Nürnberg
Seltene Gelegenheit

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg zeigt kostbare Skizzenbücher von Franz Marc

22.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:07 Uhr
Fabelhafte Ausstellung: Nach der Schau werden die Skizzen wieder für Jahrzehnte in Klimaschränken verschwinden. −Foto: Karmann/dpa

Nürnberg (DK) Nicht nur Kunstfreunde sind aus dem Häuschen.

Die Skizzenbücher des bedeutenden Expressionisten, Franz Marc, werden zum ersten Mal in einer großen Sonderausstellung in Nürnberg gezeigt. Ulrich Großmann spricht von einem "Glücksfall" und kann seine Freude bei der Vorstellung der mit Hochspannung erwarteten Sonderausstellung kurz vor seinem Abschied als Chef des Hauses nicht verbergen.

Zur bevorstehenden Eröffnung der Marc-Schau, die den schönen aber schlichten Titel "Franz Marc auf dem Weg zum Blauen Reiter. Skizzenbücher" trägt, wurden gestern Abend allein mehr als 1000 Gäste erwartet. Darunter auch der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck. Der regelrechte Ansturm auf die Marc-Ausstellung dürfte selbst eingefleischten Kunstbanausen mit einem Schlag die Bedeutung des bevorstehenden Kulturereignisses des Jahres in Nürnberg zeigen.

"Viele der Zeichnungen von Franz Marc können die Besucher in Nürnberg zum ersten Mal überhaupt sehen", hebt Ulrich Großmann die Bedeutung der Ausstellung hervor. Der scheidende Museumschef ist sich sicher, dass Kunstfreunde aus dem ganzen Land in den nächsten Monaten an Nürnberg nicht vorbei kommen werden. Die Nürnberger Marc-Schau sei eine einmalige Chance, die Marc-Skizzen mit eigenen Augen zu sehen. Aufgrund der Zerbrechlichkeit würden die unschätzbar wertvollen Werke danach wieder für mindestens 30 Jahre in den klimatisierten Hochsicherheitsarchiven verschwinden.

Franz Marc ist einer der bedeutendsten Maler des Expressionismus in Deutschland überhaupt gewesen. Weltbekannt ist Marc durch seine Mitbegründung der Künstlergruppe "Der Blaue Reiter" geworden. Das Germanische Nationalmuseum hat 1982 die einmalige Gelegenheit beim Schopf ergriffen, alle 26 erhaltenen Skizzenbücher aus dem Nachlass des 1916 an der französischen Kriegsfront bei Verdun gefallenen Künstlers auf einem Schlag zu erwerben. Und dies offensichtlich zu seinem Schnäppchenpreis.

"Heute könnten wir uns das nicht mehr leisten", ist sich Großmann im Hinblick auf den anhaltenden "Marc-Hype" und den damit verbundenen Höchstpreisen bei Kunstauktionen sicher. Ein Blatt, so der Museumschef weiter, würde heute wohl genauso viel kosten, wie damals die gesamte Sammlung. Mit 603 Zeichnungen auf 523 Blättern stellen die "Nürnberger Skizzenbücher" aktuell den umfangreichsten Teilbestand in Marcs zeichnerischem Werk dar. Die Marc-Sammlung des Nationalmuseums zähle daher zu den absoluten Kostbarkeiten der Graphischen Sammlung.

Die Hefte beginnen 1904 und enden 1914 mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges. Damit dokumentieren die Künstlerbücher die für die Kunstgeschichte entscheidenden Jahre der Werkentwicklung vom Jugendstil bis zu Expressionismus und Abstraktion. Sie enthalten Porträts, Akte, Naturstudien und Kompositionsentwürfe für Gemälde.

Sie dokumentieren Franz Marcs Reisen und geben Einblick in seinen künstlerischen Werdegang von den Studienjahren an der Münchner Akademie der Bildenden Künste bis zur Gründung des Almanachs "Der Blaue Reiter". Obendrein würden die künstlerischen Tagebücher seine Auseinandersetzung mit den Strömungen der modernen Kunst seiner Zeit offen wiedergeben.

Die frühen Hefte zeigen vorwiegend ländlichen Szenen und Landschaften im Stil der Münchener Secession und der Dachauer Maler. Es folgen Skizzenbücher mit zahlreichen Tiermotiven. Die späteren Skizzenbücher beinhalten hauptsächlich Bewegungsstudien und Aktfiguren. Häufig spielt der Tanz eine wichtige Rolle. Tiere, Menschen und Landschaft verschmelzen darin zu einer Einheit.

Dem aufmerksamen Besucher bietet die fabelhaften Ausstellung das seltene Erlebnis, dem Künstler praktisch bei seiner täglichen Arbeit über die Schulter blicken zu dürfen. Der Besucher kann Marc in seinen Skizzen beispielsweise auf seinen Ausflügen in die Natur oder auf Reisen begleiten. In den chronologisch ausgestellten Blättern können Besucher der spannenden Ausstellung seine Begeisterung für fremde Kulturen und exotische Kunststile förmlich spüren. Trotz dieser künstlerischen und geistigen Weltgewandtheit bleibt Marcs Kunstinteresse bemerkenswerterweise immer der Volkskunst seiner bayerischen Heimat verhaftet. Insgesamt ermöglicht die intensive Ausstellung eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dieser faszinierenden Künstlerpersönlichkeit. Diese Schau wird nicht nur bei Marc-Fans noch lange nachwirken.

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, bis 1. September, Di bis So von 10 bis 18 Uhr, Mi von 10 bis 21 Uhr. Weitere Informationen unter www. gnm. de.

Nikolas Pelke