Eichstätt
Beten und bibbern

Heute beginnt die österliche Bußzeit in Eichstätt gab es traditionell einen frommen "Vorlauf"

09.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:13 Uhr

Rund 150 Gläubige beendeten gestern gemeinsam das 40-stündige Gebet. Zur Schlussandacht in der Schutzengelkirche waren auch Bischof Gregor Maria Hanke und nahezu das ganze Domkapitel gekommen. - Foto: M. Schneider

Eichstätt (EK) Diese Eichstätter sind schon eine Marke für sich: Anderswo fängt am heutigen Aschermittwoch die Zeit der Besinnung und Buße an. In Eichstätt allerdings wurde schon seit dem Faschingssonntag gebetet. Von morgens bis abends in der Schutzengelkirche. Ungewöhnlich? Tradition!

Und was für eine Tradition! Seit genau 402 Jahren, seit 1614, gibt es in Eichstätt das sogenannte 40-stündige Gebet im Vorfeld des Aschermittwochs. Die Jesuiten führten diese Anbetungsstunden einstmals unmittelbar bei ihrer Ankunft in Eichstätt ein, und das bischöfliche Seminar, vertreten durch den Regens Christoph Wölfle (kleines Bild), hält diese Einrichtung bis zum heutigen Tag in der Schutzengelkirche am Leben. Gab es jemals eine wenn auch kurze Unterbrechung? "Ich könnt's nicht beschwören, aber bei uns im Haus sind die Dinge schon eher auf die Jahrtausende ausgelegt", sagt Wölfle schmunzelnd.

Wölfle weiß gut, dass das dreitägige Dauergebet genau während des allgemeinen Straßenfaschings heutzutage erklärungsbedürftig ist. Die Grundüberlegung komme aus dem Mittelalter, als besonders fromme Menschen Sühne tun wollten für die vielen Menschen, die da draußen auf den Straßen und in den Wirtshäusern feierten und dabei ganz gewiss über die Stränge schlugen.

"Der Aspekt der Sühne ist heute nicht mehr so populär", sagt Wölfle, und zumindest in Eichstätt gehe es beim 40-stündigen Gebet nicht darum, stellvertretend für die Sünder da draußen bei Gott um Gnade zu flehen. "Früher hat man das aber so gesehen, und in Brasilien ist es heute noch so, weil der Fasching extrem über die Stränge schlägt", erklärt Wölfle. Für Eichstätt sieht er da etwas weniger Gefahr, wobei man sich auch hier durchaus um manche Ehe sorgen könne.

Überhaupt sei der Fasching zunächst einmal etwas durch und durch Katholisches, betont der Regens. Der schier unfassbar abrupte Wechsel von höchster Lebensfreude am Faschingsdienstag zur tiefsten Nachdenklichkeit am heutigen Aschermittwoch ist ein Kern der katholischen Vorstellung vom Leben, dass alles seine Zeit hat: "Wir können beides - beten und lustig sein." Solange das Lustigsein sich in maßvollen Bahnen bewegt. Insofern stellt Wölfle auch klar: "Die Fastenzeit beginnt mit dem Aschermittwoch, und sie ist die Vorbereitung für Ostern. Und ich brauche eigentlich keine Vorbereitung auf die Vorbereitung." Wofür steht dann also das 40-stündige Gebet? "Für uns heute ist der wesentliche Teil, dass es ein Zeugnis ist für Gott in einer Gesellschaft, die Gott immer mehr vergisst." Es sei "ein gewisses Alternativprogramm".

In Eichstätt war diese Alternative auch in diesem Jahr durchaus gefragt. "Die Gottesdienste sind relativ gut besucht", sagt der Regens, "die Andachten sind gut besetzt". Es sind ganz überwiegend jene ganz Treuen, die auch während des ganzen Jahres fast täglich in einer der Kirchen in der Stadt anzutreffen sind. Und während der sonstigen Anbetungsstunden tagsüber, an denen das Allerheiligste ausgesetzt ist, harrten immer etliche Betende in der berüchtigt bibberkalten Schutzengelkirche aus. Wobei: So schlimm wie früher ist es gar nicht mehr. Seit der großen Schutzengelkirchensanierung gibt es eine richtige programmierbare Heizung. Die Computersteuerung hat sogar eine eigene Sonderschaltung fürs 40-stündige Gebet - auf solch ungewöhnliche Veranstaltungszeiten sind reguläre Heizmodule nicht eingerichtet. Zur Schlussandacht am gestrigen Faschingsdienstag kam übrigens - auch das ist Tradition - der Bischof. Und danach feierte er im Bischofshaus zusammen mit dem Domkapitel Fasching.

Die Tradition des 40-stündigen Gebets wird weitergehen in der Schutzengelkirche, dafür werden Regens Wölfle und seine Nachfolger sorgen. Der heutige Aschermittwoch freilich braucht für Christen keine nähere Begründung. Da heißt es unerbittlich: "Bedenk, o Mensch, Staub bist du . . ." Und die Asche fürs das Aschenkreuz wird mancherorts aus verbrannten Luftschlangen hergestellt. ‹ŒFoto: Auer