Eichstätt
Herzoglicher Hoforgelbauer

Zum 100. Todestag von Josef Bittner – Erinnerungen an eine Eichstätter Handwerkerdynastie

24.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:37 Uhr

 

Eichstätt (EK) Am 25. Februar 2015 jährt sich zum 100. Mal der Tod des herzoglich bayerischen Hoforgelbauers Josef Bittner. Bittner war der bekannteste Nachfolger von Johann Martin Baumeister, dem Eichstätter Orgelbauer der Barockzeit.

Josef Bittner kam am 14. September 1852 als Sohn des Orgelbauers, Schreiners, Bildhauers und Malers Joseph Bittner (1822 – 1908) und seiner Ehefrau Marianna, geborene Bullinger aus Obereichstätt, in Hilpoltstein zur Welt. Da dort sein älterer Bruder Max ebenfalls eine Schreinerei und in kleinem Umfang Orgelbau betrieb, versuchte Joseph Bittner senior einen Wechsel in die Bischofsstadt Eichstätt, wo der Orgelbauer Eckerle im April 1855 im Alter von 67 Jahren gestorben war.

Da dieser keinen guten Ruf gehabt hatte und mehr schlecht als recht beruflich über die Runden gekommen war, hatten die Behörden Bedenken, wieder einen Orgelbauer hier ansässig werden zu lassen. Es dauerte bis 1856, bis die Erlaubnis erwirkt werden konnte.

Josef Bittner junior besuchte in Eichstätt die Volksschule und vier Jahre das humanistische Gymnasium. Es folgte die Gewerbeschule in Augsburg, danach die Lehre als Orgelbauer in der väterlichen Werkstatt, wo alljährlich kleinere Orgelwerke gefertigt wurden. Daneben bestand die Hauptbeschäftigung in der Wartung und dem Umbau der Instrumente in Eichstätt und Umgebung.

Auf Wanderschaft lernte Josef bei großen Orgelbaufirmen in Salzburg, Wien und Stuttgart. Von 1872 bis 1875 leistete er seinen Militärdienst ab, den er mit dem Rang eines Sergeanten abschloss. Hierauf kehrte er in den väterlichen Betrieb zurück. Am 3. Mai 1879 heiratete er in Eichstätt Louise Lehmann aus Waibstadt im Badischen. Gleichzeitig wurde er beim Vater als Compagnon aufgenommen. Beide übernahmen noch im selben Jahr in Nürnberg die Orgelbauwerkstätte des Vetters Augustin Bittner, der verstorben war und keinen Nachfolger hatte. Den Erben kauften sie das Werkzeug ab und übernahmen die noch anstehenden Garantieleistungen.

Zunächst wohnte das junge Ehepaar in der hinteren Sterngasse 22, wo auch der erste Sohn August Wilhelm am 20. April 1880 geboren wurde. Danach zogen sie 1881 zum Bruder von Augustin, Johann Michael, in das Anwesen Brunnengässchen 18. Hier kam der zweite Sohn Max am 26. März 1881 zur Welt. Da der Betrieb florierte, kaufte Josef im Juli 1882 das Anwesen Deutschherrnstraße 7 für 56 200 Mark. Der Vater Joseph kehrte 1883 nach Eichstätt zu seiner Familie zurück und übte noch etwa zehn Jahre das Orgelbauhandwerk aus. Josef verkaufte im April 1897 seinen Besitz in Nürnberg zum Preis von 64 500 Mark und verlegte den Betrieb nach Eichstätt, da in Nürnberg die evangelische Konkurrenz sehr groß geworden war. Zudem wollte der Eichstätter Bischof Freiherr Franz von Leonrod wieder einen Orgelbauer im Ort haben.

Zunächst war die Werkstätte in der Pedettistraße, damals B 182. Im Oktober 1899 kaufte Josef von der Heilig-Geist-Spital-Stiftung einen Acker mit der Auflage, innerhalb zwei Jahren sein Anwesen zu errichten (Antonigasse E 166). Der Vertrag wurde im März 1900 vom Notar Josef Kain urkundlich beglaubigt. Im Mai 1901 waren Haus, Werkstätte und Nebengebäude errichtet. Im Oktober 1907 bekam Josef das Bürgerrecht in Eichstätt verliehen und wurde zum Gemeindebevollmächtigten gewählt. 1913 wurde er zum Magistratsrat berufen. Für seine 1905 erbaute Orgel in der Kloster- und Pfarrkirche Banz wurde ihm 1907 der Titel eines herzoglich-bayerischen Hoforgelbauers verliehen.

