how aktuell auch in der Erstaufnahmeunterkunft an. So hat die Tun.Starthilfe zum Beispiel in den vergangenen Jahren bereits Unterrichtsmaterial entwickelt, das sie nun auch der VHS zur Verfügung stellt. Ziel soll es aber sein, dass sich alle, die im Landkreis Eichstätt Flüchtlingen Sprachkurse geben, vernetzen. Ansprechpartnerin ist an der Universität Christine Heimerer (christine.heimerer@web.de), ein erstes konkretes Treffen dazu ist am 29. Oktober geplant.

Denn, wie Uni-Präsidentin Gaby Gien erklärt, ist es wichtig, dass die Dozenten der Kurse – Studierende ebenso wie Ehrenamtliche – besser aus- und fortgebildet werden. Die Uni bietet dazu begleitend unter anderem eine Ringvorlesung, Projektseminare und im nächsten Wintersemester ein Forum Universale zum Thema Flucht an.

Und schließlich schickt sich die Uni an, eine Vorreiterrolle bei der bayerischen Lehrerfortbildung zu übernehmen. „Viele Lehrkräfte sind mit der steigenden Zahl von oft traumatisierten Flüchtlingskindern, die ohne ein Wort Deutsch zu können in ihren Klassen sitzen, völlig überfordert“, sagt Gaby Gien und verweist auf die aktuelle Berichterstattung dazu. Die KU entwickelt gerade spezielle Zertifizierungskurse für Lehramtsstudierende und Weiterbildungen für die bereits unterrichtenden und überforderten Lehrer in Bayern.