Eichstätt
Die Furcht vor dem Stromausfall

Auch der Landkreis Eichstätt befasst sich mit dem neuen Zivilschutzkonzept

26.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:23 Uhr

Das THW ist auch auf gravierende Notfälle eingestellt. Gerade hat es neue Fahrzeuge bekommen, darunter dieses Führungsfahrzeug für den Technischen Zug. Dennoch findet Standortbeauftragter Christian Tontarra (links, mit Zugführer Martin Bauch), dass der Staat dem THW finanziell stärker unter die Arme greifen sollte. Vieles, was nötig sei, müsste mit Unterstützung des Helfervereins oder über private Spenden angeschafft werden. Das THW in Eichstätt verfügt über etwa 50 Aktive und 20 Junghelfer. - Fotos: Bartenschlager

Eichstätt (EK) Die Debatte um das Zivilschutzkonzept, das am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, ist entbrannt. Im Fokus steht vor allem der Aufruf an die Bürger, sich mit Wasser und Lebensmitteln einzudecken. Doch ist das Papier wesentlich vielschichtiger und dient unter anderem dazu, die Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen im Falle eines Falles enger zu verzahnen und vor allem dazu, Regierung, Staat und Gesellschaft selbst in größeren Krisenfällen handlungsfähig und funktionstüchtig zu halten.

Auch im Landkreis Eichstätt stellt man sich auf das neue Konzept ein - und sieht sich im Großen und Ganzen gewappnet. Ein gewisser Unsicherheitsfaktor bleibt jedoch.

Wenn der Strom auch nur für eine halbe Stunde weg ist, beginnen die Probleme: Die Kassen an den Supermärkten geben keinen Pieps von sich, Tankstellen sind stillgelegt und der Geldautomat spuckt keinen einzigen Euro-Schein mehr aus, um ein paar Beispiele zu nennen. Was aber, wenn der Strom für mehrere Tage ausfällt, wenn die Wasserversorgung komplett zusammenbricht oder wenn giftige Substanzen die Bevölkerung bedrohen?

Solche Fragen sind viele Jahre verdrängt worden. Der "Kalte Krieg" ging zu Ende, was sollte noch passieren? Die Gefährdung ist jedoch geblieben; sie hat nur ein anderes Gesicht bekommen - und unsere hoch entwickelte Infrastruktur ist empfindlicher denn je.

Wenn es um Katastrophenschutz gehe, schaue es im Landkreis gut aus, versichert Franz Heiß, der Leiter des Bereichs "Öffentliche Sicherheit und Ordnung" im Landratsamt. Mit einem Szenario würde er sich jedoch nur mit Beklommenheit auseinandersetzen müssen: Stromausfall für mehrere Tage. "Das ist ein schwieriges Thema. Dafür gibt es wenig Planung, weil es sehr schwer handhabbar ist." Oberstes Gebot sei dann, das Landratsamt autark und handlungsfähig zu halten. Dafür steht ein Notstromaggregat zur Verfügung.

Auch die Alarmierung der Bevölkerung muss heute andere Wege gehen: Sirenen gibt es nicht mehr. Mit einer Ausnahme: Bei Störfallbetrieben - darunter fallen etwa Raffinerien - und im Umkreis von zehn Kilometern von ihnen blieben die Sirenen an ihrem Platz, um im Ernstfall loszuheulen.

Ansonsten würden im Ernstfall die Bürger über Fernsehen, Radio und Zeitungen informiert, sagte Heiß. Er wies darauf hin, dass es inzwischen sogar eigene Warn-Apps fürs Mobiltelefon oder Tablet gebe.

Eine der wichtigsten Organisationen, die zu Hilfe eilt, ist das Technische Hilfswerk (THW). "Wir sind in Eichstätt ganz gut aufgestellt", sagt Christian Tontarra, der Standortbeauftragte. Doch auch er muss seine Aussage einschränken: Gewisse Defizite seien nicht von der Hand zu weisen. Zwar habe das Eichstätter THW neue Fahrzeuge bekommen, aber drei von insgesamt acht Fahrzeugen haben bereits die Nutzungsdauer überschritten. Pumpen seien verschlissen, nötige Anschaffungen müssten durch den Förderverein finanziert werden. Tontarra nennt Steckleitern als Beispiel. Durch das neue Konzept hofft er auf eine bessere finanzielle Ausstattung.