Die Gesundheit von Josef nahm ab dem Alter von 60 Jahren rapide ab. Im Juni 1912 klagte Josef dem Pfarrer von Beilngries: „Seit Ostern mußte ich die meiste Zeit das Bett hüten. Mit Gicht ging es an, darauf entwickelte sich eine Rippenfellentzündung. Kaum fertig damit bekam ich Ischias“. Nach der Heirat seines Sohnes August 1913 nahm er diesen als Gesellschafter in das Geschäft auf und übertrug ihm hauptsächlich den Außendienst.

Dies hatte aber nicht lange Bestand, da 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach und August einberufen wurde. Am 25. Februar des darauf folgenden Jahres starb Josef an Apoplexie, die Matrikeln des Dompfarramtes verzeichnen „improvisus exiit“.

Josef war durch seine ausgedehnte Wanderschaft sehr innovationsfreudig geworden. Verwendete sein Vater noch die traditionelle Schleiflade bei neuen Orgeln, baute Josef von Anfang an nur moderne Kegelladen ein. Er nutzte den verbreiteten guten Ruf seines verstorbenen Vetters Augustin und konnte in der katholischen Hauptkirche St. Marien in Nürnberg gleich zu Anfang seiner Karriere 1881 eine neue Orgel errichten. Im Anwesen Deutschherrnstraße wurden sukzessive Maschinen und ein Gasmotor angeschafft, um die Arbeiten zu erleichtern. Die nächste Station war die neue Hauptorgel im Eichstätter Dom 1886, wo Josef erstmals auf Bischof Freiherr Franz von Leonrod traf. Sein zweitgrößtes Werk konnte er 1890 im Ingolstädter Münster errichten. Das Projekt wurde von namhaften Sachverständigen begleitet.

Seine Aufgeschlossenheit gegenüber Neuerungen bewies er mit dem Neubau der Orgel im Willibaldschor des Eichstätter Domes 1892, wo er pneumatische Membranladen nach dem System des Orgelbauers Weigle einbaute. Die Empfehlung für Eichstätt als Firmenstandort war im Jahre 1896 seine erste dreimanualige Orgel für die Schutzengelkirche gewesen. Bestellt wurde eine einfachere Orgel, aber Josef legte seinen ganzen Ehrgeiz darauf und lieferte zusätzliche Arbeiten auf eigene Kosten. In Eichstätt entwickelte er sein eigenes Windladensystem, die sogenannte Schüssellade, die er patentieren ließ. Zu dieser Zeit versuchten sich viele Orgelbauer an eigenen Systemen mit unterschiedlichem Erfolg.

Im Jahre 1903 konnte er in die katholische Kirche St. Elisabeth in Nürnberg seine drittgrößte Orgel liefern, die mit Ausnahme von kleineren Kriegsschäden 1945 vollständig erhalten blieb, da sie bis 1990 ausschließlich von den Nachkommen der Werkstätte gewartet wurde. Krönung seines Lebenswerkes war die dreimanualige Orgel in der neuerbauten Stadtpfarrkirche St. Walburga in Beilngries mit 44 Registern, die als Klangkörper vollständig erhalten ist, lediglich die Technik wurde 2012 erneuert.

In seinen 36 Jahren als Firmenchef konnte Josef sämtliche Stadtpfarrkirchen des Bistums Eichstätt mit neuen Orgeln beliefern. Man war um die Jahrhundertwende sehr erneuerungsfreudig, beflügelt von der neuen Technik der Pneumatik, die es erlaubte, die einzelnen Orgelwerke frei aufzustellen und nicht technisch bedingt zentral orientiert. Seine letzte, 167. Orgel lieferte er für die Pfarrkirche Döllwang.

Sein Sohn Max, der seit 1903 bei der holländischen Firma Verschueren als Intonateur tätig war, war gerade vom Kriegsdienst freigestellt und konnte die Orgel vollenden. Dort vermerkte der Pfarrer: „Es war die letzte Orgel, die Herr Bittner sen. aufgestellt hat. Er starb am 25. Februar 1915, kurz vor der Orgelprobe am 4. März, welche der H.H. Domkapellmeister Dr. Widmann aus Eichstätt vornahm.“