21. Juni
Zehn Sekunden für die Ewigkeit

20.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:27 Uhr

21. Juni 1960. Zürich, Letzigrund. Um kurz nach 20 Uhr hämmert Armin Hary seinen Startblock mit Nägeln besonders fest auf die Aschenbahn, er zupft sich das Trikot zurecht.

Nichts darf schiefgehen. Es soll sein großer Abend werden. Hary ist in Top-Form. "Ich habe mich auf den Knall gestürzt wie ein Boxer auf den Gegner", sagt Hary. Er trommelt die 100 Meter entlang. 10,0 Sekunden. Zehn Komma null! Welt-rekord. Doch die Kampfrichter sind so geschockt, dass sie die handgestoppte Zeit nicht anerkennen - Fehlstart sagen sie. Aber Hary bekommt einen Wiederholungslauf zugestanden. 35 Minuten später rennt er noch einmal 10,0 Sekunden. Bis heute hat kein Europäer die prestigeträchtigste Bestmarke der Leichtathletik geknackt.

72 Tage später holt der damals 23-Jährige in Rom als bisher einziger Deutscher Olympiagold über 100 Meter, eine Woche später auch mit der 4x100-Meter-Staffel. Bereits 1958 war er in Stockholm Europameister in den beiden Disziplinen geworden. Doch schon kurz nach seinem Olympia-Triumph macht er Schluss. Nach einem Autounfall im November 1960 ist das Knie kaputt - Anfang Mai 1961 erklärt er seinen Rücktritt.

Morgen feiert Hary im niederbayerischen Adlhausen seinen 80. Geburtstag. "Ich denke nicht täglich daran, dass ich früher mal ein toller Hecht war", sagt der Bergmannssohn aus dem Saarland. Heute engagiert sich der Träger des Bundesverdienstkreuzes für seine AHA-Stiftung zur kommunalen Förderung jugendlicher Sporttalente aus sozial benachteiligten Familien. Täglich sitzt der "blonde Blitz" am Telefon oder besucht Unternehmen, um Geld zu sammeln. "Ich bin der größte Bettler Deutschlands", sagt Hary im Scherz. ‹Œsid/jpi

 

Raus aus dem Rampenlicht - und dann? Jede Woche erinnern wir in dieser Serie an eine ehemalige Sportlegende und berichten über deren Leben nach der Karriere. ‹ŒFoto: dpa