Der gute Mensch des deutschen HipHop

13.05.2008 | Stand 03.12.2020, 5:55 Uhr

Tanne M.C. ist in der HipHop-Oberliga zu Hause. - Foto: aur

Eichstätt (aur) Es ist immer wieder verblüffend, was sich in einem – mit Verlaub – kleinen Städtchen wie Eichstätt an kulturellem Potenzial sammelt. Die Stadt ist immer für eine Überraschung gut. Und so kann es zum Beispiel passieren, dass man in der Kneipe einen Menschen trifft, der sich nach einiger Zeit als der Hiphopper Tanne M.C. aus Sachsen entpuppt, ein Mann, der in der Szene durchaus zur Oberliga gehört. Den hat es schon eineinhalb Jahr zwecks Doktorarbeit an die hiesige Katholische Universität verschlagen, und seitdem bereichert er die Eichstätter Kulturszene.

Tanne M.C. – das M.C. steht in der Szene für Master of Ceremony – macht nicht viel Rummel um sich, obwohl er im Geschäft mit seinen 31 Jahren schon als alter Hase gelten kann. Noch vor den besten Tagen der "Fantastischen Vier" stieß er daheim im erzgebirgischen Mulda auf die Rap-Legende "Three-M-Men" aus Dresden, ließ sich inspirieren und schrieb seine eigenen Texte. HipHop-Klischees gingen ihm von Anfang an auf die Nerven, und so ist seit jeher sein Markenzeichen, dass er in seinen Texten die Erwartungen gegen den Strich bürstete. Zum einen bietet er "einfach sehr viel Quatsch", aber darüber hinaus geht es immer auch zur Sache, hagelt es Seitenhiebe und Kritik. Konsumwahn geht im auf den Keks, Ghetto-Gehabe ganz genauso, teure Klamotten kann er nicht leiden, und so hat er sich in harter Arbeit den Ruf erarbeitet, ein Moralapostel des HipHops zu sein, der den Kids regelmäßig die Leviten liest. Sein Credo: Strengt euren eigenen Kopf an, macht was aus eurem Leben! Seid nicht nur Konsumenten. Lasst euch durch die Medien nicht entmündigen. "Das ist das, wofür ich mich einsetze in meinem fortgeschrittenen Alter", sagt er und grinst. Der Künstler Tanne M.C. gilt als der gute Mensch der Szene – "aber immer mit einem Augenzwinkern, denn es soll trotzdem Unterhaltungsmusik sein".

Und die kommt bei den Jugendlichen offensichtlich an. Es gibt zwei CDs von ihm, im Internet stehen über 80 Lieder von ihm, die man sich herunterladen kann. Sein Bekanntheitsgrad liege "im oberen Mittelfeld", schätzt Tanne M.C., der seinen richtigen Namen wie viele Künstler gerne ausschließlich im bürgerlichen Leben verwendet. Längst schon hätte er einen professionellen Manager haben können, und vielleicht kommt das auch noch eines Tages, aber momentan hat er einfach keine Lust auf das Profigeschäft mit all seinen Zwängen, erzählt er. Statt dessen kümmert er sich lieber um seine zwei Kinder, die in Dresden leben, und treibt in Eichstätt eine wissenschaftliche Karriere voran, indem er an der Forschungsstelle für vergleichende Ordensgeschichte über die ersten mittelalterlichen Ordensregeln in deutscher Sprache brütet. Mehr Abstand zum HipHop ist kaum denkbar.

Und auch die Stadt Eichstätt scheint auf den ersten Blick nicht gerade das Mekka des HipHop zu sein. Denkste! "Es gibt eine überraschend gute Musikszene hier, man findet schnell Anschluss", freut sich Tanne M.C. Momentan macht er im Eichstätter Jugendzentrum zusammen mit Bernd Zengerle ein HipHop-Projekt namens "Transwort": Die Kids sollen damit beim Open Air "Jura Massive" in Wintershof auftreten.

Jetzt in den Pfingstferien aber geht es erst einmal auf eine kleine, lässige Tournee in die Schweiz. Da tritt Tanne M.C. dann in Clubs und bei Partys auf, zusammen mit der Luzerner Szeneband "Kain und Abel". Und dann geht es wieder zurück an den Schreibtisch, zu mittelalterlichen Ordensregeln. September 2009 soll die Doktorarbeit fertig sein. Solange bleibt Tanne M.C Eichstätt erhalten.