Hohenwart
"Ich habe wirklich jede Sekunde genossen"

Die Triathlon-Weltmeisterin Nicole Bretting spricht über ihren Empfang in Hohenwart, die Zukunft – und Sponsoren

21.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:57 Uhr

 

Hohenwart (PK) Sechs Wochen ist es nun her, als Nicole Bretting auf Hawaii ein kleines Stückchen Sportgeschichte geschrieben hat – und beim legendären Triathlon auf Hawaii den WM-Titel in ihrer Altersklasse W 40 gewonnen hat. Wie die Hohenwarterin das Ganze verdaute, welche Ziele sie sich für die Zukunft setzt? Sie verrät es im Gespräch mit unserer Zeitung.

Frau Bretting, als Weltmeisterin von Wolke sieben zurück in den bayerischen Alltag zu kommen – war’s schwer für Sie?

Bretting: Eigentlich nicht. Zwei drei Tage in der Arbeit – und ich war wieder voll drin.

Aber es hat sich schon irgendwie etwas verändert durch den Triumph auf Hawaii?

Bretting: Nein, überhaupt nicht. Was soll denn jetzt anders sein? Ich bin weiterhin eine Versicherungsangestellte, wie auch bereits davor.

Aber sind Sie jetzt eine Versicherungsangestellte, auf die zum Beispiel die gesamte Gemeinde Hohenwart mächtig stolz ist.

Bretting: Tatsächlich – der Empfang, der mir von den Hohenwartern nach meiner Rückkehr von der WM bereitet wurde, war einfach nur der Wahnsinn. Mit so etwas Tollem hätte ich niemals gerechnet, das war in keiner Weise selbstverständlich. Ich habe wirklich jede Sekunde genossen – und dabei bin ich doch überhaupt kein Typ, der so gerne im Mittelpunkt steht.

Sogar einen Balkon hatte die Gemeinde spontan errichtet.

Bretting: Stimmt, Bürgermeister Manfred Russer hat sein Versprechen, das er mir vor zwei Jahren gegeben hatte, nun eingehalten. Und das Ganze war nicht nur irgendein Gerüst, sondern sah ausgesprochen professionell aus. Stark.

Knapp sechs Wochen ist es nun her, seit Sie auf Hawaii den begehrten WM-Titel auf der Ironmandistanz holten. Ist es Ihnen inzwischen hundertprozentig bewusst, dass Sie in ihrer Altersklasse die zurzeit beste Triathletin auf dieser Welt sind?

Bretting: Seit der Rückkehr nach Deutschland, seit dem Empfang in Hohenwart irgendwie schon. Jetzt habe ich es wohl endgültig gecheckt. Und trotzdem, irgendwie schwebe ich auch weiterhin auf Wolke sieben.

Welche Gefühle verbinden Sie vorrangig mit dem gewonnenen WM-Titel?

Bretting: Natürlich Stolz – und ganz viel Erleichterung. Die zwei Jahre zuvor hatte es ja zweimal knapp nicht geklappt.

Hatten Sie nun schon die Angst, irgendwann als „ewige Zweite“ zu gelten?

Bretting: Natürlich ist das ein Ruf, den man als Sportlerin nicht haben möchte. Aber schauen Sie: In anderen Sportarten gibt es auch sehr viele tolle Athletinnen, die zum Beispiel nie einen Olympiasieg schaffen. Für so einen Triumph wie jetzt auf Hawaii muss einfach alles passen. Und bei mir passte diesmal alles.

Dabei galten Sie nach Rang drei im Vorjahr heuer nicht als Topfavoritin – zumal die zwei Frauen, die Sie 2013 noch geschlagen hatten, diesmal erneut am Start waren.

Bretting: Normalerweise interessiert mich die Teilnehmerliste im Vorfeld eines Wettkampfes überhaupt nicht. Heuer jedoch schaute ich drauf, fand prompt die Namen der Beiden – und dachte mir ganz spontan: „So ein Mist.“

Aber war das Ganze im Nachhinein vielleicht sogar ein Vorteil für Sie? Gingen Sie dadurch eventuell sogar einen Tick lockerer in den Wettkampf?

Bretting: Ich glaube nicht, dass es nur daran lag. Ich habe mich heuer nicht verrückt gemacht. Natürlich wollte ich auch diesmal wieder unbedingt meine beste Leistung abrufen. Aber trotzdem schaffte ich es nun, in den Tagen vor dem Start immer wieder kurz vom Triathlon abzuschalten. So saß ich an den Abenden einfach auf meiner Veranda, las in aller Ruhe ein Buch – ohne irgendwelche Gedanken an Schwimmen, Rad- oder Laufstrecke.

Hand aufs Herz: Wenn es heuer nicht mit dem Gewinn des Titels geklappt hätte, wie oft hätten Sie es dann noch auf Hawaii probiert?

Bretting: Ganz sicher nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag. Andererseits betreibe ich diesen Sport nicht, um Weltmeisterin zu werden, sondern weil mir das Ganze extrem viel Spaß macht. Und so lange das der Fall ist, mache ich weiter – vollkommen egal, welche Erfolge dabei herausspringen.

Warum haben Sie genau heuer auf Hawaii gewonnen?

Bretting: Weil ich einfach schneller war als die anderen Starterinnen in meiner Altersklasse. Aber Spaß beiseite: Ein wichtiger Grund war wohl, dass ich mich im Schwimmen deutlich verbesserte – denn während ich hier bei schwierigen Bedingungen kaum Zeit verlor, ließen meine Konkurrentinnen im Vergleich zum Vorjahr doch erheblich Zeit liegen. Prompt musste ich nun auf der Radstrecke kein so großes Loch schließen wie sonst immer.

