Beilngries
Wunsch nach mehr Bescheidenheit

Die beiden Pfarrer Josef Funk und Hans-Michael Hechtel erklären, was für sie Weihnachten und die Adventszeit bedeutet

23.12.2012 | Stand 03.12.2020, 0:40 Uhr

Philosophisch-theologisches Duett in der Kirchenbank: Trotz vieler Termine nahmen sich der katholische Stadtpfarrer Josef Funk (rechts) und sein evangelischer Kollege Hans-Michael Hechtel die Zeit für ein Gespräch „über Gott und die Welt“ - Fotos: Schoplocher

Beilngries (DK) Volle Gotteshäuser, eine aufgebaute Krippe und die Weihnachtsgeschichte, die am Heiligen Abend aus der Bibel vorgelesen wird – mit alledem rückt auch die Kirche verstärkt ins Bewusstsein. Was aber bedeuten Adventszeit und Fest für die beiden Pfarrer über die Vorbereitung von Gottesdiensten hinaus? Was ist das besondere an Weihnachten? Und woran stören sie sich?

Der Einstieg in das Gespräch fällt leicht. Pfarrer Josef Funk hat die Weihnachtskarte mitgebracht, die er „seinen Leuten“ geschrieben hat. Sie zeigt einen Apfel am Baum und daneben eine Christbaumkugel.

Die stade Zeit, die eben so gar nicht stad sei, beschäftige ihn in diesen Tagen am meisten, sagt Stadtpfarrer Funk und gibt zu, dass auch er sich von dieser Betriebsamkeit nicht ganz frei machen könne. So habe er versucht, in der Woche vor Weihnachten Termine auf ein Minimum zu beschränken. „Ging nicht“, lautet die Erkenntnis kurz vor dem Fest. Auch, weil vieles „nicht Frommes“ einfach noch erledigt werden musste.

Während es ihm persönlich ganz gut gelinge, Auszeiten zu nehmen – und sei es, durch eine halbe Stunde früheres Aufstehen – beobachte er die Menschen, die getrieben seien. „Ihnen versuche ich bewusst zu machen, dass sie Dinge zulassen sollten.“ Zeit und „Unzeit“ spielten eine wichtige Rolle, dabei habe alles seine Zeit, unterstreicht der Geistliche. „Aber wie können die Menschen noch Freude an Lebkuchen haben, wenn diese seit Monaten schon in den Regalen liegen“, fragt Funk.

Daran stört sich auch sein evangelischer Kollege Hans-Michael Hechtel. Der beobachtet, dass die Menschen den Advent gar nicht mehr in seiner eigentlichen Bedeutung wahrnehmen – und durch viele vorweggenommene Dinge wie eben Lebkuchen, Weihnachtsmärkte und dergleichen gar nicht könnten. Hinzu komme, dass sich auf Weihnachten viele Sehnsüchte wie Liebe und Friede projizieren. Da sich diese aber meist nicht erfüllen, sei eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Fest, aber indirekt auch mit der Kirche die bedauernswerte Folge.

Hans-Michael Hechtel versucht, Erkenntnisse wie diese in seine Predigten einfließen zu lassen. Wie die Tatsache, dass gerade zu Weihnachten Menschen den Weg in das Gotteshaus finden würden, die sonst eher sporadisch oder gar nicht kämen. Das berücksichtigt auch Pfarrer Funk. „Vielleicht kann ich dem ein oder anderen vermitteln, dass wir gar nicht so verstaubt sind“, meint er lächelnd. Gerne greife er deshalb auf einen aktuellen Anlass zurück oder nehme Bezug auf ein aktuelles Thema. Ob das dieses Mal der Amoklauf in den USA sein könnte, überlegt er: „Hm, eher nicht“.

Was er den Gläubigen am Heiligen Abend inhaltlich bieten wird, weiß er noch nicht. Nicht zuletzt die vielen Termine in der Woche vor Weihnachten ließen keine genaueren Überlegungen zu. „Ich brauch’ was Ordentliches“, formuliert der Stadtpfarrer seinen Anspruch. Zwar sei Weihnachten natürlich thematisch immer ähnlich, aber „wir alle sind ja andere Menschen als vor 364 Tagen“, unterstreicht der Priester.

