Eichstätt
Konsequente Folgen der Geschichte

28.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:54 Uhr

Historische Aufnahmen von Burg Kipfenberg gibt es viele (oben) - auch aus der Zeit der archäologischen Grabungen von Professor Franz Taeschner (unten links). Rechts das Luftbild eines Kirchenfundaments auf dem Michelsberg.
‹Œ Archiv: Rieder

Eichstätt (EK) Blickt man ein wenig zurück, so sind verschiedene Bezeichnungen der Orte, die zu Kipfenberg gehören, nur konsequente Folgen aus der Geschichte. Das bajuwarische Reihengräberfeld beim ehemaligen Kipfenberger Bahnhof wurde als die Grabstätte der "Böhminger Bauern" bezeichnet. Diese Interpretation ist schlüssig, denn im Weichbild des heutigen Kipfenberg selbst ließ sich keine zugehörige Siedlung feststellen. Böhming als Ort mit der Endung "-ing" ist sicherlich die älteste dauerhafte Siedlung auf Kipfenberger Gemeindegebiet und dürfte um das Jahr 500 mit der Gründung eines großen Hofes, des späteren Meierhofes, begonnen haben.

Als nächstes siedlungspolitisches Großereignis gilt die Rodungsphase der Karolinger Zeit. Gemeint ist damit die Gründung der Ortschaften, die auf "-dorf" enden. Im Tal ist dies Grösdorf und auf der Hochfläche Pfahldorf, Oberemmendorf, Dunsdorf und Schelldorf. Interessant ist die erste Nennung Pfahldorfs im Jahr 820, also kurz nach dem Tod Karls des Großen. Auch andere Orte dürften dieser Gründungszeit angehören, vielleicht etwas jünger sein wie Kemathen, dann eine namenlose Talsiedlung in Arnsberg, der Ort Schambach, Hirnstetten, Irlahüll und Biberg. Noch ein wenig jünger sind Attenzell und Krut, Genaueres wird man so lange nicht wissen, als archäologische Beobachtungen als Quellen zur Verfügung stehen.

Etwa 100 Jahre später stellte die europäische Geschichte strategische Weichen, die sich auch auf Kipfenberg entscheidend auswirkten: Verheerende Raubzüge der Ungarn betrafen Norditalien und das Reich aufs Äußerste. Der Eichstätter Bischof erhielt von König Ludwig dem Kind im Jahr 908 unter anderem die Erlaubnis, in seinem Gebiet Befestigungen zu bauen.

Vielleicht war ein Abschnittsgraben auf dem Sporn des Pfahlbuck schon im Jahr 908 eine erste Notbefestigung. Bald darauf wurde auf dem Michelsberg die gewaltige Abschnittsbefestigung errichtet, in der die Bevölkerung der ganzen Kleinregion, also die Bewohner aller umliegenden Dörfer, im Ernstfall Schutz suchen konnten. Für die Sakralgegenstände aus den Kirchen baute man als vorübergehenden Bewahrort eigens eine Holzkirche am vordersten Sporn, das erste Michaelskirchlein. In der Folge wurde diese Befestigung ausgebaut und war sicher im zehnten und elften Jahrhundert militärisch besetzt. Die alte Holzkirche entwickelte sich später zum Ziel einer Wallfahrt. Im zwölften Jahrhundert erfuhr der Burgenbau im Lande eine rasante Entwicklung. Ihren Ausgang nahm diese zur Zeit der Kreuzzüge. Er führte zu einer flächenhaften Errichtung von Wehrbauten. Daran waren anfangs die Familien der Freien und Ortsadeligen beteiligt, später viele Ministerialen im Auftrag der Landesherren, hier also des Eichstätter Bischofs, des Grafen von Hirschberg, des Bayerischen Herzogs oder des Königs. Spätestens jetzt wird der Kipfenberger Raum zu einem begehrten Standort für wehrhafte Bauten, was von seinen natürlichen Felsformationen abhing.

Beginnen wir mit einem Blick auf den Michelsberg, weil sich dort das Fundament eines Turmes aus der Zeit um 1200 erhalten hat. Man hatte diesen in den viel älteren zentralen Bau der Abschnittbefestigung, und zwar in den ungarnzeitlichen Wall, eingesetzt. Seine Datierung leitet sich ab von Buckelquadern, die hierfür verbaut wurden. Generell hat man derart behauene Werksteine ab dem späten zwölften Jahrhundert hauptsächlich eben für Bergfriede verwendet. Das Bauvorhaben auf dem Michelsberg blieb unvollendet, weshalb zu vermuten ist, dass der Standort nicht passte. Vielleicht sollte hier ja die ursprüngliche Burg Kipfenberg errichtet werden.

