Eichstätt
Von Wissenschaft und Brokkoli-Pizza

In der Auftakt-Vorlesung der Kinderuni an der KU Eichstätt ging es um Lebensmittelverschwendung

20.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr
Da hilft das Melden nichts: Bei einem Experiment muss man die Probanden zufällig auswählen, wie Alexander Danzer erklärte. Deswegen zählte der Professor der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der KU nach Zufallszahlen ab, wer mitmachen durfte. Die ausgewählten Schnupper-Studenten hatten Glück: Ihre Aufgabe im Experiment bestand darin, Kekse zu essen. −Foto: Poese

Eichstätt (EK) Was ist ein Experiment? Warum ist Forschung manchmal kompliziert? Um solche Fragen geht es bei der Kinderuni, einer Kooperation der KU Eichstätt und der TH Ingolstadt. Zum Auftakt nahmen zwei Forscher aus der Mikroökonomik das Phänomen Lebensmittelverschwendung unter die Lupe.

Null Kekse zu acht-dreiviertel Kekse - was ist das? Das Ergebnis eines Experiments, das den Jungstudenten in einer Vorlesung der Kinderuni zeigte, wie man Lebensmittelverschwendung erforschen kann. Alexander Danzer, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der KU, und seine Mitarbeiterin Helen Zeidler (Foto unten) erklärten anhand einer einfachen Frage, dass jeder etwas mit dieser Art der Verschwendung zu tun hat: "Habt ihr schon mal euren Teller nicht aufgegessen?" Die Schüler der vierten bis sechsten Klasse, die im großen Vorlesungssaal der KU zu Gast waren, bewiesen auch gleich, dass sie schon eine Menge zum Thema wussten. Ein Bub berichtete, dass es ein Problem sei, wenn Lebensmittel ihr Mindesthaltbarkeitsdatum überschreiten. "Dann schmeißen die Supermärkte das meistens weg."
 

Der VWL-Professor erklärte den rund 80 Jungstudenten, dass der sogenannte Gegenwartsfehler dafür sorgt, dass so oft etwas übrig bleibt: Man wollte sich gesünder ernähren und kauft Brokkoli, lässt sich dann stattdessen aber doch von der Tiefkühlpizza verführen - und das Gemüse verdirbt. "Aber man könnte doch auch den Brokkoli auf die Pizza tun", schlug ein Mädchen aus der ersten Reihe vor. "Genau", meinte Alexander Danzer, kreatives Kochen mit Resten sei eine gute Idee. Aber: "Eine Brokkoli-Pizza würd' ich nie essen", warf ein Bub von hinten ein.

Was die Theorie der Unachtsamkeit ist, erfuhren die Kinder dann in einem Experiment: Zwei Gruppen von Probanden sollten zwei Minuten lang Kekse essen, sie bekamen alle gleich viele auf einem Teller. Eine Gruppe schaute währenddessen einen Film auf einem kleinen Laptop an, die andere nicht. "Da krieg ich ja Hunger", beschwerte sich ein Kind aus den Reihen. Auch sonst herrschte aufgeregtes Murmeln während des Experiments. "Bitte nicht die Probanden ablenken", mahnte der Professor mit einem Schmunzeln. "Deswegen finden Experimente normalerweise in Räumen statt, wo keine Zuschauer sind", erklärte er. Trotzdem klappte es mit dem Ergebnis: Die Kinder mit Filmunterhaltung hatten acht-dreiviertel Kekse übrig gelassen, die anderen null. Und ein cleveres Mädchen interpretierte gleich richtig: Wenn man abgelenkt ist, achtet man nicht aufs Essen.

 

Zu den Kinderuni-Vorlesungen in Eichstätt über Optische Täuschungen, Werbung im Internet oder Automatisiertes Fahren kann man sich noch anmelden. Informationen dazu unter www.thi.de/kinderuni.

DAS WICHTIGSTE ZUM THEMA

In einer Studie untersucht der Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Schwerpunkt Mikroökonomik, an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) gerade, warum Konsumenten so viele Lebensmittel wegwerfen. Dazu gibt es kaum verlässliche Zahlen. Die bisherigen Studien sind teils sehr oberflächlich.

 

Laut einer Schätzung der UN wird ein Drittel aller für die Ernährung des Menschen produzierten Güter weltweit weggeworfen. Dafür sind je nach Studie und Schätzung zu 30 bis 60 Prozent die Privathaushalte verantwortlich.

 

Warum Konsumenten Essen wegschmeißen, für das sie Geld ausgegeben haben, interessiert in der Mikroökonomie sehr. Auch der wirtschaftliche und ökologische Schaden durch Ressourcenverschwendung (Böden, Wasser) und CO2-Ausstoß (durch Tierhaltung und Transport) macht das Thema wichtig, genauso wie die Tatsache, dass Lebensmittelverschwendung die ungleiche Nahrungsverteilung in der Welt noch verschärft.

In der KU-Studie laufen gerade Messungen, wie viel Studenten in Uni-Mensen an Resten auf dem Teller lassen. Im Durchschnitt sind es 15 Gramm. Außerdem sind Experimente geplant. Sie sollen Theorien überprüfen, zum Beispiel, ob man mehr übrig lässt, wenn man während des Essens abgelenkt war.

 

In anderen Studien haben Forscher die Essensverschwendung an Hotelbuffets untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass weniger Reste bleiben, wenn die Teller kleiner sind oder ein Schild darauf hinweist, dass man gerne öfter ans Buffet kommen kann. Auch das muss aber noch besser untersucht werden. | kpo