Auch die vielen Predigten, die der 48-Jährige in den kommenden Tagen schreiben muss, machen es nicht leichter. Mit gestern wird er im Laufe der Woche elf brauchen, dann warten schon Jahresabschluss und 1. Januar. „Der 6. Januar fällt auf einen Sonntag. Gottseidank“, ist da eine nachvollziehbare Erkenntnis, zumal der katholische Geistliche auch die Fürbitten selber schreibt.

„Ich versuche immer, etwas Persönliches mit hinein zu packen, manchmal ist die Predigt auch auf eine Person gemünzt, die das aber nicht merkt“, erklärt sein evangelischer Kollege, der Schwierigkeiten beim Ausarbeiten der Predigten ebenfalls kennt. „Manchmal steht dir das Wort Gottes einfach nicht zur Verfügung“. Dann helfen oft ein ausgiebiges Bad oder ein Spaziergang.

Doch eine gute Predigt macht noch keinen guten Gottesdienst. „Der Rahmen muss stimmen“, sagt Hechtel und erhält uneingeschränkte Zustimmung. Auch, als er berichtet, wie man an vermeintlichen Kleinigkeiten scheitern kann. „Letztes Jahr habe ich in meiner Vorgängerpfarrei Stille Nacht singen lassen, dabei wäre Oh du fröhliche angebracht gewesen“. Bei den Katholiken stellen die getauschten Strophen zwei und drei bei „Stille Nacht“, das in der nur durch Kerzen erhellten Kirche gesungen werde, eine „Falle“ dar. „Da muss ich schauen, dass ich mit lauter Stimme vorangehe“, meint Josef Funk schmunzelnd. Aber abgesehen davon seien das beeindruckende Momente.

Die Stimmung sei vielleicht sogar wichtiger als die Predigt, philosophiert Hans-Michael Hechtel, der in Anbetracht der Fülle der Funkschen Predigten froh ist, dass er nicht so gefordert wird. Wenngleich er nach drei Gottesdiensten am Heiligen Abend (Beilngries, Berching, Dietfurt) sicher „geschafft“ sein werde und sich auf einen ruhigen Ausklang in seinem Lieblingssessel freut. Beginnen wird der 54-Jährige den Tag traditionell mit einem Besuch am Grab seiner Eltern und Großeltern. „Das gehört für mich dazu“.

Über die Feiertage haben dann seine zwei Kinder ihren Besuch angesagt, da in Beilnries am zweiten Feiertag – mangels Resonanz in den vergangenen Jahren – kein Gottesdienst stattfindet, wird es also schnell ruhiger. Allerdings: „Bis du schaust, gehts wieder weiter“, findet auch Pfarrer Hechtel die Entspannungszeit kurz.

Stille Momente wird auch Josef Funk wenige haben. Am Heiligen Abend reduziert sich sein persönliches Fest auf die Zeit zwischen 18.30 Uhr und 21.30 Uhr, um 22 Uhr ist schließlich Christmette. Er fahre bewusst nicht zu einem seiner Brüder. Das sei zwar rechnerisch drin, würde aber Stress bedeuten. An den Feiertagen käme man ohnehin zusammen und so ist der Geistliche froh über eine persönliche Zeit, in der er „vielleicht auch mal ein Buch in die Hand nehmen“ wird.

Sein Weihnachtswunsch? „Dass wir ein wenig bescheidener werden. Dann könnten wir auch Weihnachten wieder mehr genießen“. Hans-Michael Hechtel nickt zustimmend und erzählt, dass er vor Jahren in Griechenland die Tage vor dem Fest wie in der Fastenzeit erlebt habe.

„Alles war ruhig, wir hatten sogar Schwierigkeiten, eine offene Taverne zu finden“. Weihnachten wie Ostern herankommen zu lassen, wäre schön, meint Pfarrer Hechtel. „Das ist ein guter Wunsch“, findet Pfarrer Funk.