Bevor wir uns der Burg Kipfenberg zuwenden, sei noch ein kurzer, aber notwendiger Exkurs zur nahen Burg Arnsberg vorgenommen. Bau- und architekturgeschichtlich zeigt die dortige Hauptburg, dass die Fundamente der Umfassungsmauer aus aufwendig bearbeiteten, glatten Handquadern errichtet worden waren, ein frühes Merkmal. Der Bergfried für sich betrachtet zeigt einheitlich großformatige Buckelquader, ein Indiz für eine Bauzeit um 1200. Hier stellt sich die Frage, ob die Edelfreien Herren von Arnsberg, welche eines Geschlechts mit den Erlingshofern sind, schon um die Mitte des 12. Jahrhunderts in Arnsberg als "Burgenbauer" auftraten. Woher stammte die wirtschaftliche Potenz, um diese mächtige Burg an ihrer exponierten Stelle zu errichten? Offensichtlich, so belegen es die archivalischen Quellen, waren sie sehr begütert. Auf Burg Kipfenberg fehlt diese baugeschichtlich frühe Phase. Der dortige Bergfried entstand sicher erst um 1200.

Auch für die Burg Kipfenberg stellt sich die Frage, wer die wirtschaftliche Kraft besaß, dieses aufwendige Bauwerk zu errichten. Viel später, erst in der Verkaufsurkunde von 1301 erfahren wir, dass die Kropfe von Flüglingen dieses Castrum schon "von alters her" besaßen. Zurückgerechnet könnten dies durchaus drei bis vier Generationen gewesen sein, was einen Zeitraum von etwa 100 Jahren umfasst. Die Familien der Kropfe von Emetzheim und Flüglingen und später von Kipfenberg standen im Dienste des Reiches und waren dadurch offenbar ausreichend begütert, eine derartige "Felsenburg" zu errichten.

Erst ab 1277 ist gesichert, dass Konrad der Jüngere Kropf von Flüglingen seinen Sitz nach Kipfenberg verlegt hat. War vorher die Burg von Bediensteten verwaltet worden, von Ministerialen? Zum Jahr 1266 erfahren wir erstmals von einem Ritter Rüdiger, der sich "von Kipfenberg" nannte. Dies war zu jener Zeit, als der alte Konrad Kropf von Flüglingen im höchsten Rang eines Marschalls des Reiches mit dem letzten Staufer Konradin nach Italien gezogen war. Bekanntlich wurden beide in Neapel im Jahr 1268 enthauptet. Ritter Rüdiger von Kipfenberg dürfte damit wohl ein Ministerialer der Kropfe von Flüglingen gewesen sein.

Der Name Rüdiger taucht im Übrigen schon bei den Edelfreien von Enkering auf und dann in einer Folge mehrerer Generationen bei den Ministerialen von Erlingshofen. Es liegt auf der Hand, dass ein Mitglied dieser Familie im Dienste der Flüglinger Kropfe mit der Burghut des Castrums Kipfenberg betraut war. Nachdem Konrad Kropf der Jüngere zusammen mit seiner zweiten Frau Petrissa die Burg und das Oppidum im Jahre 1301 an den Eichstätter Bischof Konrad von Pfeffenhausen verkauft hatte, wurde dort ein bischöfliches Pflegamt eingerichtet.

Nicht ganz leicht zu entschlüsseln ist die Frage, was mit Oppidum gemeint ist. Archäologische Untersuchungen konnten keine Befestigung nachweisen, wie etwa zu vermuten gewesen wäre. Wohl aber bestand eine Siedlung unterhalb der Burg, wie Funde des 13. Jahrhunderts belegen. Vielleicht war die Nennung des Begriffs Oppidum eben nur das vom König an Konrad Kropf verliehene Recht eines solchen. In Beilngries hieß es zu eben jener Zeit "Mercato in opido", also Markt in einer Befestigung. Auch dort ist nicht gesichert, ob eine solche schon bestand.

Die Erlingshofener kannten die lokalen Verhältnisse wohl recht gut, weshalb es nicht verwundert, dass uns als erster bischöflicher Pfleger auf Burg Kipfenberg im Jahr 1301 ein "Ernst von Erlingshofen" entgegentritt.