Eine andere Lücke konnte vor Kurzem geschlossen werden: Es wurden Schutzanzüge angeschafft, die es den Helfern ermöglichen, bei Chemieunfällen in schwach kontaminierte Bereiche vorzudringen.

Durch Umstrukturierung passt sich das THW den neuen Anforderungen an. Beim Aufgabengebiet "Bergung und Rettung" stünden praktisch keine Veränderungen an, teilt Tontarra mit. Es existieren zwei Bergungsgruppen, die mit einer "Search-Cam" zur Vermisstenortung ausgestattet seien. "Zusätzlich ist ein Gerät in Beschaffung, das Verschüttete akustisch aufspüren kann." Auch die "Führungsunterstützung" könne das Eichstätter THW gut meistern. Bei der Notversorgung mit Strom und Trinkwasser bestehe jedoch Handlungsbedarf. "Mit einem regulären Stromausfall wären wir in Eichstätt gut beschäftigt", sagt der ehrenamtliche Standortbeauftragte. Hier sei etwas in Bewegung: Die Fachgruppe Infrastruktur, ein Überbleibsel aus der Zeit des "Kalten Krieges", werde zugunsten von Elektrogruppen reduziert. Zur Trinkwasserversorgung steht für ganz Bayern nur eine Fachgruppe bereit - und die ist in Starnberg stationiert. Auch die Notinstandsetzung, die etwa Brückenbau im Repertoire habe, könnte ausgebaut werden. Die technische Ausstattung erstreckt sich ferner auf ein Notstromaggregat und eine Hochleistungspumpe, die 5000 Liter pro Minute schafft.

Neu ab 1. September wird die Fachgruppe "Sprengen" sein, kündigt Tontarra an. Sie war früher bei anderen Ortsgruppen angesiedelt, kommt nun aber zu Eichstätt. Ihre Aufgaben: Sprengung von verkeilten Bäumen bei Windbruch, Niederlegung von einsturzgefährdeten Häusern oder Behebung von Eisstaus vor Wehren.

Direkt mit der Wasser-, Strom- und Gasversorgung hat Wolfgang Brandl zu tun, der Leiter der Stadtwerke Eichstätt. Ihm ist die Sensibilität dieser Einrichtungen geläufig. Für diese "kritische Infrastruktur" gelten besondere Sicherheitsvorkehrungen, erklärt er. Sie erstrecken sich auf gewaltsames Eindringen in Anlagen, auf Hackerangriffe oder auch auf Sabotageakte. "Alle unsere Einrichtungen sind mit gewissen Schutzmechanismen ausgestattet, die es uns ermöglichen, zu erkennen, ob unerlaubte Handlungen stattfinden." So seien Wasserbehälter mehrfach gesichert; Eindringliche lösen Alarm aus. Die EDV-Anlage in der Leitzentrale laufe als abgeschottetes System, über ein eigenes Netz. Es bestehe keine Verbindung "nach draußen", erläutert Brandl.

Geschützt sei auch das Wasserleitungsnetz, das in viele Sektionen aufgeteilt sei. Fallen Teile aus, kann die Versorgung der übrigen Stränge per Schieber dennoch gesichert werden. Er verweist überdies auf die Existenz von Notverbünden mit anderen Wasserversorgern. Auch das Stromnetz laufe als Ringsystem. "Wir veröffentlichen auch keine Netzpläne", so Brandl.

Das Sicherheitssystem lasse ein abgestuftes Reagieren je nach Lage zu, erläutert der Stadtwerke-Chef, der gleichzeitig eines klarstellt: "Hundertprozentigen Schutz gibt es nicht."