Mit dem Rennrad waren Sie ja tatsächlich wieder eine Klasse für sich.

Bretting: Es lief ganz gut, ja. Ich konnte sogar mit den hinteren Profis gut mithalten.

Prompt gingen Sie schon mit einem schönen Vorsprung auf die Marathonstrecke. Was ging Ihnen da durch den Kopf?

Bretting: Viel denkt man da nicht mehr, man will nur noch irgendwie durchkommen. Obwohl, irgendwann kam schon kurz eine gewisse Angst auf: „Bitte, bitte kein Krampf.“ Schließlich spürte ich auf einmal meinen Oberschenkel, und dann hätte sehr schnell alles vorbei sein können. Aber Gott sei Dank ging alles gut.

Nun waren Sie heuer bereits zum fünften Mal auf Hawaii. Wird das Ganze nicht irgendwann langweilig – erst recht mit dem Titel 2014 in der Tasche?

Bretting: Nein. Ich freue mich schon jetzt auf 2015. Durch den Sieg heuer darf ich ja im nächsten Jahr definitiv starten – und dann werde ich wieder eine Menge von sehr guten Bekannten treffen. Einmal ganz davon abgesehen kann ich mir sehr gut vorstellen, den Wettkampf dort irgendwann auch nur als Urlauberin genießen zu wollen. Hawaii an sich ist einfach wunderschön – mit seinen besonderen Leuten, mit seinem besonderen Flair. Es muss dort nicht nur Triathlon sein.

Blicken wir ein bisschen voraus. Was ist Ihnen 2015 wichtiger: Die Titelverteidigung auf Hawaii – oder dass Sie bei der Ironman-70.3-Weltmeisterschaft quasi vor der Haustür, im österreichischen Zell am See, Ende August für Furore sorgen?

Bretting: Am allerliebsten würde ich natürlich gerne beide Wettkämpfe gewinnen.

Ist das realistisch?

Bretting: Die Chance, auf beiden Distanzen Weltmeisterin werden zu können, ist durchaus da. Und ich bin gespannt darauf, wie viele US-Amerikanerinnen den Weg nach Österreich auf sich nehmen werden. Die Ironman-70.3-WM findet im kommenden Jahr ja erstmals in Europa statt.

Und Sie besitzen dort einen gewissen Heimvorteil.

Bretting: Ich habe jedenfalls die Möglichkeit, im Vorfeld des Wettbewerbs öfter mal in Zell am See zu trainieren. Und ja, ich werde mir das Ganze dort ganz genau anschauen – womit ich vor allem die Radstrecke meine, die durch ihre vielen Höhenmeter ihre Tücken hat. Die ist schon knackig.

Aber Sie sind in auf der 70.3-Distanz – 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und 21,1 Kilometer Laufen – zuletzt gleich dreimal in Folge Europameisterin in ihrer Altersklasse geworden.

Bretting: Das stimmt.

Erfolge über Erfolge also in Ihrem sportlichen Lebenslauf. Wie lange wollen, wie lange können Sie denn noch als Triathletin weitermachen?

Bretting: Auf Hawaii war der älteste Aktive nun 84 Jahre alt, die älteste auch schon über 80. Bloß ob ich persönlich das Ganze noch 40 weitere Jahre mache? Ich glaube, das ist zu bezweifeln. Aber andererseits: Sag’ niemals nie.

Sie betreiben Ihren Sport als Amateurin, arbeiten ganz normal als Versicherungsangestellte. Ändert sich durch den WM-Titel nun etwas daran? Fließen plötzlich die Sponsorengelder?

Bretting: Nein. Wobei ich in nächster Zeit schon versuchen werde, die eine oder andere Firma anzuschreiben, von der ich glaube, dass sie zu mir passt und dass ich für sie werben könnte. Wenn sich dabei tatsächlich ein paar regionale Unterstützer finden würden – ich wäre definitiv nicht böse darüber. Also Firmen, falls Ihr Interesse an mir habt: Bitte melden!“ (lacht)

Zahlen Sie bis jetzt drauf?

Bretting: Definitiv ja.

Das bedeutet?

Bretting: Mit den Sponsorengeldern, die ich aktuell bekomme, ist gerade einmal im Jahr der Flug nach Hawaii gezahlt. Alles andere, was sonst noch dazukommt – zum Beispiel das gesamte Equipment wie Rennrad oder Laufschuhe – muss ich komplett selbst finanzieren. Aber was soll’s? Triathlon ist eben mein großes Hobby. Und ich bin eben eine reine Amateurin.

Noch mal kurz zurück zur Weltmeisterschaft 2014. Als Siegertrophäe erhielten Sie dort ja keinen überdimensionalen Pokal, sondern eine hölzerne Salatschüssel. Wann gibt’s daraus im Hause Bretting das erste Mal wohlschmeckende Tomaten oder Gurken?

Bretting: Um Gottes Willen, natürlich nie. Sie steht ganz dekorativ in einer Vitrine – zusammen mit den beiden Holzschüsseln, die ich zuvor schon als WM-Zweite beziehungsweise WM-Dritte auf Hawaii erhalten hatte. Darauf bin ich durchaus stolz. Und unseren Salat essen wir jetzt natürlich trotzdem weiterhin woanders heraus.

Das Interview führte

Roland Kaufmann.