Attenzell
Die Zähne ausgebissen

Deutsches Radsport-Toptalent Rutsch setzt sich beim Altmühltaler Straßenpreis durch

21.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:06 Uhr
Timo Schoch

Attenzell (DK) Der sechste Altmühltaler Straßenpreis wird zu einer Triumphfahrt des großen Favoriten: Jonas Rutsch (Team Lotto-Kern Haus) setzte sich beim 105 Kilometer langen Rennen in Attenzell (Gemeinde Kipfenberg) im Sprint durch.

Bei den Frauen gewann Tanja Edelmann (RSC Kempten) trotz eines technischen Defekts.

Vorjahressieger Tobias Erler (RSC Kempten) stand im Ziel, aber Lachen wollte er nicht. Das lag aber nicht in erster Linie an seiner Leistung, sondern an einem Missgeschick, das ihm während des Rennens passierte. "Mitten in der Fahrt habe ich den Zahn verloren", sagte Erler und schüttelte fassungslos mit dem Kopf. "Das tut verdammt weh, weil es eine Krone war und nun schauen eben der abgeschliffene Zahn und der Nerv heraus. " Ein bisschen haben ihn die Schmerzen im Mund von den Schmerzen in den Beinen abgelenkt. "Meine Hax'n waren heute nicht die Besten", sagte der 40-Jährige. Vor allem am Berg hätte er sich schwer getan. So hat ihm - im übertragenen Sinne - der entscheidende Antritt von Johannes Adamietz (Radteam Herrmann) den Zahn gezogen. Der am Ende Zweitplatzierte attackierte in der vorletzten Runde beim Anstieg nach Attenzell. Die Favoriten um Rutsch konnten folgen, aber Erler musste reißen lassen. "Ich konnte ja nicht mehr auf die Zähne beißen", scherzte Erler im Ziel, der in der Endabrechnung den 15. Platz belegte.

Ein Interview mit Jonas Rutsch lesen Sie hier.

An Rutsch bissen sich am Ende - sprichwörtlich - alle die Zähne aus. Das deutsche Radsport-Toptalent hatte in diesem Jahr bereits die U23-Ausgabe von Gent-Wevelgem gewonnen und wurde bei der Flandern-Rundfahrt als Fünfter ebenfalls bester Deutscher. Der 21-jährige Wiesbadener reiste also mit einer beeindruckenden Form nach Attenzell. Die ersten Runden des 15 Kilometer langen Kurses, mit Start und Ziel in Attenzell, taktierte Rutsch noch, denn bereits wenige Kilometer nach dem Start setzte sich eine fünfköpfige Spitzengruppe um Fabian Schormair (Team P&S Metalltechnik) ab.

Diese Ausreißer bestimmten lange Zeit das Rennen, bis eben Adamietz in der vorletzten Runde attackierte und die Verfolger schließlich in der letzten Runde die Spitzengruppe einholten. Am Anstieg zum Ziel nach Attenzell, mit teilweise bis zu 18 Prozent Steigung, biss Rutsch die Zähne zusammen und attackierte von der Spitze aus. Seinem kraftvollen Antritt konnte keiner mehr folgen und Rutsch krönte sich zum Sieger des sechsten Altmühltaler Straßenpreises, vor Adamizek und dem zweimaligen Gewinner des Rennens, Jonas Schmeiser (RSC Kempten). "Es war am Ende ein sehr taktischer Sprint von sieben Fahrern", sagte Schmeiser. "Ich war am Hinterrad von Jonas Rutsch. Er hat geschaut, was ich mache, aber ich habe so lange gepokert, bis er angetreten ist. Dann hatte ich noch Krämpfe, konnte ihm nicht mehr ganz folgen, aber es hat noch zum dritten Platz für mich gereicht. "

Das Rennen der Elite-Frauen entschied Tanja Edelmann (RSC Kempten) für sich. Allerdings hing der Sieg der Leutkircherin lange am seidenen Faden. "In der dritten von insgesamt fünf Runden ist mir der Schaltzug gerissen", erzählte die 43-Jährige. "Die Kette sprang daraufhin auf den schwersten Gang. Ich konnte vorne nur noch vom großen auf das kleine Kettenblatt schalten. " Bei diversen Anstiegen mit zweistelligen Prozentzahlen sind das keine guten Voraussetzungen - eigentlich. "Ich dachte, dass mein Rennen nun gelaufen ist", sagte die ehemalige baden-württembergische Meisterin. "Aber ich war ja Führende und so hoffte ich, dass ich vielleicht doch irgendwie durchfahren kann. Die Anstiege habe ich mich dann förmlich hochgewuchtet. " Es reichte dann tatsächlich für den Sieg bei den Damen, vor der Lokalmatadorin Maria Marb vom VfB Kipfenberg.

Durchweg Lob gab es für den Veranstalter Johannes Pfaff und das Rennen selbst. "Tolle Strecke, super organisiert und ein gutes Niveau. Deshalb stehe ich kommendes Jahr sicher wieder hier am Start", sagte Jonas Schmeiser. "So ein tolles Straßenrennen gibt es nicht mehr oft in Bayern", lobte Tobias Erler. Kein Wunder also, dass Organisator Pfaff ebenfalls rundum zufrieden war: "Es war wieder eine gelungene Veranstaltung, mit zum Glück nur wenigen und recht harmlosen Stürzen sowie einem verdienten Sieger Jonas Rutsch. " An dem 21-jährigen Top-Radsporttalent hatten sich - wie erwartet - am Ende alle die Zähne ausgebissen.

Timo Schoch