Eichstätt
Die "Financial Times" staunt über unsere kleine Stadt

Internationaler Wirtschaftsjournalist beleuchtet die Vollbeschäftigung Eichstätts und deren Schattenseiten

22.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr
Ein Ausschnitt aus der "Financial Times"-Online zeigt den Eichstätter Metzgermeister Michael Schneider. −Foto: Screenshot: DK/Winkler

Eichstätt (EK) Monat für Monat ist Eichstätt bundesweit nicht zu schlagen, wenn es darum geht, die niedrigsten Arbeitslosenquoten in ganz Deutschland zu präsentieren. Zu Krisenzeiten vor knapp zehn Jahren waren es 2,2 Prozent, derzeit sind es 1,3. Das ruft regelmäßig auch überregionale Presse, Funk und Fernsehen auf den Plan, die das Eichstätter Phänomen beleuchten wollen.

Aktuell können sich nun rund 650 000 Online-Abonnenten der englischsprachigen "Financial Times" (FT) in Europa und aller Welt bei einem Einblick in "German Economy" verwundert darüber die Augen reiben, dass auch Vollbeschäftigung ihre Schattenseiten haben kann.

FT-Reporter Tobias Buck war vorige Woche ein paar Tage in der Stadt, hat mit Oberbürgermeister Andreas Steppberger und Unternehmern in Stadt und Landkreis gesprochen. Das Ergebnis der Recherche hat er jetzt veröffentlicht: "The small German town desperate for workers" - Mitarbeiter und Fachkräfte werden in Eichstätt händeringend gesucht.

Der Wirtschaftsjournalist Buck beleuchtet in seinem ausführlichen Beitrag natürlich auch die Wirtschaftslage in Deutschland allgemein - und selbst die Arbeitslosenquoten im Osten Deutschlands wirken da im Vergleich mit anderen Ländern Südeuropas noch hinnehmbar. Das bayerische Eichstätt aber - die "hübsche Barockstadt mit 14 000 Einwohnern" - ragt da noch wahrhaftig wie eine Insel der Seligen heraus. Das einzige Problem der Stadt, so stellt der FT-Beitrag fest, sei eben der "Fachkräftemangel", ein Wort, das offenbar derart außergewöhnlich ist, dass Buck diesen Ausdruck im englischsprachigen Text auch deutsch zitiert. Er lässt es Rudolf Eberl, Personalchef des Autozulieferers Gigatronik mit der Aussage auf den Punkt bringen, man müsse die Leute einstellen, wenn man sie finde, und nicht, wenn man sie braucht.

Der Eichstätter Metzgermeister Michael Schneider spricht in der "Financial Times" für das heimische Handwerk der Stadt: Schneider würde vom Fleck weg noch drei Metzger und sechs Verkäuferinnen einstellen können. Er selber mache sich zwar keine Sorgen, er wisse aber von anderen Handwerksmeistern in der Stadt, die beginnen, Fachkräfte und Jobsuchende mit Anreizen wie Smartphones oder Leihsportwagen fürs Wochenende zu werben. Schneider hält nichts davon, auch um die Lehrlinge nicht zu sehr zu verwöhnen. "You shouldn't live like a lord while being an apprentice", zitiert ihn Buck.

Das zweite Wort, das der FT-Reporter seiner weltweiten Leserschaft auf Deutsch mitteilt, ist "Bürgerversammlung": Der Wirtschaftsjournalist war ja beim Auftakt der städtischen Bürgerversammlungen im Gasthof "Krone" dabei und beschreibt nun durchaus verblüfft: Die größten Kontroversen habe es wegen des lokalen Spielplatzes und um die Frage, ob der Sand dort nun ausgewechselt gehöre oder nicht, gegeben.

"Wir haben keine echten Probleme hier", deshalb würden sich Leute auch wegen Dingen beklagen, über die woanders niemand auch nur eine Augenbraue hochziehen würde, zitiert der FT-Reporter Oberbürgermeister Andreas Steppberger zum Schluss seiner Reportage und kommt zu dem Schluss: So sei nun einmal das Leben in einer Stadt, in der jeder Arbeit habe und kein Angestellter Angst um seine Zukunft haben müsse.